Hamburg. Die Gespräche über die Verlängerung gehen in die nächste Runde. Die letzte? Und kommt es jetzt sogar zum überraschenden Knall?
Der FC St. Pauli war hintendran. Ausgesprochen ungewöhnlich in dieser Saison.
Doch die Einheit am Dienstagmittag konnte eben nur auf dem hinteren Platz im Trainingszentrum an der Kollaustraße stattfinden, da der vordere ausgetauscht wurde und erst an diesem Mittwoch bespielbar sein wird. Fabian Hürzeler ging auf dem Weg nach hinten selbstverständlich voran.
St. Pauli und Hürzeler: der Stand des Vertragspokers
Alles andere als ungewöhnlich für den ehrgeizigen Cheftrainer. Wenn das Wörtchen wenn nicht wäre. Denn in puncto Vertragsverhandlungen über eine Verlängerung seines auslaufenden Kontrakts geraten sowohl Hürzeler als auch der FC St. Pauli zunehmend ins Hintertreffen.
Die Zeit, eine gütliche und für beide Seiten sinnvolle Einigung zu finden, läuft mehr und mehr ab. In dieser Woche sollen daher weitere Gespräche anberaumt werden. Nach Informationen, die das Abendblatt aus Vereinskreisen erreichten, könnten es die letzten sein, wenn sich diesmal keine signifikanten Fortschritte daraus ergeben.
Ausstiegsklausel, Vertragslänge, Perspektive - die Hürden
Die Ausgangslage ist bekannt: Beide Seiten wollen miteinander weitermachen – wenn … Hürzelers Agentur wünscht eine Ausstiegsklausel in diesem Sommer und dem Vernehmen nach einen neuen Vertrag nur für ein Jahr.
St. Pauli lehnt die Klausel ab, bietet dafür wohl zwei Jahre sowie ein Rekordgehalt von fast einer Million Euro im Jahr. Es geht aber primär nicht ums Finanzielle, sondern um Perspektiven.
Bundesligisten haben den Trainer auf dem Zettel
Hürzeler ist durch seine herausragende Arbeit längst ein brandheißer Kandidat in der Bundesliga. Sollten sich dort zur neuen Saison Optionen ergeben, beispielsweise in Mönchengladbach, könnte Hürzeler dort eine bessere sportliche Aussicht geboten werden als bei den Kiezkickern, für die es nach einem Aufstieg ausschließlich um den Klassenerhalt gehen würde.
Doch so weit eilt nicht mal Hürzeler der Zeit voraus. Der 30-Jährige betont weiterhin, bei den Hamburgern bleiben zu wollen.
Verlängern, trennen oder feuern?
Dass er den Ball zuletzt zweimal öffentlich in Richtung Verein zurückspielte, soll dort an manchen Stellen nicht sonderlich erfreut zur Kenntnis genommen worden sein, wie zu hören ist. Bei der nächsten Verhandlungsrunde dürfte dies dennoch nur eine untergeordnete Rolle spielen. Noch immer lebt die Hoffnung auf ein erfolgreiches Abkommen.
Sollte dies nicht gelingen, gibt es zwei Szenarien. Das wesentlich wahrscheinlichere: Man einigt sich auf ein schiedlich-friedliches Auslaufen der Arbeitsbeziehung zum Saisonende, nimmt nach Möglichkeit vorher noch den gemeinsamen Aufstieg mit, und St. Pauli beginnt die Suche nach einem Nachfolger.
Präsidium lehnt vorzeitige Trennung ab
Das undenkbare Szenario: Im Nachgang an gescheiterte Verhandlungen wäre das Binnenklima massiv gestört. Dann müsste sich der Club Gedanken darüber machen, ob das Ziel Bundesliga in dieser Konstellation noch möglichst sicher erreichbar ist.
Die Trennung von einem Trainer, dessen Elf an der Tabellenspitze steht, ist zwar nichts nie Dagewesenes, und im Profifußball ist grundsätzlich alles vorstellbar. Aber in diesem Kontext scheint ein vorzeitiges Ende nahezu ausgeschlossen. Im Präsidium soll nach Abendblatt-Informationen kurz pro forma darüber gesprochen worden sein, jedoch mit der klaren Direktive, in den kommenden Wochen alles dem Aufstieg unterzuordnen.
Treu: „Trainerdebatte kein Thema in der Mannschaft"
Zumal das Thema in der Mannschaft ohnehin noch keines ist. „Wir sprechen nicht darüber, sondern haben ganz normale Trainingswochen, in denen so akribisch gearbeitet wird wie immer“, sagte Linksverteidiger Philipp Treu am Dienstag. Eine glaubhafte Aussage: Angesichts der souveränen Leistungen deutet rein gar nichts darauf hin, dass die Verhandlungen Einfluss aufs Sportliche haben.
Sicherlich kann es ein fatales Zeichen sein, wenn der wichtigste Angestellte sich nicht unterschriftsreif zum Club bekennt und womöglich an den Chancen einer langfristigen Entwicklung dort zweifelt. Gerade für Spieler, deren Verträge auslaufen, ist die Personalie des Übungsleiters häufig mitentscheidend – umso mehr im Fall von Hürzeler, der von seinen Akteuren größtenteils sehr geschätzt wird und viele in ihrer Entwicklung vorangebracht hat.
Hürzeler-Poker mit St. Pauli: Hartel sieht genau hin
Bei den Hamburgern besitzen unter anderem Mittelfeldstar Marcel Hartel, Linksaußen Etienne Amenyido, Innenverteidiger Adam Dzwigala und Mittelstürmer Andreas Albers auslaufende Arbeitspapiere. Beim häufig verletzten Amenyido, der auch am Dienstag nur Teile des Mannschaftstrainings absolvieren konnte, sowie dem glücklosen Albers geht die Tendenz nicht in Richtung einer Weiterbeschäftigung.
Im Fall des verlässlichen, aber selten eingesetzten Dzwigala dürfte auch die künftige Ligazugehörigkeit eine Rolle spielen. Hartel, den bislang besten Spieler dieser Zweitligasaison, würde St. Pauli selbstredend gern behalten. Der 28-Jährige hat seine Entscheidung auf Anfang April vertagt. Zu Hürzeler hat er eine enge Bindung.
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Und für beide gilt: Die kommende Saison dürften sie in der Bundesliga coachen respektive kicken. Ob bei St. Pauli oder andernorts – auf jeden Fall ganz weit vorn im deutschen Fußball.