Hamburg. Der umworbene Trainer hat sein Arbeitspapier beim Zweitliga-Tabellenführer bis 2026 verlängert. Ausstiegsklauseln soll es nicht geben.

Es war schon eine besondere Stimmung am Freitagmorgen im Presseraum des Millerntor-Stadions. Fünf Kamerateams – oha! Die Medienabteilung des FC St. Pauli fast in voller Stärke anwesend – so, so! Mehr Journalisten als vor dem obligatorischen Trainertermin vor dem Zweitligaspiel gegen Hertha BSC am Sonntag (13.30 Uhr/Sky) zu erwarten gewesen wäre. Natürlich war da was im Busch...

Seit Wochen, ja Monaten beherrschte ein Thema immer mehr die Diskussionen rund um den Tabellenführer: Bleibt er, oder bleibt er nicht? Will und wird Trainer Fabian Hürzeler seine Arbeit beim Kiezclub fortsetzen? Pressesprecher Patrick Gensing gab schließlich die (inzwischen erwartete) Antwort: „Ich freue mich euch mitteilen zu können, dass sich der FC St. Pauli und Fabian Hürzeler auf eine Verlängerung des im Sommer auslaufenden Vertrages geeinigt haben.“

FC St. Pauli: Hürzeler wirkt befreit

Tatsächlich: Hürzeler wirkte befreit, entspannter als zuletzt, der Händedruck fest. Doch, da schien etwas von ihm abgefallen, da war auch der gerade 31-Jährige glücklich, dass diese Kuh nun endlich vom Eis ist. „Ich bin sehr froh, dass ich den Vertrag verlängert habe und freue mich auf die weitere Zusammenarbeit“, sagte Hürzeler, „ich habe immer betont, dass ich gerne bei St. Pauli bleiben möchte.“

Am 1. August 2020 war der in Houston geborene Deutsch-Schweizer als Co-Trainer von Timo Schultz nach Hamburg gekommen. Der beim FC Bayern München ausgebildete Spieler war zuvor schon als junger Spielertrainer beim bayerischen Regionalligisten FC Pipinsried aufgefallen. Gegneranalyse war eine der wichtigsten Aufgaben des jungen Assistenten in Schultz´ Team.

Hürzelers Rekordmarke: 2,18 Punkte pro Spiel

Am 22. Dezember 2022 beförderte Sportchef Andreas Bornemann ihn zum neuen Cheftrainer mit Vertrag bis 30. Juni 2024, eine mutige, gleichwohl visionäre Entscheidung. „Er wird ein guter Cheftrainer sein“, war Bornemann schon damals überzeugt, „er hat die Voraussetzungen dafür, diese Rolle gut auszufüllen.“

Kann man so stehen lassen: In bislang 45 Zweitligaspielen gab es nur vier Niederlagen. Er sammelte bislang pro Spiel durchschnittlich sagenhafte 2,18 Punkte. Hürzeler begann mit einer Zweitliga-Rekordserie von zehn Siegen in Folge, St. Pauli war das beste Rückrundenteam 2022/23 und hat nun zehn Spieltage vor Saisonende als souveräner Tabellenführer erstklassige Chancen auf den Bundesliga-Aufstieg.

Verhandlungen über Ausstiegsklauseln

Natürlich weckt so jemand Begehrlichkeiten. Und ebenso natürlich möchte solch ein ehrgeiziger und leidenschaftlicher Coach auch in der Bundesliga arbeiten, derzeit am liebsten mit dem FC St. Pauli. „Wir sind stolz auf die Entwicklung, die Fabian Hürzeler bei uns genommen hat, deren Basis Geschlossenheit und Vertrauen ist und die hier noch nicht abgeschlossen ist“, sagte Präsident Oke Göttlich: „Wir sind noch nicht fertig!“

Das konnte er am Freitag sagen, zwischendurch standen diese Kaugummi-Verhandlungen über eine Vertragsverlängerung wohl doch kurz vor dem Scheitern. Hürzelers Agentur Roof, die als hart, aber fair gilt, wollte Ausstiegsszenarien in das Arbeitspapier eingebaut haben, der FC St. Pauli wollte das im Sinne der Planungssicherheit nicht.

