Hamburg. Der Torjäger des FC St. Pauli verrät vor dem Spiel gegen Hannover 96, was ihn auf und neben dem Platz stärker gemacht hat.

Der beste Stürmer der Zweiten Liga hat ein enorm breites Kreuz. Das fällt auf, als er zum Studiobesuch zum Abendblatt-Podcast „Millerntalk“ über den FC St. Pauli kommt. Johannes Eggestein ist mit seinen eher großzügig gemessenen 1,83 Metern Körperhöhe ja nicht das typische „Strafraum-Ungeheuer“, aber dass diesen Körper und diesen Menschen so leicht nichts umhaut, das glaubt man sofort.

„Gesunder Geist in einem gesunden Körper“, hieß es bei den alten Römern – und das scheint den sportlichen Zustand von „Jojo“ Eggestein kurz vor dem Zweitliga-Spitzenspiel des Tabellenführers gegen Hannover 96 am Freitag (18.30 Uhr/Sky) ziemlich gut zu beschreiben.

St. Paulis Eggestein: „Wie man trainiert, so spielt man auch“

Eggestein hat in den vergangenen sechs Pflichtspielen sieben Tore geschossen. Er ist im Notendurchschnitt des „Kicker“ auf Platz zwei der besten Spieler der Saison, als einziger Feldspieler mit fünf Torhütern unter den Top sechs. Laut dem Datenprojekt des NDR in Zusammenarbeit mit Global Soccer Network ist Eggestein mit einem „Performance Score“ von 63,99 aktuell der beste Stürmer der Liga.

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„Ein Schlüssel ist, die Dinge gut zu machen, die man beeinflussen kann“, sagt Eggestein im Podcast. „Ich glaube, man kann sich schon einiges erarbeiten. Letztlich ist es so: Wie man trainiert, so spielt man auch.“

Trainer Hürzeler lobt Eggesteins Trainingsfleiß

Der 25-Jährige hat tatsächlich viel an sich und seinem Körper gearbeitet, auch in freiwilligen Extraschichten. Das hat Trainer Fabian Hürzeler schon positiv wahrgenommen, als er Eggestein noch nicht als Stammspieler auf dem Zettel hatte.

„Er hat durch Beharrlichkeit, Penetranz und Konstanz immer wieder auf sich aufmerksam gemacht“, sagt Hürzeler. „Ich glaube, dass es für ihn auch eine Rolle spielt, nicht nur den Fußball im Kopf zu haben, sondern sich auch mit anderen Dinge zu beschäftigen. Es ist sehr wichtig, auch eine Ablenkung zu haben.“

Der Stürmer studiert Psychologie

Mit dieser Einschätzung seiner Nummer elf hat Hürzeler offenbar vollkommen recht. Eggestein hat ein Psychologiestudium begonnen, beschäftigt sich regelmäßig eben nicht nur mit Fußball.

Er lernt Inhalte über Entwicklungspsychologie, also wie man als junger Mensch heranwächst und was das mit einem macht, Anatomie, den Aufbau des Körpers, des Nervensystems – „das sind Aspekte, die ich auch im Sport sehr gut gebrauchen kann“, erklärt er, „die haben mich wahnsinnig interessiert und die kann ich sowohl für jetzt und vielleicht auch nach der Karriere gut gebrauchen.“

Mit 15 Jahren ging es ins Leistungszentrum in Bremen

Kopfarbeit ist eben nicht nur, bei Freistöße oder Eckbällen richtig zu stehen und die Vorlage meist von Marcel Hartel gut zu verwerten. Vor allem in der Zeit als er nach der Amtsübernahme von Hürzeler Anfang 2023 bis zum sechsten Spieltag der laufenden Saison kaum zum Einsatz kam, hat ihm die Beschäftigung mit anderen Dingen sehr genützt, erzählt er: „Die Herausforderung, auch intellektuell etwas zu haben und nicht nur körperlich, das war für mich ein wichtiger Baustein. Es hat mir totale Ausgeglichenheit auch im Alltag und als Mensch Vertrauen gegeben. Ich wusste, ich kann noch etwas anderes als Fußball, ich kann studieren, ich kann lernen, das hat mir total geholfen.“

