Nürnberg. Tabellenführer hat zahlreiche angeschlagene und verletzte Spieler. Das 2:0 in Nürnberg war für Trainer Hürzeler ein „Sieg des Willens“.
So richtig euphorisch wie seine Spieler beim Tanz vor den eigenen Fans nach dem 2:0 (1:0)-Sieg beim 1. FC Nürnberg war Fabian Hürzeler nicht. Stolz ja, auch erleichtert, denn die Aufgabe im Max-Morlock-Stadion war aufgrund der Umstände für den FC St. Pauli schwerer, als es der glatte Spielverlauf vermuten ließ.
„Es war ein Sieg des Willens“, sagte Hürzeler – und man war wegen der deutschen Geschichte froh, dass er in unmittelbarer Nähe zum Reichsparteitagsgelände nicht von einem „Triumph des Willens“ sprach.
Fc St. Pauli: Demonstration der Stärke
Dennoch, den Willen seines Teams hatte der Trainer des Tabellenführers zumindest als mitentscheidend für den 15. Saisonsieg ausgemacht: „Es waren einige Spieler, die wirklich angeschlagen waren, die krank waren und die sich heute durchgebissen haben“, erklärte Hürzeler nach den 90 einseitigen Minuten, die wie eine Demonstration der Stärke wirkten.
„Deshalb Kompliment an die gesamte Mannschaft, da standhaft zu bleiben.“ So gab es bereits das 14. Spiel ohne Niederlage gegen den Lieblingsgegner in Folge und damit einen weiteren Schritt Richtung Aufstieg. „Hier im Frankenland, spiel’n wir euch an die Wand“, sangen viele der rund 3600 mitgereisten Fans – und die Mannschaft tanzte Pogo.
Eggestein traf erstmals seit dem zwölften Spieltag
Der FC St. Pauli ließ zuvor Ball und Gegner laufen und hatte fast komplett die Spielkontrolle. Die Gastgeber wirkten ängstlich und wie das Kaninchen vor der Schlange. „Wir konnten überhaupt keine Entlastung schaffen“, stellte „Club“-Trainer Cristian Fiel fest. Das einzige, was Nürnberg entgegenzusetzen hatte, war konzentrierte Abwehrarbeit.
So wirkten St. Paulis Offensivbemühungen wie ein ständiges Steineklopfen im Steinbruch mit der Hoffnung, dass sich doch mal ein Brocken löst. Das passierte in der 44. Minute, als Eggestein aus fünf Metern frei zum Kopfball kam und eine Flanke von Treu zum 1:0 verwandelte. Es war sein erstes Tor seit dem zwölften Spieltag.
Nürnberg hatte zwei Torschüsse – so wenig wie noch nie
Jubilar Marcel Hartel (62.) machte in seinem 100. Pflichtspiel für St. Pauli mit seinem 14. Saisontor nach starker Vorarbeit von Eggestein und Connor Metcalfe alles klar. Nach dem Tanz vor den Fans ging die kleine Party in der Kabine bei lauter Musik weiter. „Wir freuen uns über jeden Sieg, weil es in dieser Liga nicht selbstverständlich ist zu gewinnen“, sagte Eggestein: „Wir haben eine Selbstverständlichkeit in unserem Spiel, aber zu gewinnen ist immer wieder eine Erleichterung.“
Die Selbstverständlichkeit sind die Positionierungen, das Gegenpressen und Ballerobern, das der FC St. Pauli so sicher beherrscht wie sonst keine Mannschaft der Liga. Nur zwei Torschüsse haben sie den Nürnbergern erlaubt – so selten hat der „Club“ noch nie aufs Tor geschossen, seit diese Statistik gemessen wird.
Spieler waren zuletzt „auf dem Zahnfleisch“
„Wir hatten uns vorgenommen, dass wir wieder zu unseren Basics kommen, also defensiv arbeiten“, sagte Hartel nach dem zweiten Zu-Null-Spiel in Folge: „Offensiv haben wir unsere Qualitäten. Wir wissen genau, wie jeder läuft. Die Abläufe sind drin.“
Am Sonntag war trainingsfrei, dann beginnt eine Art aktive Regeneration auf dem Trainingsplatz ohne acht für diverse Nationalmannschaften berufene Spieler. Aufgrund der Personalsituation wurde auch der Plan eines Testspiels am Donnerstag verworfen. „Ich glaube, dass uns diese Pause gut tut, weil wir schon die letzten Tage auf dem Zahnfleisch waren“, erklärte Zahnarztsohn Hürzeler. Auch Hartel sieht das so: „Die Pause tut einfach mal gut. Den Körper mal runterfahren, dass wir wieder zu 100 Prozent kommen.“
Eric Smith verpasst Berufung in Nationalmannschaft
Dass Manolis Saliakas (Sperre), David Nemeth (krank) und Oladapo Afolayan (Knöchel) fehlen würden, war eh klar. Eric Smith, der vergangene Woche nach seiner Adduktorenverletzung wieder trainiert hatte, musste mit Magen-Darm-Problemen kurzfristig passen. Besonderes Pech für den Schweden: Das kostete ihn auch eine Berufung in die Nationalmannschaft. Immerhin meldeten sich Karol Mets (Knie) und Philipp Treu (krank) zurück.
„Karol hat am Donnerstag das erste Mal wieder trainiert, ich bin sicher, dass er noch etwas spürt“, meinte Hürzeler. Treu erklärte in der Halbzeit, dass er nur noch zehn Minuten kann, und hielt doch bis zur 90. Minute durch. „Er ist ein Musterprofi, der immer da ist“, lobte sein Trainer. Es ist eben nicht nur das Können, das den FC St. Pauli so überlegen sein lässt, sondern auch der Charakter.
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„Wir haben eine lange Phase von Partien gehabt. Wir haben auch den einen oder anderen angeschlagenen Spieler“, sagte auch „Jojo“ Eggestein: „Da tut so eine Pause auch mal gut. Bisschen Kraft sammeln und dann neu starten.“ Acht Spiele folgen noch, entschieden ist also noch nichts, auch wenn es sehr gut aussieht mit dem Aufstieg. „Wir sind uns bewusst, dass zehn Punkte Vorsprung auf Rang drei auch schnell wieder schmelzen können, gerade in der Schlussphase, wenn der Druck immer höher wird“, sagte Eggestein.
Nürnbergs Trainer Fiel allerdings wollte diese Vorsicht nicht teilen. „Ich glaube, es gehört sich nicht darüber zu reden, was nächste Saison für euch kommt“, sagte Fiel in Richtung Hürzeler, „aber ich sage einfach mal: viel Spaß.“