Hamburg. Ungeklärter Graubereich: Die DFL toleriert Influencer-Videos von Bundesligaspielen, um ein neues, junges Publikum zu gewinnen.

„Leute, was geht ab, boah, geil, das gibt es nicht, wow, Leute, geil, unglaublich.“ Und so weiter. Der Typ kriegt sich gar nicht mehr ein, hat bei all seiner Begeisterung aber immer sein Handy an und filmt munter im Stadion herum.

Am 1. Dezember hatte der FC St. Pauli anlässlich des Stadtderbys gegen den HSV „hohen“ Besuch. Deutschlands Star-Vlogger „ViscaBarca“ gab sich (oder dem Verein) die Ehre und besuchte erstmals das Millerntor – „Geil!“ Oder auch nicht.

FC St. Pauli: Ultras fordern Rauswurf von Vloggern

Die St.-Pauli-Ultras reagierten im folgenden Heimspiel unmissverständlich: „Stadion-Vlogger rauswerfen“, forderten sie und weiter: „Nicht hofieren.“ Damit spielten sie auch auf Präsident Oke Göttlich an, der persönlich dafür sorgte, dass der Gast mit der Handykamera nach dem Spiel auch ohne Akkreditierung in die Mixed-Zone unter der Südtribüne vordringen durfte.

Wo er St. Paulis Trainer Fabian Hürzeler für einen Spieler hielt. Aber das nur nebenbei. Der Mann muss sich schließlich nicht auskennen, er will und soll Stimmung transportieren.

Videos aus Stadien generieren Millionen Klicks

„Vlogger“ sind ein Phänomen im deutschen – und internationalen – Fußball, das immer mehr um sich greift. Allein „ViscaBarca“, im bürgerlichen Leben Anton Rinas, hat beim Videokanal YouTube 1,82 Mio. Abonnenten und Stand heute 1033 Videos veröffentlich. Wie viele Influencer tatsächlich ihre Beiträge mittlerweile im Internet veröffentlichen, ist kaum abzuschätzen.

Sucht man bei Google, ploppen zahlreiche, manchmal mehr und oft weniger gut gemachte Filme aus fast allen Arenen Deutschlands und Europas auf. Regelmäßig einschließlich Bildern von Fans und vor allem von Spielszenen, die eigentlich von anderen Medien als den Rechteinhabern gar nicht gezeigt werden dürfen. Eigentlich.

DFL toleriert Bewegtbilder vom Spiel trotz fehlender Rechte

Doch auch wenn sie Bewegtbilder von Spielszenen zeigen, ist die Toleranz gegenüber Vloggern groß. Die DFL ist der Meinung, sie müsse mehr jugendliches Publikum für Fußball begeistern, die zunehmend Gefallen an Sportarten wie Basketball finden. Weiterhin soll die internationale Wahrnehmung der Marke Bundesliga gestärkt werden.

„Im Bereich Global Marketing arbeitet die DFL vereinzelt und insbesondere mit Fokus auf internationale Märkte mit Influencern zusammen, vor allem, um die internationale Wahrnehmung der Bundesliga unter jungen Fans zu steigern“, erklärte die Liga auf Abendblatt-Anfrage: „Hierbei werden für etwaige kurze Bewegtbild-Sequenzen aus den Stadien Nutzungsrechte, die mit den Verträgen mit den weltweiten Medienpartnern der Bundesliga vereinbar sind, im Vorfeld klar abgestimmt.“

DFL will mit Clubs gemeinsame Strategie erarbeiten

Von einem „Graubereich“ in der Handhabung des Themas sprechen mittlerweile auch viele Clubs. Eine klare und transparente Strategie der Liga gibt es noch nicht. Derzeit handeln die Vereine offenbar überwiegend nach eigener Einschätzung. Dies soll sich nun in Kürze ändern. „Das Thema Stadion-Vlogs werden Liga und Clubs zeitnah zusammen besprechen, um sich auf eine ganzheitliche gemeinsame Strategie zum weiteren Umgang mit dieser Thematik zu verständigen. Dem möchten wir zum aktuellen Zeitpunkt nicht vorgreifen“, heißt es vonseiten der DFL.

„ViscaBarca hat seine Karte gekauft, er hatte keine Akkreditierung“, erklärte der FC St. Pauli zum Besuch des Star-Vloggers, der seinen Beitrag wie eigentlich in fast allen seinen Videos damit begann, ausführlich und mit Namensnennung sein Hotel zu loben: „Geil“.

Verdacht der Schleichwerbung nicht auszuräumen

Klickt man auf den entsprechenden Beitrag bei YouTube, erwarten den interessierten Fußballfan zunächst eine Werbung für Tiefkühlpizza und einen sicherlich betörenden Frauenduft, bevor es losgeht. Ein Hobby ist das alles längst nicht mehr, vor allem wenn jemand praktisch jede Woche irgendwo in Europa in einem Stadion sitzt und alles super-duper-krass ist.

Dementsprechend gibt es auch Agenturen, die die Interessen zahlreicher Influencer vertreten. Aber nicht so gerne mit klassischen Medien kommunizieren. Kritische Fragen passen nicht zum Geschäft.

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Das NDR-Medienmagazin „Zapp“ bekam auf seine Nachfrage ebenso eine Absage wie das Abendblatt: „Aktuell sieht es so aus, dass die Presse eher auf die StadionVlogger draufhauen möchte, anstatt das mal ordentlich zu recherchieren“, begründete die Agentur Ciberdime das Schweigen der Vlogger, die also nichts zum im Raum stehenden Verdacht von Schleichwerbung und Ähnlichem sagen können.

„Zapp“ hatte in seinem Beitrag schon im Mai zudem darauf hingewiesen, dass DFL und einige Vlogger gemeinsam Kunden von Athletia Sports seien, die laut eigener Aussage Deutschlands größtes YouTube Sport-Netzwerk betreibt.

Auch HSV-Fans lehnen Vlogger im Stadion ab

„Keine Influencer in den Volkspark“ – mit diesem Sticker haben HSV-Fans längst ihre Haltung klargemacht. Der Verein hat sich auf Abendblatt-Anfrage nicht zu seiner Haltung geäußert. Der Zwiespalt aber ist überall klar: Die Clubs suchen Wege, um ihre Popularität zu vergrößern, neue Kundengruppen zu gewinnen.

Die traditionellen Fans wollen „echte Emotionen“ und keine Vlogger, die sich nicht für die Clubs interessieren, in deren Kurve sie stehen, sondern nur für das Event, die während des Jubelns sofort in ihr Handy quatschen: „Leute, geil, boah.“