Hamburg. Viele Fragen sind offen. Wie konnte die Zweitliga-Partie so eskalieren? Das macht die Täterermittlung für die Beamten so schwer.
Auch am Dienstag waren die skandalösen Vorkommnisse rund um das Spiel des FC St. Pauli gegen Hansa Rostock noch allgegenwärtig. Egal ob in den sozialen Netzwerken bei den Fans, beim Verein, oder auch bei der Polizei Hamburg. Die Aufarbeitung des von Hass begleiteten Fußballspiels läuft in allen Bereichen auf Hochtouren.
Bei der Polizei wurde die Strafanzeige des FC St. Pauli aufgenommen. Derzeit wird wegen des Zündens von Pyrotechnik und des damit verbundenen Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz gegen Hansa Rostock und den Kiezclub ermittelt.
St. Pauli gegen Rostock: Was die Täterermittlung so schwer macht
Weil die Rostocker Fans mehrere Waschbecken und Toiletten zerstörten und anschließend Keramikteile auf St.-Pauli-Fans und Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes geworfen haben, wird zudem wegen wegen schweren Hausfriedensbruchs ermittelt. „Es gab bislang keine Festnahmen, sondern nur Ingewahrsamnahmen. Derzeit wird noch das Videomaterial ausgewertet. Wir arbeiten zudem mit den Rostocker Kollegen zusammen“, erklärt Polizeisprecher Holger Vehren.
Vehren machte kein Geheimnis daraus, wie schwer die Ermittlung der Täter ist. Die Rostocker, die Pyrotechnik zündeten und Raketen in Richtung des Platzes geschossen haben, waren vermummt. „Zudem macht es der Rauch, der durch die Pyrotechnik entstanden ist, schwer, Menschen zu identifizieren“, so der Polizeisprecher.
Bleibt die Frage: Wie konnte derart viel Pyromaterial ins Millerntorstadion gelangen? Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Fangruppen bestens vernetzt sind. Oft werden die Gegenstände über die Menschen, die bereits in den Tagen vor dem Spiel Zugang zum Stadion haben, vor Ort deponiert. Das ist wahrlich kein St.-Pauli-Problem, sondern gängige Praxis in den Fußballstadien in ganz Europa.
Waren beim FC St. Pauli zu wenig Ordner im Einsatz?
Viele Außenstehende fragen sich, warum die Beamten nicht einfach in den jeweiligen Fanblock vordringen, um die Täter bei Pyrotechnik und Randale auf frischer Tat zu ertappen. Die Antwort: Deeskalation. „Wenn die Beamten in den verdichteten Stehplatzbereich gehen würden, könnte es zu einer Panik kommen. Dann könnten auch Unbeteiligte in Gefahr gerarten. Das wollen wir vermeiden“, erklärt Vehren. Auch wenn das die Ermittlung der Täter deutlich erschwert.
Die Einlasssituation beim Gästeblock des Millerntor-Stadions ist nach Abendblatt-Informationen seit längerem ein großes Thema bei der Hamburger Polizei. In dem engen Nadelöhr in der Ecke Nordtribüne/Haupttribüne ist es schwer, vernünftige Kontrollen durchzuführen, ohne, dass es zu großem Gedränge kommt. Angeblich sollen 500 Fans vor der Partie ohne Ticket den Ordnungsdienst überrannt haben, um in den Block vorzudringen. Ähnliches ist bereits beim vergangenen Stadtderby gegen den HSV passiert.
Lichtenhagen-Plakat: Das sagt die Hamburger Polizei
Viel Kritik aus der Fanszene erhielten die Polizisten dafür, dass sie den Banner mit dem Wort „Lichtenhagen“ und einer Sonnenblume nicht entfernt haben. Das Aufhängen eines Banners, das indirekt an den Überfall auf ein Wohnheim von Vietnamesen in Rostock-Lichtenhagen im Jahr 1992 erinnert, war eine weitere Provokation.
Die Beamten wussten um die provozierende Wirkung des Plakats. Allerdings, so heißt es von der Polizei, würde der Banner dem grundgesetzlich verbürgten Recht auf freie Meinungsäußerung unterliegen und keine strafrechtliche Relevanz haben.
Dem Ordnungsdienst sei das Plakat aufgefallen, allerdings habe der Sicherheitsbeauftragte des FC St. Pauli darauf verzichtet, vom Hausrecht Gebrauch zu machen, was ihn dazu befugt hätte, das Aufhängen des Spruchbandes zu untersagen.
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Polizeisprecher Holger Vehren erklärte dem Abendblatt, dass bei seiner eigenen Begutachtung zunächst lediglich vier, später acht Ordnungskräfte am Gästeblock im Einsatz gewesen sein sollen. Entsprechender Schriftverkehr von weiteren Polizisten, die die Beobachtungen des Polizeisprechers bestätigen, sollen in Einsatzdokumenten vermerkt sein.
St. Pauli wehrt sich gegen Vorwürfe der fehlenden Kontrolle
Der FC St. Pauli wehrt sich gegen den Vorwurf, man habe nicht ausreichend kontrolliert. Auf seiner Internetseite erklärte der Kiezclub, dass in der Spitze 14 Ordnungskräfte am Gästeblock vor Ort waren. Der Verein überprüfe derzeit trotzdem, wie die Einlasssituation im Stadion verbessert werden könnte. So wäre es eine Option, das Millerntor-Stadion künftig früher zu öffnen, um den Besucherstrom zu entzerren.
Darüber hinaus wollen die Hamburger auch die eigenen Fans besser gegen Wurfgeschosse aus dem Gästeblock schützen. Womöglich soll ein zusätzliches Fangnetz installiert werden.