Hamburg. Das Bild von dem Mecklenburger Zweitligisten wird seit Jahren von gewaltbereiten Anhängern geprägt, „Hochrisikospiel“ beim FC St. Pauli

Es ist ein bisschen wie mit dem Yeti – Leute berichten darüber, ihn gesehen zu haben, ganz bestimmt. Der existiert anscheinend. Aber er ist ein scheues Wesen, es mag ihn tatsächlich geben, aber er meidet den Kontakt. Und so weiß man nicht, ob der mystische Schneemensch real ist, oder doch nur Fantasie. Ähnlich ist es mit Rostocks „Hansafans gegen rechts“.

Die gibt es wohl auch. Jedenfalls haben sie einen Facebook-Auftritt. Aber auch das sind offensichtlich scheue Wesen, die den Kontakt meiden. Jedenfalls zu Hamburger Pressevertretern. Persönliche Nachrichten über das soziale Netzwerk blieben ebenso unbeantwortet wie E-Mails. Was extrem schade ist.

Hansafans stellen sich gegen Nazis und Chaoten

Gäbe es doch die Chance, mal andere Geschichten über Hansa-Anhänger zu erzählen als die leider immer wieder notwendigen Berichte über gewaltbereite Chaoten im Fanblock, die auch noch regelmäßig eine rechte politische Gesinnung mindestens erahnen lassen. Und die es damit geschafft haben, das öffentliche Bild eines Vereins und seiner Fans nachhaltig zu beeinflussen.

„Nazis und Rassisten sorgen für ein ausschließendes und bedrohliches Klima für alle kritischen und nicht in ihr enges Weltbild passenden Menschen in- und außerhalb des Stadions. Auch sind sie für das schlechte, den Verein beschädigende Image des FC Hansa mitverantwortlich“, heißt es auf der Facebook-Seite der „Hansafans gegen rechts“.

Mindestens 2600 Rostocker kommen nach Hamburg

Womit sie Recht haben. Nächster Versuch also, mit ihnen in Kontakt zu kommen über den Fanbeauftragten des Vereins. Das ist jemand, der beim FC Hansa angestellt ist, um sich um die Belange der Fans zu kümmern. Der aber auch nicht weiterhelfen kann oder will: „Unsere Fans haben mit der Presse schlechte Erfahrungen gemacht.“

Tatsächlich haben doch eher viele Vereine und deren Anhänger schlechte Erfahrungen mit den Fans von Hansa Rostock gemacht. Nicht ohne Grund lässt der FC St. Pauli beim Heimspiel am Freitag (18.30 Uhr) die Sanitärräume im Gästeblock für die 2600 offiziell mitreisenden Rostock-Anhänger geschlossen und stellt dafür 40 Dixi-Klos auf. „Das ist nicht schön, aber die Vorfälle der Vergangenheit machen es leider nötig“, erklärt Vereinssprecher Patrick Gensing.

Politiker fordern härtere Linie gegen Ausschreitungen

Beim bislang letzten Auftritt der Mecklenburger am Millerntor am 26. Februar 2023 hatten Randalierer im Gästeblock unter anderem die WC-Anlagen zerstört und mit zum Teil scharfkantigen Keramikteilen auf Fans in den Heimbereichen sowie auf Ordner geworfen. Ein verletzter Ordner hatte im Krankenhaus behandelt werden müssen. Darüber hinaus wurde im Sanitärbereich Feuer gelegt. Es entstanden erhebliche Schäden mit sehr hohen Kosten für die Wiederherstellung.

Auch diese Vorfälle befeuerten natürlich die immer härtere Linie, mit denen Politiker gegen Ausschreitungen von Fußballfans vorgehen wollen. Nach der Europameisterschaft (14. Juni bis 14. Juli) soll es ein Spitzengespräch mit dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) und der Deutschen Fußball Liga (DFL) geben. Dies kündigte der bayrische Innenminister Joachim Hermann als Vorsitzender der Sportministerkonferenz vergangene Woche in Saarbrücken an.

