Hamburg. Der Torhüter des FC St. Pauli dürfte sein Arbeitspapier in Kürze erneuern. Sein Torwarttrainer spricht über die Entwicklung.

Das Eingeständnis macht Marco Knoop unumwunden. „Natürlich, du musst einen Schaden haben“, sagt der Torwarttrainer des FC St. Pauli zur alten Fußballweisheit, nach der Torhüter und Linksaußen einen Schuss weg haben.

„Wer in Gottes Namen stellt sich da hin, wenn einer mit 120 Sachen aus acht Metern in deine Richtung ballert, und freut sich, wenn er ihn abkriegt?“ Wer in Gottes Namen Knoop wiederum einmal live erlebt hat, würde sich liebend gern aus acht Metern abschießen lassen, um sich den gleichen Schaden einzufangen.

Marco Knoop macht Torhüter bei St. Pauli besser

Der 45-Jährige gehört zu den Menschen, die durch ihre schiere Präsenz unweigerlich für ein Lächeln auf den Lippen sorgen. Ein Mann unter Dauerstrom, mitreißendes Charisma. „Ich habe einen großen Bewegungsdrang, aber bin eigentlich immer ganz entspannt“, sagt Knoop im Abendblatt-Podcast „Millerntalk“ – und lacht.

Der zweifache Vater ist aber nicht als Clown beim Kiezclub angestellt, sondern begründetermaßen als „Bessermacher“ der Keeper. Die Entwicklung, die Nikola Vasilj, Sascha Burchert und Sören Ahlers seit der Amtsübernahme des im brandenburgischen Kyritz geborenen Experten genommen haben, spricht Bände. Von Torverhinderern zu mitspielenden Anführern, die den Kasten sauber halten.

Innovative und interessante Trainingsmaßnahmen

Knoops Trainingsmaßnahmen sind dabei hochinteressant. Aufblasbare Gummikameraden, Slalomstangen, Holzbretter, Tennisschläger, Wasserbälle – als Hilfsmittel kann alles dienen. Mitnichten durch einen verrückten Professor, sondern einen erfahrenen Sportwissenschaftler.

Die Arbeit des im Ruhrpott aufgewachsenen früheren Regionalliga-Torhüters basiert im Wesentlichen auf fünf Reglern: Präzisionsdruck, Zeitdruck, Komplexitätsdruck, Situationsdruck und Belastungsdruck. „Ich lasse beispielsweise bestimmte spielrealistische Situationen trainieren, in denen nur ein kleines Zeitfenster offen steht“, sagt Knoop.

Keeper arbeiten besonders viel am Ball

Gerade diese Fenster werden im modernen Fußball immer kleiner, da Gegner höher pressen und Schüsse häufig schneller und aus naher Distanz abgegeben werden. Ein kleingewachsener Torhüter, wie er selbst mit seinen 1,75 Metern, hat kaum noch eine Chance, diesen Nachteil durch Sprungkraft und Reaktionsschnelligkeit auszugleichen.

Daran arbeitet Knoop natürlich trotzdem, besonders auffällig ist aber, wie stark sich die Keeper unter ihm am Ball verbessern. „Die Jungs coachen sich gegenseitig gut, sind super Sportsmänner“, möchte der bescheidene Coach das Lob direkt abgeben.

Torwarttrainer kümmert sich auch um defensive Standards

Die Begründung indes für den Fokus auf die Arbeit am Fuß ist logisch: „Teil unserer Strategie ist es, durch enge Gassen zu spielen, um Linien zu durchbrechen. Torwarttraining ist keine separate Disziplin, sondern hat eine Konnektivität zur Spielphilosophie.“ Der Torhüter ist der erste Angriffsspieler, alles ist mit­einander verdrahtet im System von Cheftrainer Fabian Hürzeler (30).

Da Knoop seinen Aufgabenbereich nicht isoliert betrachtet, hat ihm Hürzeler daher auch das Coaching der defensiven Standards anvertraut, Co-Trainer Peter Nemeth (51) kümmert sich um die offensiven. Bis zu zehn Stunden pro Gegner befasst sich Knoop mit Freistößen, Eckbällen und Einwürfen.

"Arbeit von 88 Minuten kann in der Tonne landen"

„Da muss sich jeder Spieler unbedingt erst mal bewusst machen, dass es eine brutale Gefahrenquelle ist, bei der in ein paar Sekunden die Arbeit von 88 Minuten in der Tonne landen kann“, sagt er. Auch die strategische Ausrichtung von Abstößen sei überaus interessant. Wenn sie anstelle des Torhüters ein Feldspieler ausführt, ergeben sich hieraus abermals neue Möglichkeiten der Spieleröffnung.

Auf die korrekte Umsetzung wird es auch beim Rückrundenauftakt gegen den 1. FC Kaiserslautern an diesem Sonnabend (13 Uhr/Sky) im Millerntor-Sta­dion ankommen. „Ich denke, dass sie auf unsere Fehler warten und dann mit ihren ganz schnellen Spielern umschalten. Da müssen wir extrem wach sein in der Restverteidigung. Niko muss auch aufpassen, deswegen haben wir auch solche Aktionen und Kettenverhalten geübt“, sagt Knoop.

Vasilj verlängert voraussichtlich Vertrag bei St. Pauli

Besagter Niko, Nikola Vasilj nämlich, schwärmt in höchsten Tönen von seinem Trainer. Anfangs habe er die Einheiten noch als sonderbar aufgefasst. Inzwischen ist der 28-Jährige überzeugt: „Marcos Training ist enorm anstrengend für Kopf und Körper, macht aber auch viel Spaß. Und das Beste: Es funktioniert richtig gut.“

Aller Voraussicht nach auch in den kommenden Jahren. Denn nach Abendblatt-Informationen steht die vorzeitige Vertragsverlängerung von Vasilj, dessen Kontrakt im Sommer auslaufen würde, unmittelbar bevor. Lediglich Details sind offenbar noch zu klären. Aber daran dürfte es nicht scheitern. In Kürze ist mit Vollzug zu rechnen.

Knoop: "Wissen, wo wir herkommen"

Ein starkes Statement des Bosniers, der mit St. Pauli in die Bundesliga möchte. Bezüglich dieses Themas lässt sich Knoop, der zuvor unter anderem bei RB Leipzig und Borussia Dortmund gearbeitet hat, allerdings kein forsches Eingeständnis zum Saisonziel entlocken.

„Wir wissen, wo wir herkommen. Und warum sollten wir eine Herangehensweise ändern, die uns bislang erfolgreich gemacht hat?“ In Gottes Namen sein Wort in Gottes Ohr.