Hamburg. Für ein Spiel müssen die Hamburger auf ihren Starcoach verzichten. Dennoch gibt die Leistung zum Rückrundenstart Grund zum Optimismus.
Als Stadionsprecherin Dagmar Hansen am Sonnabend die Mannschaftsaufstellungen verlas, sorgte sie für Diskussionsstoff. Dabei war es nicht mal etwas sonderlich Kontroverses, das sie per Mikrofon durchs Millerntor-Stadion schickte: „Unser Trainer ist und bleibt Fabiaaaaan Hürzeler!“
Doch das „und bleibt“ regte direkt die Gemüter an. Der begehrte Coach des FC St. Pauli, dessen Vertrag im Sommer ausläuft, wird doch nicht etwa verlängert haben? Nein, hat er bislang nicht.
St. Paulis Trainer Hürzeler für ein Spiel gesperrt
Stattdessen entpuppte sich die Durchsage ironischerweise als Material, dessen Wahrheitsgehalt bei Nostradamus TV am besten angesiedelt wäre. Denn schon am kommenden Sonnabend beim Topspiel bei Fortuna Düsseldorf ist Hürzeler nicht Trainer – ehe er es dann doch wieder ist.
Und bleibt? Wenn er sich beherrscht, dann wohl mindestens bis Saisonende.
Kiezkicker dominieren den 1. FC Kaiserslautern
Aber der Reihe nach. Das 2:0 (1:0) des Kiezclubs zum Rückrundenauftakt gegen den 1. FC Kaiserslautern war aus guten Gründen souverän und kaum gefährdet.
Die abstiegsbedrohten Gäste waren nämlich primär nicht zum Fußballspielen, sondern „zum Provozieren“ (Hürzeler) nach Hamburg gereist. Und als der „Rote Teufel“ Marlon Ritter St. Paulis Spielgestalter Eric Smith in eine Rangelei verwickelt hatte, in Folge derer beide die Gelbe Karten sahen, fühlte sich wiederum Hürzeler provoziert, rannte in die Coachingzone der Pfälzer und schimpfte auf Schiedsrichter Tobias Welz.
Co-Trainer Németh übernimmt in Düsseldorf
Problem I: Auch der Wiesbadener fasste dies als Provokation auf und zeigte dem Trainer Gelb. Problem II: Es war Hürzelers vierte Verwarnung, wodurch er nun für eine Partie gesperrt ist.
In Düsseldorf wird Co-Trainer Peter Németh das Zepter übernehmen. „Macht euch da mal überhaupt keine Sorgen, der kriegt das hin“, sagte Hürzeler in glaubhafter Gelassenheit.
Innenraumverbot für gesperrte Mannschaftsoffizielle
Er selbst darf dann eine halbe Stunde vor Spielbeginn bis eine halbe Stunde nach Abpfiff Kabine und Spielertunnel nicht betreten. „Während eines Aufenthaltsverbots für den Innenraum ist es einem Mannschaftsoffiziellen nicht gestattet, während eines Spiels seiner Mannschaft im Stadioninnenraum zu sein“, sagen die Statuten des Deutschen Fußball-Bunds. Hürzeler muss in der Merkur Spiel-Arena auf die Tribüne, darf keinerlei Kontakt zu seinem Stab haben, auch nicht telefonisch.
Wenngleich dem 30-Jährigen bislang fast alles zuzufliegen scheint (was jedoch auf besessener Arbeit basiert) – seine Emotionen hat der Bayer noch nicht konstant unter Kontrolle. Mehrfach versprach er Besserung, sich nach 18 Spieltagen bereits eine Sperre einzuhandeln, ist ein kleines Kunststück.
