Hamburg. Der Club und seine Fans verurteilen Terrorismus, werden von internationalen Anhängern aber für „pro-israelische Positionen“ attackiert.
Der FC St. Pauli hat mit seiner Haltung und seinen Werten auf allen Kontinenten Anhänger gewonnen, die sich mit dem Club weit über die Begeisterung für Fußball hinaus solidarisieren.
Rund 80 offiziell eingetragene Fanclubs gibt es auf der Welt – von den Phnom Pen Pirates in Kambodscha zu den East River Pirates in New York City, vom St. Pauli Bloque Mexico bis zu Polish Supporters. Eine große internationale Gemeinde, alle vereint unter dem Jolly Roger, dem Totenkopfsymbol des Zweitliga-Tabellenführers. Bis vor Kurzem.
Fanclubs werfen St. Pauli „pro-israelische Positionierug“ vor
Der Terror- und Raketenüberfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober und der darauffolgende Krieg in Gaza haben auch die Fanszene des FC St. Pauli erschüttert und zum Teil gespalten. Am 10. Oktober veröffentlichten 14 internationale Fanclubs eine Stellungnahme, in der sie gegen die angeblich „einseitig pro-israelische Positionierung“ des Vereins protestierten.
In dieser Veröffentlichung wird eine Landkarte gezeigt, die Palästina ohne Israel darstellt und damit der Sichtweise radikaler Palästinenser entspricht, die Israel das Existenzrecht absprechen. „Wir unterstützen das Recht der Palästinenser auf Selbstverteidigung und Selbstbestimmung, Freiheit für Palästina“, heißt es.
FC St. Pauli hatte einen „Kondolenzpost“ für die Opfer veröffentlicht
Diese Stellungnahme, die offenbar von „Glasgow St. Pauli“ initiiert war, ist für den Verein nicht tragbar. „Kein Wort der Empathie für die israelischen Opfer des Massakers“ sei dort zu lesen, stellte ein Vereinssprecher fest.
Der FC St. Pauli hatte am Tag des Hamas-Überfalls mit 1200 getöteten Israelis und etwa 240 verschleppten Geiseln einen „Kondolenzpost“ abgesetzt. „Wir verurteilen die Angriffe auf Zivilistinnen und Zivilisten, den Terror und die Morde, die durch nichts zu rechtfertigen sind und nur zu einer weiteren Eskalation führen“, erklärte der Verein.
Hapoel Tel Aviv hatte schnell 20 Ermordete zu beklagen
Weiter hieß es dort in Bezug auf die Freundschaft mit Hapoel Tel Aviv, dessen Team Ende Juli zur Saisoneröffnung am Millerntor zu Gast war: „In Gedanken sind wir insbesondere bei unseren Freunden und Freundinnen von Hapoel Tel Aviv und hoffen auf eine friedlichere Zukunft für alle Menschen im Nahen Osten.“ Hapoel hatte zu diesem Zeitpunkt schon rund 20 Ermordete zu beklagen.
Der Fanclub-Sprecherrat der Hamburger, der unabhängig vom Präsidium und dem Verein agiert, ist seitdem in zahlreiche Gesprächen mit den angeschlossenen Clubs. Er hatte sich nach der Veröffentlichung der 14 internationalen Clubs eindeutig positioniert. „Wir möchten klarstellen, dass eine Verharmlosung und Legitimierung der terroristischen Anschläge der Hamas keine Meinung darstellt und vollkommen inakzeptabel ist.
Fanclubs in Athen und Bilbao haben sich aufgelöst
Manche Fanclubs und ihre Statements sind schon sehr grenzwertig oder haben die Grenze überschritten“, hieß es am 12. Oktober: „Wir werden prüfen, ob sie dem Selbstverständnis der offiziellen Fanclubs des FC St. Pauli entsprechen. Terroristen sind keine Opfer, und Terror ist keine legitime Form des Widerstands oder Protests!“
Sieben der 14 Unterzeichner des Schreibens vom 10. Oktober haben mittlerweile ihre Unterschrift zurückgezogen. Beim Pokalspiel des FC St. Pauli gegen den FC Schalke 04 hing ein Banner in der Südkurve, auf dem stand: „Befreit Palästina von der Hamas.“ Ein weitgehender Konsens scheint also gefunden: „Terrorismus ist mit nichts zu rechtfertigen.“
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Einige internationale Fanclubs konnten diesen Weg aber nicht mitgehen. Mit Glasgow laufen noch Gespräche, die Fanclubs Bilbao und FCSP Athens South End haben sich mittlerweile aufgelöst. Die Konflikte um diesen Krieg und die Haltung zu Israel und Palästina, die es in der sich selbst als links definierenden Szene weltweit gibt, sind also auch beim FC St. Pauli angekommen.
„Es muss als Minimalkonsens möglich sein, Terrorismus zu verurteilen“, erklärt der FC St. Pauli über einen Sprecher, „wir appellieren an alle, in diesem höchst komplexen Konflikt nicht mit Schlagworten auf Social Media um sich zu werfen, sondern miteinander statt übereinander zu sprechen.“