Hamburg. Die Kiezkicker dominieren gegen den 1. FC Kaiserslautern. Spannung kommt nur in einer kuriosen Phase nach der Halbzeit auf.
Holstein Kiel hatte die Vorlage gegeben. Oder besser gesagt Eintracht Braunschweig, das den Spitzenreiter der Zweiten Liga am Freitagabend überraschend mit 2:1 besiegt hatte. Obwohl der FC St. Pauli in dieser Saison mitunter die Effektivität vor dem Tor vermissen lässt - diese Chance ließen sich die Braun-Weißen nicht entgehen.
Durch den 2:0 (1:0)-Heimsieg gegen den 1. FC Kaiserslautern ist die Mannschaft von Cheftrainer Fabian Hürzeler zurück an der Tabellenspitze. Wie beim 2:1 im Hinspiel waren Marcel Hartel und Elias Saad die Torschützen. Auch Leihgabe Aljoscha Kemlein feierte einen gelungenen Einstand.
Apropos Einstand: Seine Premiere als Chefcoach St. Paulis muss kommenden Sonnabend bei Fortuna Düsseldorf Co-Trainer Peter Nemeth feiern, da Hürzeler gelbgesperrt fehln wird.
FC St. Pauli besiegt 1. FC Kaiserslautern
Wie sich der Roar des Millerntors live auf dem Rasen anhört, durfte Kemlein bereits nach 43 Sekunden erleben. Da köpfte Hartel eine Flanke von Saad übers Tor. Exakt zwei Minuten später scheiterte Manolis Saliakas nach Traumpass von Hauke Wahl an FCK-Torhüter Julian Krahl. Aus Roar würde Stöhnen.
Und dafür war Kemlein höchstpersönlich verantwortlich. Einen Schuss aus der Drehung nahe des Fünfers setzte er drüber (4.). Traumdebüt verpasst.
Muntere Anfangsphase
Ganz schön viele Chancen so früh in einem Spielbericht. Mehr gefällig? Nur zu. Marlon Ritter prüfte den vor der Vertragsverlängerung stehenden Nikola Vasilj mit einem Strahl von Fernschuss aus gut 17 Metern (6.). Der Bosnier bestand den Test, indem er den Ball zur Ecke ablenkte.
Bedarf es ein wenig mehr Ruhe? Sehr gern. Zumindest auf dem Platz. Da die Anhänger der Gäste Schokotaler aufs Feld warfen, mussten die Köstlichkeiten zunächst von Ordnern weggeräumt werden (13.). Die Fanlager riefen sich derweil lautstark in Wechselgesängen "Scheiß DFL" zu und protestierten damit abermals gegen den Einstieg von Investoren im deutschen Profifußball.
Kaiserslautern stellt sich tief rein
So bot sich anfangs ein äußerst unterhaltsames Spiel. Doch Kaiserslautern war nicht in der Lage das anfänglich hohe Pressen aufrecht zu erhalten. Besaßen die Gäste mal den Ball, eroberten ihn die Platzherren binnen Sekunden zu zurück. Stattdessen machten die Pfälzer also das, was so ziemlich jede Mannschaft gegen St. Pauli macht: sich hinten reinstellen. Und zwar ganz tief.
Die Hamburger hatten im Trainingslager in Spanien sehr viel an Lösungen gegen zurückgezogene Gegner im letzten Drittel gearbeitet. Diese dann auch anzuwenden, bezeichnet Cheftrainer Hürzeler nicht grundlos regelmäßig als "Königsdisziplin" im Fußball.
"Fußballgott" Saad bringt Kiezkicker in Führung
Das Gros der Versuche kam über die rechte Seite von Oladapo Afolayan, der Bannbrecher jedoch von links. Kemlen gewann den Ball in rund 25 Meter Entfernung, der bis dahin für seine Verhältnisse unauffällige Hartel steckte klug zu Elias Saad durch, der die Ruhe bewahrte und an Krahl vorbeizog, um einzunetzen (34.).
Saad, wieder mal, der erst im April vergangenen Jahres in der Zweiten Liga debütiert hatte und nun erstmals als "Fußballgott" gefeiert wurde. Ob Kemlein eine ähnliche Geschichte bevorsteht?
Führung zur Halbzeit hoch verdient
Während das Stadion feierte, rief Hürzeler Karol Mets zu sich und gab Defensivanweisungen. Dieser hätte es gar nicht bedarft. Vom abstiegsbedrohten Gast kam nichts, von Kemlein eine wunderbare Flanke auf Saad, der allerdings zeigte, dass auch Fußballgötter menschlich sind (42.).
