Hamburg. Im Viertelfinale gegen Fortuna Düsseldorf geht es um den Einzug ins Halbfinale und rund 3,4 Millionen Euro.
„Fußball ist keine Mathematik.“ Mit diesen Worten stichelte der damalige FC-Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge in der – die Älteren werden sich an den Namen des Cups erinnern – Uefa-Pokal-Saison 2007/08 gegen Trainer Ottmar Hitzfeld. Hintergrund: Der ehemalige Mathelehrer Hitzfeld hatte das Rotationsprinzip angewandt, um seine stark belasteten Spielern zu schonen, gegen die Bolton Wanderers mit einer B-Elf dann aber nur 2:2 gespielt.
Gemeinheiten dieser Art hat Fabian Hürzeler gewiss nicht aus Richtung von Sportchef Andreas Bornemann oder gar Präsident Oke Göttlich zu erwarten, sollte sich der FC St. Pauli an diesem Dienstagabend (20.45 Uhr/ZDF und Sky) im Viertelfinale gegen Fortuna Düsseldorf aus dem DFB-Pokal rotieren. Andererseits bilden Rechenspielchen die Grundlage fürs Weiterkommen – und zwar auf gleich mehreren Ebenen.
FC St. Pauli empfängt Fortuna Düsseldorf im Pokal-Viertelfinale
Völlig losgelöst von all dem und weit drüber steht ohnehin der sportliche Ehrgeiz und die Aussicht auf Historisches. Daher noch einmal ganz langsam und zum Mitschreiben: Der FC St. Pauli steht erst zum fünften Mal in seiner Vereinsgeschichte im Viertelfinale dieses Wettbewerbs.
Um die Premiere zu erinnern, müssen 58 Jahre zurückgerechnet werden. Das 0:1 gegen den 1. FC Nürnberg 1966 werden, mit Verlaub, wirklich nur noch die ganz Alten im Kopf parat haben. Vom einzigen Auftritt im Halbfinale 2005/06 (0:3 gegen den FC Bayern München) wissen zumindest die Jüngsten unter den Fans nur vom Hörensagen.
Hamburger mit guten Aussichten aufs Finale in Berlin
Das Spektakuläre an diesem Viertelfinale gegen Düsseldorf ist, dass die Hamburger tatsächlich solide Aussichten aufs Finale am 25. Mai in Berlin besitzen. Würden sie in der Vorschlussrunde auf den Gewinner der Partie zwischen den Zweitligarivalen Hertha BSC gegen den 1. FC Kaiserslautern treffen, wären sie egal in welcher Konstellation favorisiert. Aber erstmal muss ja gegen die Fortuna gewonnen werden.
Wie schwierig (oder je nach Sichtweise einfach) das ist, haben die Kiezkicker am Sonnabend beim 2:1-Sieg im Zweitligatopspiel in Düsseldorf erlebt. Hürzelers Team trat über weite Strecken souverän auf, Fortuna-Coach Daniel Thioune nannte die Leistung „ein Statement“ und den Erfolg „hoch verdient“.
Hürzeler: „Dürfen uns nicht von Resultaten blenden lassen"
Angesprochen auf die offenkundige Favoritenrolle des Spitzenreiters der Zweiten Liga schmunzelte Hürzeler zunächst nur. „Unsere Ergebnisse sind im Moment eine schöne Momentaufnahme… ein guter Satz“, sagte der 30-Jährige lachend und ergänzte: „Wir dürfen uns nicht von den Resultaten blenden lassen, sondern müssen uns weiter auf den Prozess fokussieren. Dann werden wir auch der Favorit bleiben.“
Da zum Zeitpunkt des Anstoßes nur drei Tage hinter der Rekordleistung von 134 gelaufenen Kilometern hinter den St. Paulianern liegen, muss sich ihr Trainer zumindest punktuell an Mathelehrer Hitzfeld orientieren. „Alles ist möglich“, sagte Hürzeler über die Rotationswahrscheinlichkeit.
