Hamburg. Trainer Hürzeler hat seinen Spielern ein System eingebleut, dass viele Experten stark an das schnelle Spiel in der Halle erinnert.

„Stop!“ Trainer Fabian Hürzeler unterbrach am Dienstag beim Training des FC St. Pauli die intensive Einheit auf verkleinertem Feld und zeigte Etienne Amenyido genau, in welche Räume er sich bewegen soll. Und in welche nicht. Praktisch täglich üben die Kiezkicker an der Kollaustraße diese Situationen, Pressing und wie man sich daraus löst.

Das Aufbauspiel des Tabellenführers setzt grade Maßstäbe in der Zweiten Liga .„Der St. Pauli-Fußball ist der beste, den ich in den letzte zehn Jahren in der Liga gesehen habe“, sagte Experte Felix Kroos im gemeinsamen Podcast mit seinem Bruder Toni „Einfach mal luppen“.

FC St. Pauli: Zahlreiche Experten vom Aufbauspiel beeindruckt

Besonders beeindruckt viele Fachleute, mit welcher Selbstverständlichkeit sich die Hamburger im Spielaufbau auch aus extremen Pressingsituationen befreien – auch wenn die Fans auf den Tribünen regelmäßig einen Herzkasper bekommen. Doch sie wissen, was sie tun.

„Man muss sich in Dreier- oder Viererkette aus dem Pressing lösen. Dafür gibt es verschiedene Schablonen, die intensiv trainiert werden. Man muss abwarten und auf die Handlung des Gegners reagieren.“ Das sagt Michael Meyer (35) zu seinem Spiel. Der Akteur von den HSV Panthers hat 50 Länderspiele bestritten – für die deutsche Futsal-Nationalmannschaft.

Futsal fördert individuelle Klasse wie bei Elias Saad

Dass das schnelle Hallenspiel die individuelle Technik und Beweglichkeit von Spielern fördert, ist seit Ronaldinho und Lionel Messi bekannt. Beim FC St. Pauli startet der ehemalige Futsal-Spieler Elias Saad gerade durch. Meyer beschreibt Futsal, wo vier Feldspieler und ein Torwart auf einem Handballfeld ohne Banden gegeneinander spielen, aber wie eine Blaupause für St. Paulis kollektiven Spielaufbau.

„Wenn man immer anspielbar ist, wird es für den Gegner schwer, die Passwege zuzustellen. Dann können sie nicht mehr so intensiv pressen. Dadurch entstehen Räume. In diesen Zwischenräumen sollte man idealerweise Spieler positionieren“, so Meyer weiter. Genau so läuft es. Die Spieler aus St. Paulis defensiver Fünferkette sowie die beiden zentralen Mittelfeldspieler und der Torwart wissen genau, wo sie hinlaufen müssen, und wo der Pass hinkommen soll.

Paderborns Trainer: „St. Pauli spielt Futsal über das ganze Feld“

„St. Pauli spielt eine Art Futsal über den ganzen Platz“, sagt Lukas Kwasniok, der Trainer des SC Paderborn, „ihre Abläufe und ihr Positionsspiel sind so klar, dass du immer den berühmten halben Meter zu spät kommst und sie dann ein großes Feld vor sich haben. Da in die Balleroberung zu kommen, ist wahrscheinlich die schwierigste Aufgabe in der Zweiten Liga.“

Als Pressingspieler wird man von St. Pauli geradezu in eine Falle gelockt, sagt Kwasniok: „Die Ansätze aus dem Futsal, viel den Ball unter der Sohle zu haben und das Spiel tot zu stoppen, wenn der Gegner keinen Druck ausübt, sind neu.“ St. Paulis Profis warten darauf, dass sich ein Spieler locken lässt, dann schnappen sie zu. „Dieses nicht zu passen, wenn der Gegner nicht drauf geht, ist auch für die Zuschauer sehr speziell“, hat Kwasniok festgestellt.

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Dieses System zu erlernen und Vertrauen zu entwickeln, ist ständige harte Arbeit. „Es hat Monate gedauert bis wir uns als Team wirklich sicher damit gefühlt haben“, sagt Mittelfeldspieler Connor Metcalfe: „Aber jetzt haben wir den Punkt erreicht, dass wir bei unserem Spiel bleiben, egal, wie das Resultat ist, weil wir wirklich daran glauben.“

Die Komplexität dieses „Futsal-Systems mag auch ein Grund sein, warum Neuzugänge länger brauchen, bevor sie wirklich Verstärkungen werden. Der luxemburgische Nationalspieler Danel Sinani hat den Durchbruch bei St. Pauli noch nicht geschafft. Stürmer-Hoffnung Simon Zoller schob sogar Extraschichten, um das System zu erlernen: „Ich habe versucht, möglichst viel aufzusaugen, da die Mannschaft doch etwas komplexer spielt.“