Gentlemen‘s Agreement wenn Topclub lockt

Bei dem wochenlangen Sondieren, Reden, Verhandeln, Angebote Vorlegen, Ablehnen, Nachbessern und so fort ist es aber immer fair und offen zugegangen. „Gut Ding will Weile haben. Die Gespräche mit Andreas und dem Präsidium waren die gesamte Zeit von gegenseitiger Wertschätzung geprägt“, sagte Hürzeler, „ich hatte nie Zweifel, aber es ist wichtig, dass beide Seiten ihre Positionen darstellen können.“

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Ausstiegsklauseln sind nun wohl tatsächlich kein Bestandteil des Vertrages, dessen Laufzeit nicht bekannt gegeben wurde, nach Abendblatt-Informationen aber bis Sommer 2026 datiert ist. Eine Art „Gentlemen‘s Agreement“, wenn ein absoluter Topclub lockt, wird es dennoch geben. „Klar ist, dass ich mich immer auf die Gegenwart konzentriere“, sagte Hürzeler, „Fußball ist aber Tagesgeschäft, das ist Fakt.“

St. Pauli kassiert Ablöse, sollte Hürzeler doch gehen

„Eine Ausstiegsklausel könnte ein bisschen an der Glaubwürdigkeit kratzen. Ich habe als Trainer eine Vorbildfunktion, irgendwo will ich ja auch etwas vorleben“, sagt Berater Hans-Georg Felder von der Agentur Siebert und Backs, die vor allem Trainer und Torhüter vertritt, im aktuellen Abendblatt Podcast „Millerntalk“ zu der Situation.

Felder weiß aber auch, wie das Geschäft tatsächlich läuft: „Am Ende muss man ja auch ehrlicherweise sagen, wenn ich aus einem Vertrag hinaus möchte, dann komme ich auch aus diesem Vertrag raus. Es ist immer eine Frage des Geldes.“ Durch die Unterschrift jetzt ist mindestens geklärt, dass der FC St. Pauli eine fette Ablöse kassiert, sollte der Trainer doch noch abspringen. „Wir wissen alle, wie das Geschäft funktioniert“, so Hürzeler am Freitag.

Hürzeler lobt Fans, Mannschaft, Präsidium

Der Wahl-Eimsbütteler ist mit der Unterschrift immerhin zum bestbezahlten Trainer in St. Paulis Geschichte aufgestiegen. Von einem hohen sechsstelligen Jahresgehalt wird gemunkelt. Das erhöht die Lebensqualität, war aber sicherlich nicht der entscheidende Punkt für die Entscheidung des Trainers.

Hürzeler ist ein reflektierter Mensch, der nicht nur Gegner analysieren kann, sondern auch seine persönliche Situation. Umfeld, Mannschaft, Standing im Verein, die eigene Jugend – es ergibt Sinn, weiter am Millerntor zu arbeiten und sich zu entwickeln, statt jetzt bereits in das Haifischbecken Bundesliga zu springen. Dafür hat er noch genug Zeit.

„Es gibt so viele Gründe, warum ich hier verlängert habe. Das ist das Vertrauensverhältnis zu Andreas und Oke, das sind auch die Fans, da ist die Mannschaft“, sagte er, „und da ist das Potenzial, das ich in der Mannschaft sehe, da ist noch viel herauszuholen.“

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Seine wichtigsten Spieler wie Kapitän Jackson Irvine, Marcel Hartel, Eric Smith oder Hauke Wahl hatte Hürzeler schon am trainingsfreien Donnerstag informiert. „Ich habe tolle Charaktere und tolle Führungsspieler. Mir ist wichtig, dass die Beziehung zur Mannschaft stimmt“, erklärte Hürzeler. Die Zusammenarbeit mit seinem Staff um Co-Trainer Peter Nemeth und Torwarttrainer Marco Knoop soll ebenso fortgesetzt werden, erste Gespräche wurden aufgenommen.

Friede, Freude, Hürzeler also beim FC St. Pauli. Die Zuschauer werden ihn bejubeln am Sonntag im Stadion, die Verpflichtung zu einer gemeinsamen Zukunft könnte auch für die Spieler im Kampf um den Aufstieg einen weiteren Push geben. „Uns alle eint ein Ziel: Wir wollen so viel Erfolg wie möglich für den FC St. Pauli und seine Fans erreichen. Das ist meine Aufgabe als Cheftrainer“, verkündete Hürzeler, „und dafür werde ich weiterhin mit aller Kraft arbeiten.“