Deutlich höherer Sieg wäre möglich gewesen
„Das hätte nicht passieren dürfen“, sagte Hürzeler, der sich für sein Team und die Trainerkollegen „etwas einfallen lassen“ will, um um Verzeihung zu bitten. Allerdings kritisierte er Welz: „Es soll keine Ausrede sein, aber der Schiedsrichter muss sich vorbereiten auf solche Spieler wie die von Kaiserslautern.“
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Er hatte seine Mannschaft hingegen nahezu optimal vorbereitet auf den zum siebten Mal in Folge unterlegenen Rivalen. Bis auf eine Drangphase des FCK kurz nach der Halbzeit inklusive kurioser Vierfach- und Zweifachchancen dominierte St. Pauli das Match nach allen Regeln der Kunst, hätte wie so häufig höher gewinnen müssen. Als „Standardprozedere, dass wir nicht nachgelegt haben“, bezeichnete der überragende Torschütze und Vorbereiter Marcel Hartel dies.
Saad: "Wussten, dass ihre Außenverteidiger pressen"
Für Optimismus beim neuen Spitzenreiter der Zweiten Liga sollte vor allem sorgen, dass die im Trainingslager geübten Spielzüge gegen tief stehende Kontrahenten fruchteten. „Weil wir wussten, dass ihre Außenverteidiger sofort auf unsere Außenverteidiger pressen, haben wir sie vermehrt mit Ball ins Spiel gebracht. Dies hatte zur Folge, dass Oladapo Afolayan auf Rechtsaußen und ich auf Linksaußen im Zwischenraum mehr Platz hatten“, erläuterte Führungstorschütze Elias Saad einen Teil der Strategie.
Hürzeler war auf Zurückhaltung bedacht. „Ich bin kein Magier, der drei, vier Lösungen hat, die uns Tore garantieren. Es geht um Konstanz, die wir in spielnahen Situationen trainieren werden.“
Kemlein feiert gelungenes Debüt
Die zündenden Ideen zu finden, dürfte einfacher werden mit Leihgabe Aljoscha Kemlein. Wie gelungen das Debüt des 19-Jährigen geriet, bewies der tosende Applaus von der Gegengerade nach dessen Auswechslung.
„Mich überrascht das nicht“, sagte Hürzeler: „Er ist sehr reif für sein Alter, lernwillig, extrem aufnahmefähig, setzt Dinge schnell um.“ Mit 13,1 Kilometern Laufleistung hat Kemlein sogar den Nummer-eins-Dauerrenner Hartel hinter sich gelassen.
Sieben der acht laufstärksten Spieler St. Paulianer
Überhaupt rannten die Platzherren, als wäre der Rote Teufel höchstpersönlich hinter ihnen her. Insgesamt sechs Kilometer mehr als Kaiserslautern, von den acht laufstärksten Spielern kamen sieben von St. Pauli.
Allerdings wechselte Hürzeler auch erst sehr spät, was diese Statistik beeinflusst. Kemlein erlief sich den Ball in der Entstehung des 1:0, spielte gescheite Pässe und Flanken und verteidigte effektiv.
Hartel lobt Kollegen: "Gelungenes Debüt"
„Es war ein gelungenes Debüt für ihn“, lobte Kapitän Hartel seinen Mittelfeldkollegen, der nach dem Spiel nichts sagen wollte. „Das ist ein Verhalten, das zu ihm passt“, sagte sein Trainer: „Er hat Punkte, in denen er sich verbessern kann. Es spricht für ihn, dass er kein Erzähler ist, sondern ein Arbeiter auf dem Platz.“
Den Platz an der Sonne wieder inne zu haben, von der Jäger- in die Gejagtenrolle zu schlüpfen, ist im Team kein Thema. „Dass wir Tabellenführer sind, sagt etwas über uns aus“, meinte Verteidiger Hauke Wahl.
Hürzeler muss auf die Tribüne
Nicht in der Sonne, sondern auf der Tribüne muss Hürzeler in Düsseldorf Platz nehmen. Wo? Man weiß es nicht.
„Hauptsache nicht unter den Leuten“, hofft er. Gewiss ist momentan nur: Der erfolgreichste, begehrteste, beste Trainer der Zweiten Liga ist – und bleibt – Fabian Hürzeler.