Burchert steht anstelle von Vasilj im Tor
Als gewiss gilt nach Abendblatt-Informationen, dass Ersatzkeeper Sascha Burchert wie bislang immer im Pokal anstelle von Nikola Vasilj im Tor stehen wird. „Sascha hat es sich verdient“, sagte Hürzeler.
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Auch Lars Ritzka könnte als nahezu gleichwertiger Ersatz bedenkenlos für Philipp Treu als Linksverteidiger auflaufen. Üblicherweise wird auch auf den offensiven Außenbahnen rotiert, zumal Rechtsaußen Oladapo Afolayan in Düsseldorf in der 85. Minute mit Krämpfen ausgewechselt werden musste.
Ahlstrand könnte schon im Spieltagskader stehen
Allerdings boten sich in Abwesenheit von Asien-Cup-Teilnehmer Connor Metcalfe in Etienne Amenyido und Danel Sinani die Ersatzkräfte zuletzt nicht mit auffälligen Leistungen an. Neuzugang Erik Ahlstrand könnte zumindest im Kader stehen. „Er hat bereits bei uns mittrainiert, und wir haben ihn geholt, damit er uns sofort helfen kann, nicht um bei uns ein Aufbautraining zu absolvieren“, sagte Hürzeler über den 22 Jahre alten linksfüßigen Rechtsaußen aus Schweden.
Zumindest taktisch rotieren dürften beide Mannschaften. Düsseldorf muss nach dem 1:2 reagieren, St. Pauli sollte, um wieder einen Schritt voraus zu sein.
Kiezkicker müssen Ballverluste abstellen
„Ich glaube nicht, dass die Fortuna noch mal so hoch in einer Mannorientierung presst, denn die kostet auch Energie“, vermutet Hürzeler. Zumal seine Schützlinge besagte Defensivvariante am Sonnabend ein ums andere Mal mit vergleichsweise vielen langen Bällen überspielt hatten.
Daher sind die Gäste eher tiefer stehend zu kalkulieren. Dringend abstellen muss St. Pauli die Ballverluste im Spielaufbau, wobei Hürzeler anmerkt: „In 15 von 20 Fällen haben wir richtig gut aufgebaut.“
3,4 Millionen Euro für den Einzug ins Halbfinale
Richtig zahlenorientiert wird das Viertelfinale dann mit Blick auf die Prämie für den Halbfinaleinzug von sich gewaschenen 3.449.600 Euro. 3,234 Millionen Euro hat St. Pauli im laufenden Wettbewerb bereits eingenommen.
Die zusätzliche Summe wäre immens wichtig, um sich nach dem 4,9-Millionen-Euro-Minus im vergangenen Geschäftsjahr zu konsolidieren und zugleich einen Anteil in den Kader zu investieren. Beispielsweise in das Rekordgehalt von 800.000 bis 900.000 Euro, das Hürzeler zur Vertragsverlängerung bewegen soll.
Pokalsieger erhält mehr als vier Millionen Euro
Für das Finale hat der Deutschen Fußball-Bund die Prämienausschüttung noch nicht exakt festgelegt. Der Verlierer dürfte knapp drei Millionen Euro Trostsumme erhalten, der Gewinner etwas mehr als vier Millionen Euro. Manchmal scheint Fußball Mathematik zu sein – wenngleich gewiss nicht in großem Maß in einem DFB-Pokal-Viertelfinale.
Und was wurde eigentlich aus Mathelehrer Hitzfeld? Der siebenfache deutsche Meistertrainer zog mit den Bayern ins Halbfinale des Uefa-Pokals ein. Ein Szenario, mit dem St. Pauli gut leben kann – und auch rechnen sollte.
FC St. Pauli: Burchert – Wahl, Smith, Mets – Saliakas, Kemlein, Hartel, Ritzka – Afolayan, Eggestein, Saad.
Fortuna Düsseldorf: Kastenmeier – Iyoha, Hoffmann, de Wijs, Gavory – Engelhardt – Niemiec, Tanaka, Johannesson – Tzolis, Vermeij.