Hamburg. Die wichtigsten Angestellten des FC St. Pauli und der SV Elversberg weisen Parallelen, aber auch gravierende Unterschiede auf.

Fabian Hürzeler hat ein Vorbild: Hauke Wahl. Der Innenverteidiger des FC St. Pauli wurde am vergangenen Sonnabend zum ersten Mal in 246 Zweitligaspielen vom Platz gestellt.

„Da kann ich mir was von abschauen“, sagt der 31 Jahre alte Cheftrainer, der in dieser Beziehung zum zwei Jahre jüngeren Defensivmann aufsieht. Denn er ist dagegen nur eine weitere Gelbe Karte davon entfernt, allein in dieser Saison zum zweiten Mal gesperrt zu werden. Schon am Sonntag (13.30 Uhr/Sky) könnte es beim Heimspiel im Millerntor-Stadion gegen die SV Elversberg so weit sein.

FC St. Pauli empfängt SV Elversberg im Millerntor-Stadion

Da Hürzeler Wahl dann höchstens zuhören kann, da dieser beim AFM-Fanradio als Experte zu Gast ist, könnte er vielleicht bei einem anderen Vorbild zuschauen. Sein Trainerkollege Horst Steffen agiert an der Seitenlinie wesentlich gelassener und hat in der aktuellen Spielzeit erst eine Verwarnung bekommen.

„Und die natürlich völlig zu Unrecht“, sagt der 55-Jährige lachend beim Abendblatt-Podcast „Millerntalk“. Dem Erfolg ist die im Vergleich zu Hürzeler eher nüchterne Herangehensweise des gebürtigen Krefelders nicht abträglich.

Elversberg gelingt unter Trainer Steffen Durchmarsch in die Zweite Liga

Unter seiner seit 2018 währenden Ägide arbeitete sich die Sportvereinigung aus dem 12.800-Einwohner Städtchen Spiesen-Elversberg aus der Regionalliga in die Zweite Liga durch. In der Dritten Liga gelang sogar der Durchmarsch als Aufsteiger zum Meistertitel, auch in der zweithöchsten deutschen Spielklasse haben die Saarländer nichts mit dem Abstieg zu tun.

„Ich habe sehr großen Respekt vor der Arbeit von Horst Steffen. Es imponiert mir, wie Elversberg mutig und mit Selbstvertrauen von hinten heraus einen guten Fußball spielt, sie werden sich auch am Millerntor nicht verstecken“, sagt Hürzeler. Steffen bestätigt dies. „Als Zuschauer habe ich mal ein Bundesligaspiel gesehen, in dem beide Mannschaften nicht nach vorn spielen wollten und froh waren, das eigene Tor zu verteidigen. Da habe ich mir geschworen, so etwas nie anzubieten“, sagt der sehr sympathische Sohn des früheren für Fortuna Düsseldorf als Rechtsaußen aktiven Nationalspielers Bernhard Steffen (86).

Horst Steffen: „Ich versuche, die Schiedsrichter in Ruhe zu lassen"

Zwar war die SV Elversberg, die derzeit in einer Ergebniskrise mit nur vier Punkten aus den vergangenen sechs Spielen steckt, mitunter zu einer defensiveren Ausrichtung gezwungen, aber das bringt Steffen auch nicht aus der Ruhe. „Dann ist das der Qualität des Gegners geschuldet, einige Spieler sind schließlich aus der Regionalliga in die Zweite Liga mit hochgekommen“, sagt der Niederrheiner.

Dass er auch am Spielfeldrand so entspannt bleibt, liegt nicht nur an der Gelassenheit, die der Erfolg mit sich bringt. „Ich rege mich natürlich auch auf, weil ich ein schlechter Verlierer bin. Aber ich versuche trotzdem, die Schiedsrichter in Ruhe zu lassen, um meine Energie dafür aufzusparen, meine Spieler in die Spur zu bringen und Hinweise aufzunehmen“, sagt Steffen.

Hürzeler glaubt nicht, eine Gelbsperre noch vermeiden zu können

Hürzeler nehme er trotz dessen Impulsivität als sehr positiven Typen wahr: „Er wirkt so strukturiert und selbstbewusst, wie seine Mannschaft spielt. Ich habe großen Respekt vor seiner Leistung.“ Bezüglich der Gelbe-Karten-Problematik könne er dem jüngeren Kollegen aber keinen Ratschlag erteilen, „da ich nicht weiß, wie Fabian sich die Gelben Karten einhandelt“.

Das weiß Hürzeler inzwischen selbst nicht mehr. „Es reicht ja mittlerweile, dass der gegnerische Trainer in meine Coachingzone kommt“, sagt der Bayer und spielt damit auf eine Szene aus dem vorangegangenen Spiel beim Karlsruher SC an, als Christian Eichner ihm sehr nahe gekommen war, Hürzeler infolge seines Ärgers darüber aber mal wieder Gelb sah.

St.-Pauli-Trainer spricht von Wette mit seinen Assistenten

Hoffnung, eine weitere Sperre in den verbleibenden sechs Partien zu vermeiden, habe er daher auch nicht mehr. „Mich stimmt da wenig zuversichtlich, allenfalls die Wette, die ich mit meinem Trainerstab laufen habe“, sagt Hürzeler. Den Wetteinsatz will er erst preisgeben, „wenn ich die Wette gewonnen habe“.

Allerdings gibt sich der Erfolgstrainer auch selbstkritisch angesichts der kaum zu seiner Intelligenz passenden, mitunter überbordenden Ausbrüche. Seinen Assistenten habe er Weihnachten ein Buch geschenkt, in dem es darum geht, jeden Tag ein Prozent besser zu werden.

Hürzeler gibt zu: „Ich habe mich verschlechtert"

„Aber ich habe mich seitdem in dieser Thematik verschlechtert. Da muss ich mir einfach Mühe geben, noch mehr an mir zu arbeiten, aber das geht nicht von heute auf morgen“, sagt Hürzeler. Allerdings werde er sich auch nicht verstellen, sondern emotional bleiben. „Authentizität muss vorhanden sein“, sagt der Coach.

Absolut authentische Erinnerungen ans Millerntor-Stadion hat auch der ehemalige Bundesligaprofi Steffen. Beispielsweise, dass er bei Partien auf St. Pauli regelmäßig aufs Kneipenklo gehen musste, weil es nur eine Toi­lette im Spielertrakt gab.

Elversbergs Coach Steffen ein Kandidat für St. Pauli?

Als Trainer war er hingegen noch nie auf dem Kiez. Gerüchten zufolge hätte das anders kommen können. Steffen soll im Dezember 2020 nach der Freistellung von Timo Schultz ein Kandidat bei St. Pauli gewesen sein. Letztlich übernahm aber der vorherige Co-Trainer Hürzeler.

Dass sein Name kursierte, ist bis nach Elversberg vorgedrungen. „Allerdings äußere ich mich nie zu Gerüchten“, sagt er. Was nicht ist, kann ja noch werden, falls St. Pauli in ferner Zukunft wieder einen Trainer braucht. Dann könnte Hürzeler das Vorbild von Horst Steffen sein.

FC St. Pauli: Vasilj – Dzwigala, Smith, Mets – Saliakas, Irvine, Hartel, Treu – Metcalfe, Eggestein, Saad.
SV Elversberg: Kristof – Vandermersch, Sickinger, Le Joncour, Neubauer – Fellhauer, Stock – Feil, Wanner, Rochelt – Schnellbacher.