Vasilj durfte sich bei einem Freistoß von Ritter noch mal auszeichnen (44.), Krahl bei einem flachen Schuss aus zweiter Reihe von Eric Smith (45.+1). Dann war Pause, in die St. Pauli mit einer hoch verdienten Führung ging.
Riesenchancen für Kaiserslautern, die Erste
Problem dabei: So weit war das nichts Neues. Oft genug hatte die Millerntor-Elf in der Hinrunde dominierend in Führung gelegen, durch Chancenwucher und wenige gegnerische Gelegenheiten aber noch den Ausgleich kassiert. Hartel versuchte daher direkt, für klare Verhältnisse zu sorgen, Krahl parierte seinen Schuss von der Strafraumgrenze jedoch (50.).
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Was folgte war einer der kuriosesten Szenen der bisherigen Saison. Vasilj verschätzt sich bei einem Freistoß von Ritter - wem sonst? -, der an Innenpfosten knallt, von da weiter zu Almamy Touré, der an die Latte köpft, von dort wiederum zu Jan Elvedi, dessen Kopfball Saliakas auf der Linie klären kann. Der finale Lauterer versucht segelt drüber (53.)
Riesenchancen für Kaiserslautern, die Zweite
Das Glück St. Paulis war zu diesem Zeitpunkt noch nicht aufgebracht. Eine weitere chaotische Szene im eigenen Fünmeterraum schloss sich an (56.). Diesmal wehrt Vasilj nach einer Ecke nach vorn ab, wieder ist Elvedi da, der den Ball nicht aufs Tor kriegt - und wieder ist Touré da, der in den Boden tritt. Ein Wahnsinn.
Hartels Hammer aus guten 18 Metern, der knapp links am Tor vorbeistriff, sorgte für kurze Entlastung (58.). Das Spiel war nun zumindest wieder beidseitig unterhaltsam, und die Einwechslung des gefürchteten Ragnar Ache beim FCK sollte dem gewiss keinen Abbruch tun (63.).
Hartel macht alles klar
Das tat stattdessen Hartel einen Saad-Durchbruch und Johannes-Eggestein-Schuss später, als der Topscorer der Zweiten Liga (neun Tore, acht Vorlagen) zum 2:0 abstaubte (64.). Bei allen teuflisches Chancen, war der Treffer durch St. Paulis abermals besten Spieler, freilich längst ein Fußballgott, überfällig.
Saad hätte wenig später sogar erhöhen können (68.). Auch Eggestein hatte noch nicht fertig (70.). Wieder Saad hätte nach einer Vasilj-Vorlage in dreiviertel Platzlänge selbst treffen oder auf Hartel in der Mitte querlegen müssen (71.).
Hürzeler kassierte Gelbe Karte und Sperre
"In einigen Situationen hätte ich bessere Entscheidungen treffen können", sagte Saad selbstkritisch. Allerdings lobte der Linksaußen auch die starke Leistung seiner Mannschaft: "In der zweiten Halbzeit musste der Gegner kommen, dadurch haben wir noch mehr Chancen kreiert."
Hürzeler blieb angespannt und fing sich in der Hitze des Gefechts seine vierte Gelbe Karte der Saison ein. Damit ist der 30-Jährige, der Besserung bei seinen Meckertiraden gelobt hatte, nun für eine Partie gesperrt.
Millerntor-Elf zurück an der Tabellenspitze
Besagter Hartel wiederum wäre dann noch mit seinem zweiten Treffer dran gewesen (88.). Aber Krahl war zu diesem Zeitpunkt längst der beste Mann im Team des ehemaligen HSVer Dimitrios Grammozis.
Geschenkt. Ein paar Chancen auf dem Platz vergeben, die wichtigste in der Tabelle genutzt.
FC St. Pauli: Vasilj - Wahl, Smith, Mets - Saliakas (90. Ritzka), Kemlein (90.+3 Dzwigala), Hartel, Treu - Afolayan (84. Amenyido), Eggestein (84. Maurides), Saad (90. Boukhalfa).
1. FC Kaiserslautern: Krahl - Touré, Tomiak, Elvedi - Zimmer, Kaloc, Raschl (63. Simakala), Puchacz (81. Prince Redondo) - Tachie, Ritter (81. Opoku) - Hanslik (63. Ache).
Tore: 1:0 Saad (34.), 2:0 Hartel (64.). Schiedsrichter: Welz (Wiesbaden). Zuschauer: 29.546 (ausverkauft). Gelbe Karten: Treu, Wahl (2), Smith (4) - Tomiak (3), Ritter (4). Statistiken: Torschüsse: 20:13; Ecken: 4:4; Ballbesitz: 60:40 Prozent; Zweikämpfe: 100:89; Laufleistung: 124,1:118,2 Kilometer.