Hamburg. Die Hamburger sind die Mannschaft des ersten Saisondrittels. Um den Erfolg zu wahren, ist aber weitere Arbeit nötig.

Einen Marathonmann hat der FC St. Pauli bereits. Nicht die schlechteste Voraussetzung, um eine Saison zu bestehen, die bekanntermaßen – die folgende Floskel kostet mindestens fünf Euro – kein Sprint, sondern eben ein Marathon ist.

Nach zwölf von 34 zu absolvierenden Zweitligaspielen, also etwas mehr als einem Drittel, sind die Braun-Weißen offenkundig als stärkstes Team der Spielklasse aus den Startlöchern geschossen. Angeführt von Duracellhase Marcel Hartel als Tempomacher.

Hürzeler mahnt sein Team an

Der Mittelfeldstratege riss zuletzt gut 46 Kilometer binnen sieben (Spiel-)Tagen ab und schien doch kein bisschen müde zu wirken. Darin ähnelt er offenbar seinem Trainer Fabian Hürzeler, der nicht müde wird, den Mahner zu mimen, um auch in den verbleibenden beiden Dritteln dieser Saison das Maximum aus seiner Mannschaft herauszuholen.

„Ich bin selten zufriedenzustellen. Es gibt immer Bereiche, in denen wir uns verbessern können“, sagt Hürzeler. Die Gefahr, dass sich der permanent kritische Führungsstil des jungen Bayern abnutzt, scheint derzeit nicht zu bestehen.

FC St. Pauli will Wert der "zweiten Elf" stärken

In der Mannschaft wird diese Art eher als wachsam wahrgenommen, um die Sinne geschärft zu halten. Zumal Hürzeler seinen Spielern gegenüber äußerst wertschätzend und konstruktiv ist.

Intern wollen die Verantwortlichen in den kommenden Wochen verstärkt darauf achten, die Moral der „zweiten Elf“ hochzuhalten. Die Begrifflichkeit ist durchaus bewusst gewählt, um die Botschaft zu vermitteln, dass es sich eben nicht um Ersatz- oder Ergänzungsspieler handelt, sondern um vollwertige Mannschaftsmitglieder, von denen jedes zu jeder Zeit in der Lage ist, in der Startelf ohne erkennbaren Qualitätsverlust gute Leistungen zu bringen.

Dzwigala ersetzt Smith fehlerfrei

Bislang war dies unter Hürzeler fast ausnahmslos der Fall. Jüngstes Beispiel ist Verteidiger Adam Dzwigala, der beim 2:0-Sieg bei der SV Elversberg am Freitagabend Spielmacher Eric Smith (leichte Adduktorenprobleme) fehlerfrei ersetzte.

Der Wert dieser im Training durch orangefarbene Leibchen gekennzeichneten zweiten Elf soll in Gesprächen herausgestellt werden. Doch daran besteht innerhalb des Teams ohnehin keinerlei Zweifel. „Diejenigen, die ein bisschen hintanstehen, fordern uns jede Woche im Training. Sie sind genauso für den Erfolg verantwortlich“, sagt Hartel.

Reservisten verbessern sich im Training

Dazu besteht weiter das Angebot, sich individuell zu verbessern. „Jeder Spieler weiß bei mir, dass wir als Trainerteam versuchen, den Einzelnen besser zu machen. Das sehen wir auch als unsere Verantwortung gegenüber den Jungs an“, sagt Hürzeler.

Dass selbst ein längeres Reservistendasein spielerische Dividenden abwerfen kann, offenbart unter anderem die Entwicklung von Akteuren wie Lars Ritzka oder auch Johannes Eggestein. Wobei der Mittelstürmer, der in den zurückliegenden sechs Pflichtspielen sieben Tore erzielte, an früheren Zeitpunkten seiner Karriere bereits ein hohes Niveau offenbart hatte.