DFB und DFL sehen Stadionbesuche als sicher an

„Wir sind klar der Auffassung, dass die bestehenden, durchaus anerkennenswerten Präventionsansätze des DFB, der DFL und der Vereine nicht ausreichen“, sagte der CSU-Politiker. Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens hat nach dem massiven Pyro-Einsatz im Derby zwischen Hannover 96 und Eintracht Braunschweig vor anderthalb Wochen gefordert, „dass die Gästeblöcke leer bleiben. Wir sind an einem Punkt, an dem wir der gewaltbereiten Minderheit im Stadion sagen müssen: Das Ende der Fahnenstange ist erreicht.“ Die SPD-Politikerin unterstellte dabei einigen Fans sogar, dass sie ins Stadion gehen „um Menschen zu verletzen“.

Der DFB und die DFL verweisen unterdessen auf Zahlen der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS), denen zufolge in der Saison 2022/23 rund 26,48 Millionen Menschen die Spiele der Bundesliga, 2. Bundesliga, 3. Liga, DFB-Pokal, Uefa-Clubwettbewerbe und sonstige Spielen besucht hätten. „Unter ihnen wurden im gesamten Jahr insgesamt 1176 Verletzte verzeichnet. Die Zahlen belegen, dass das Stadionerlebnis in Deutschland sehr sicher ist“, schrieben DFB und DFL.

Verhandlungen über Kosten von Polizeieinsätzen ab Donnerstag

Dazu mag auch der Einsatz von Polizeikräften beitragen, auch wenn sich in letzter Zeit die Klagen über unverhältnismäßige Einsätze vor allem von Bundespolizisten auch gegenüber unbeteiligten Fans gehäuft haben. Auch beim Spiel des FC St. Pauli gegen Hansa und in der Woche drauf beim Stadtderby zwischen dem HSV und den Kiezkickern wird die Polizei Extraschichten fahren müssen und ihre Kräfte verstärken.

Die Verhandlung über die Rechtmäßigkeit einer Kostenbeteiligung der Vereine für diese Polizeieinsätze beginnt an diesem Donnerstag vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Hamburgs Innensenator Andy Grote steht dieser Idee positiv gegenüber, scheut aber einen Alleingang, wie ihn Bremen unternommen hat. Der FC St. Pauli appelliert an seine Zuschauer, möglichst früh und mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Stadion zu kommen. Es seien Fanmärsche geplant, und dann ist auch noch Feierabendverkehr. Das Viertel wird voll sein, die Beamten beschäftigt.

Partie auf St. Pauli ist Hochrisikospiel

Die Partie wurde von der Polizei nach Rücksprache mit den Clubs als „Hochrisikospiel“ /„Rot-Spiel“ eingestuft. Das heißt unter anderem, dass alkoholhaltige Getränke im Stadion verboten sind, auch wird der Sicherheitspuffer auf der Nordtribüne zwischen Gäste- ud Heimfans vergrößert. Es sind auch deutlich mehr Ordner als gewöhnlich im Einsatz.

Trotz der Einlasskontrollen ist damit zu rechnen, dass in beiden Fanlagern Pyros gezündet werden. St. Paulis Trainer Fabian Hürzeler wird seine Spieler darauf vorbereiten, dass es zu Unterbrechungen in der Partie kommen kann. „Wir wissen um die Bedeutung des Spiels auch für die Fans“, sagte er, „es ist wichtig, dass man bei den Spielern anspricht, was man erwarten kann. Darauf müssen wir vorbereitet sein, also auch auf Unterbrechungen.“

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Was die Rostocker so planen, ist schwer zu erfahren. Eine Sorge der Polizei ist, dass sich viele Hansafans ohne Tickets auf dem Weg nach Hamburg machen könnten. Die Hansa-Fanbetreuung gibt keine Auskunft: „Es wurden 2600 Karten verkauft, mehr können wir nicht sagen.“ Unter den Fanprojekten, so ist zu hören, gibt es keinen Austausch wie normalerweise. Ein Verhältnis zur Rostocker Fanszene ist nicht existent.

In dem Verein herrscht eine Wagenburgmentalität. Und die kritischen Fans? „Wir dokumentieren die Probleme, wollen aber vor allem ermutigen und zeigen: Hansa ist längst kein Nazi-Club mehr!“, heißt es bei Hansafans gegen rechts“. Und man hofft, das ist kein Yeti – aber warum sind sie dann so scheu?