Hamburg. Veolia Towers Hamburg kassieren gegen ratiopharm Ulm die siebte Niederlage in Serie und geben wenig Anlass zur Hoffnung.

Fünf Minuten vor Ende hatten die ersten der 2944 Zuschauer in der edel-optics.de genug gesehen. Es waren nur vereinzelte Fans, die ihre Veolia Towers Hamburg bei der 78:94 (12:30, 25:24, 19:17, 21:23)-Niederlage gegen den deutschen Meister ratiopharm Ulm vorzeitig im Stich ließen. Aber selbst das schwierig zu erschütternde Publikum scheint sich langsam dem Ernst der Lage des Basketball-Bundesligisten bewusst zu werden.

Wer sich dessen offenkundig bewusst ist, ist Center Jonas Wohlfarth-Bottermann. "Ich weiß nicht, was es ist. Es klickt nicht, es reicht einfach nicht", sagte der EM-Bronzemedaillengewinner fassungslos. Cheftrainer Benka Barloschky nahm er ausdrücklich von der Kritik aus.

Wohlfarth-Bottermann: "Es gibt genug Verantwortliche dafür"

"Benka wird alles geben, wir stehen hinter ihm, das ist nicht das Problem." Was es dann ist? "Da fragt ihr den Falschen. Es gibt genug Leute, die in diesem Verein dafür verantwortlich sind", sagte WoBo.

Es war die wettbewerbsübergreifend siebte Pleite in Folge. Eine längere Negativserie gab es nur in der durch die Corona-Pandemie abgebrochenen Saison 2019/20, als die Hamburger als Aufsteiger neunmal nacheinander als Verlierer das Feld verließen. Angesichts der kommenden Gegner Hapoel Tel Aviv und MLP Academics Heidelberg wackelt dieser "Rekord" gewaltig.

Hamburg Towers kassieren Pleite gegen Ulm

Die Zuschauer wehrten sich lange dagegen. Für diesen Einsatz ließen die Wilhelmsburger ihre Anhänger nicht nur psychisch, sondern auch physisch leiden. Ganze 2:28 Minuten musste das Publikum stehen, ehe es sich nach den ersten Towers-Punkten durch Aljami Durham setzten durfte. Viele weitere sollten im ersten Viertel nicht mehr folgen.

Stattdessen setzte sich der Titelträger direkt vorentscheidend ab - auf geradezu groteske Weise. Mal foulten die Hamburger völlig unbeherrscht beim Korbleger (wenn sie zumindest mal den Ansatz eines Verteidigungsversuchs unternahmen), mal, nein, sogar mehrmals durften die Gäste wie beim Korblegerkreisel im Warm-up von der Mittellinie an komplett allein auf den Korb zulaufen.

Zuschauer pfeifen Towers aus

Als dieses defensive Desaster in einem 0:15-Lauf resultierte, gab es erstmals in dieser Saison Pfiffe im Inselpark. Dabei machte Ulm nicht einmal richtig ernst, sondern setzte mit Pacome Dadiet (18 Jahre) und Tobias Jensen (19) mitunter zwei Nachwuchsakteure, die primär in der drittklassigen 2. Bundesliga ProB auflaufen, gleichzeitig ein. Ein Fingerzeig, welches Niveau die Towers mitunter aufwiesen.

"Wir sind gegen einen guten Gegner drei Viertel lang auf Augenhöhe, der 0:15-Lauf am Anfang war ausschlaggebend", sagte Barloschky. "Es hört sich komisch an nach einer Niederlage, aber die Mannschaft wird immer besser", meinte der 35-Jährige.

Barloschky: "Werden Spiele gewinnen"

"Unser Auftaktprogramm ist unglaublich schwer. Wir müssen dahin kommen, 40 Minuten unter Spiel zu stehen. Aber wir werden Spiele gewinnen, müssen nur ruhig bleiben", sagte Barloschky.

Erneut ohne Terrell Gomez, der als überschüssiger Ausländer aussetzen musste, übernahm regelmäßig Niklas Krause den Spielaufbau. Doch der 21 Jahre alte Point Guard von ProB-Kooperationspartner SC Rist Wedel war wegen seiner Unerfahrenheit häufig überfordert. Was ihm nicht einmal direkt vorzuwerfen war, da sich seine Mitspieler aufs Herumstehen beschränkten.

Zu viele Einzelaktionen gegen den deutschen Meister

Generell verließen sich die Gastgeber wesentlich zu oft auf Einzelaktionen. Die Qualität dieser war indes überschaubar, insbesondere V. J. King liefert derzeit keinerlei Gründe, dass sich Sportchef Marvin Willoughby nicht nach Ersatz umsehen sollte.

Dass die Zuschauer ihr Team noch vor der Halbzeit wieder regelmäßig bejubelten, war bemerkenswert. Es lag mitunter dem Einsatz der Spieler, der - zu spät - stimmte, sowie am guten Hallensprecher Isaac Hoffmann.

Dziewa einziger Lichtblick

Und immerhin: War die Pokalpleite gegen die Bamberg Baskets am vergangenen Wochenende noch Basketball zum Wegschauen, so waren an diesem Abend der Gegner und die Leistung der Towers im zweiten und dritten Viertel zu gut für ein derart vernichtendes Urteil.

Einerseits gelang es der Mannschaft von Cheftrainer Benka Barloschky in dieser Phase konstanter, die Wege des Meisters zum Korb abzuschneiden. Andererseits fanden die Außenspieler verlässlicher ihren Center Aleksander Dziewa, dem wohl größten Lichtblick des Abends.

Was kann Barloschky gegen den Negativlauf tun?

Und dennoch: Der Eindruck verfestigte sich, dass auch Ulm, wie viele der nominell starken Gegner zuvor, phasenweise auf dem Standgas durch das Spiel cruiste und nur notwendigerweise hin und wieder das Gaspedal kurz durchdrückte. Dies genügte.

Die Towers haben diesen Extragang nicht - und auch keine Antworten darauf, wenn die Kontrahenten aufdrehen. Stellt sich die Frage, welchen Einfluss Barloschky darauf hat?

Hinrichs und Meisner ohne Effekt

Ist die spielerische Qualität so gering, dass selbst der Ulmer Meistertrainer Anton Gavel wenig bewirken könnte oder gebe es zumindest kleinere Kniffe, die eine Wirkung entfalten können? Vermutlich ein Henne-Ei-Problem.

Besorgniserregend ist in jedem Fall, das gestandene Bundesligaspieler wie Kapitän Seth Hinrichs und sein Ex-Nationalspieler Lukas Meisner komplett untergehen und von der Situation sichtbar beeinflusst sind. Hinrichs nahm nur zwei Würfe, Meisner einen. Die Augen verschließen vor diesen offenkundigen Problemen können selbst die Zuschauer, die vorzeitig gingen, nicht mehr.

Veolia Towers Hamburg: Dziewa (24 Punkte), Durham (17), Christmas (13), Hughes (13), Krause (4), Möller (3), Hinrichs (2), Meisner, Brauner, Wohlfarth-Bottermann, King.