Johannes Eggestein erzählt absolut strukturiert und druckreif. Ohne Ähhhs und Ohhs, ohne „ich sach’ mal, sach’ ich mal.“ Gibt es „typische Fußballer?“ Natürlich nicht. Johannes Eggestein ist jedenfalls keiner. Obwohl er schon mit 15 Jahren sein Elternhaus in Hannover verlassen hat, um seinem 17 Monate älteren Bruder Maximilian ins Nachwuchsleistungszentrum von Werder Bremen zu folgen.

Von der Erfahrungen von Bruder Maximilian profitiert

Der Weg in den Profifußball war also vorgezeichnet, wobei „Jojo“ von den Erfahrungen von „Maxi“ profitierte. „Dort wurde neben dem Sport auch großen Wert auf Schule gelegt, und meine Eltern taten das auch“, erinnert sich Eggestein und dreht wieder eine Wende zu seiner Persönlichkeit: „Wir hatten in Bremen schon Sport-Psychologen. Mir hat das sehr geholfen, mich selber besser zu verstehen und meine Leistung ein Stück weit konstant zu halten und zu verbessern.“

Die beiden Brüder galten vor vier Jahren als die Zukunft von Werder Bremen. 2020 aber trennten sich die Wege. „Es war in Bremen keine einfache Zeit, am Ende stand da der Abstieg, da ist für junge Spieler in der sportliche Entwicklung einiges auf der Strecke geblieben“, glaubt Johannes, „letztlich war das aber auch Lebenserfahrung, die uns irgendwie gut getan und uns stärker gemacht hat.“

Eggestein kam 2022 zum FC St. Pauli

Maximilian heuerte nach dem Abstieg von Werder 2021 beim SC Freiburg an, machte eine gradlinige Karriere als Stammspieler eines Bundesliga-Spitzenclubs mit Europa-League-Teilnahmen. Bei Johannes ging es weniger problemlos weiter. Als Leihspieler 2020/21 beim Linzer ASK traf er in Österreich noch zwölf Mal in 28 Bundesligaspielen, bei Royal Antwerpen im Jahr drauf in Belgien konnte er sich aber nicht richtig durchsetzen. Wohl nur deshalb war es für St. Pauli möglich, 2022 eines der ehemals größten deutschen Stürmertalente zu verpflichten.

„Bei mir war die Laufbahn mit mehr Schwankungen verbunden als bei meinem Bruder. Aber das ist in Ordnung, dass es bei mir vielleicht etwas anders ist, auch aufgrund der persönlichen Komponente“, sagt der „kleine“ Eggestein. Auf jeden Fall versuchen sie, wenn immer möglich, die Spiele des Bruders im Fernsehen zu verfolgen. Und regelmäßig tauschen sie sich auch aus über den Fußball. „Mein Bruder hat zuletzt zum einen oder anderen Kopfball einen Spruch abgelassen.“

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Bleibt also noch das Ziel, sich bald möglichst mal in der Bundesliga gegenüberzustehen. 46 Bundesligapartien hat Johannes Eggestein auf seinem Konto, natürlich sollten da noch welche dazukommen. Ein Sieg im Spitzenspiel gegen Hannover wäre ein weiterer Schritt dahin.

„Jeder Fußballer strebt danach“, sagt Eggestein. „Wir sind uns in der Mannschaft einig darüber, dass wir über das ganze Jahr eine Entwicklung wahrnehmen – und da haben wir auch gute Chancen, dass am Ende etwas Erfolgreiches dabei herauskommt.“

Die voraussichtlichen Aufstellungen:

  • FC St. Pauli: Vasilj – Dzwigala, Wahl, Mets – Saliakas, Smith, Hartel, Treu – Metcalfe, Eggestein, Afolayan.
  • Hannover 96: Zieler – Neumann, Halstenberg, Arrey-Mbi – Dehm, Köhn – F. Kunze, Leopold – Schaub, Voglsammer – Nielsen.