Präsidium gibt konstant starke Saison als Ziel vor

„Nur, weil die Eigenmotivation aller Spieler im Training so hoch ist, und das muss sie auch weiter bleiben, können wir erfolgreich sein“, sagt Hürzeler, der in diesem Zusammenhang Eggestein explizit lobt: „Jojo hat etwas Besonderes in der Box. Aber die zweite Besonderheit ist seine Arbeitseinstellung, sein Verhalten innerhalb des Teams. Für ihn ist das ,Wir’ immer größer als das ,Ich’, das imponiert mir sehr.“

Um das vom Präsidium vorgegebene Ziel zu erreichen, eine komplette Saison – und nicht wie in den vergangenen Jahren immer nur eine der beiden Halbserien – konstant gut zu spielen, benötigt St. Pauli auch kollektive Rezepte. Immer häufiger hatten Gegner zuletzt Ideen gegen die dominante Spielweise parat, auf die die Hamburger bislang stets Lösungen fanden.

St. Pauli findet Lösungen auf Ideen der Gegner

In Elversberg mussten die Kiezkicker anfangs dem hohen Druck des keineswegs schwachen und zuvor sieben Partien unbesiegten Aufsteigers standhalten. „Der Plan war es, die Außenverteidiger mehr zu benutzen. Sie sollten mal breit ziehen, mal nach innen kommen, um dann die freien Spieler zu finden“, sagte Hartel.

Nach dem Seitenwechsel wurden die Saarländer offensiver, „dann ist es uns gelungen, aus einer tieferen Stellung heraus zu kontern, wir haben gezeigt, dass wir auch das können“, sagte Kapitän Jackson Irvine, der am kommenden Freitag gegen Hannover 96 gelbgesperrt fehlen wird.

Verteidigung herausragend, Angriff mit Potenzial

Dennoch verfügt selbst St. Pauli über reichlich Potenzial. Defensiv ist der Club mit geradezu einschüchterndem Vorsprung die Nummer eins der Liga. Der Unterschied zum zweitplatzierten 1. FC Nürnberg bei den statistisch zu erwartenden Gegentoren (10,2:14,2) ist so groß, wie der zwischen Rang zwei und elf (1. FC Magdeburg: 17,4) in dieser Kategorie. „Die Verteidigung ist unser Steckenpferd, da müssen wir zwingend weiter konsequent bleiben“, fordert Hürzeler.

Die größeren Aufgaben liegen aber im Angriff. Meckern auf hohem Niveau angesichts der zweitmeisten Tore. Allerdings beruhen die 24 Treffer auch auf der herausragenden individuellen Qualität von Hartel und Eggestein sowie der hohen Quantität der Chancen.

Chancenqualität ist ausbaufähig

An der Qualität lässt sich indes noch schrauben. „Im letzten Drittel müssen wir konstanter Lösungen gegen tief stehende Gegner finden. Unsere Strafraumbesetzung muss sich verbessern, um klarere Torchancen herauszuspielen“, sagt Hürzeler. Ein präziseres Passspiel, um die Anzahl der Ballverluste zu verringern, sei ebenfalls ein Punkt, an dem verstärkt gearbeitet werde.

Aber genau das scheinen die Spieler mit großer Leidenschaft auch zu wollen. „Woche für Woche an unserem Spiel zu arbeiten, macht viel Spaß“, sagt Hartel, der mit seinem sechsten Saisontor in Elversberg bereits am zwölften Spieltag eine neue persönliche Bestleistung aufstellte.

Die Tabellenspitze der 2. Bundesliga
1. FC St. Pauli 34 / 62:36 / 69
2. Kiel 34 / 65:39 / 68
3. Düsseldorf 34 / 72:40 / 63
4. HSV 34 / 64:44 / 58
5. Karlsruhe 34 / 68:48 / 55
6. Hannover 34 / 59:44 / 52
7. Paderborn 34 / 54:54 / 52
8. Fürth 34 / 50:49 / 50

„Durch seine neue Klasse vor dem Tor ist Cello durch seine Lauf- und Verteidigungsbereitschaft nun in beiden Strafräumen enorm hilfreich“, lobt Hürzeler seinen Topmann – im guten Wissen, dass auch die Moral entscheiden wird, ob St. Pauli den noch ausstehenden Ultramarathon bewältigen wird.