Hamburg. Beim 2:2 in Paderborn zeigte der FC St. Pauli zwei Gesichter und verspielte den Sieg. Ein Profi erwischte einen besonders gebrauchten Tag.

Lukas Kwasniok hatte da so eine Ahnung. „Ich glaube, die können es nicht mehr hören“, frotzelte der Trainer des SC Paderborn, als er nach dem 2:2 gegen den FC St. Pauli gefragt wurde, ob das Millerntorteam nun tatsächlich der stärkste Gegner in dieser Saison war.

Auch über seine Mannschaft sei das ja in der Anfangsphase der vergangenen Saison immer wieder gesagt worden, meinte Kwasniok. Am Ende wurde man dann Sechster, noch hinter dem Hinrunden-15. St. Pauli. Der ist jetzt nach zehn Spieltagen weiter Tabellenführer der Zweiten Liga. „Es ist so. Das ist die beste Mannschaft“, antwortete Kwasniok dann doch noch konkret auf die ihm gestellte Frage.

St. Paulis Trainer Hürzeler hadert mit dem 2:2

Sein Hamburger Kollege Fabian Hürzeler quittierte diese Aussage, die er zuvor auch schon in ähnlicher Weise von Herthas Coach Pal Dardai und zuletzt von Nürnbergs Trainer Cristian Fiel gehört hatte, mit einem eher gereizten Lächeln. Komplimente sind ja ganz nett, aber wenn man sich selbst über zwei verspielte Punkte ärgert, können sie auch ganz schön nerven. Das war ihm anzumerken.

„Ich hatte das Gefühl, dass wir die klar bessere Mannschaft waren. Das bestätigen die Daten ja auch. Dass wir es nicht schaffen, das in ein Ergebnis umzumünzen, bewirkt ein eher unzufriedenes Gefühl in mir“, sagte Hürzeler später und beschrieb dabei insbesondere die starke zweite Hälfte. Sein Kapitän Jackson Irvine sah es ähnlich: „Ein Punkt ist niemals genug. Vor allem nicht, wenn du in Führung warst.“

Überlegenheit führt zu gefährlicher Sorglosigkeit

Die besagte 2:1-Führung hatten Johannes Eggestein (48.) und Irvine (78.) selbst herausgeschossen und damit den frühen Rückstand, der für St. Pauli der erste überhaupt in dieser Saison war, gedreht. Was allerdings danach geschah, war eine womöglich natürliche, menschliche Reaktion nach zuvor vier überzeugenden Siegen, kostete aber eben zwei Punkte.

„Wir hatten Chancen im Minutentakt. Nach dem 2:1 hatte ich auch das Gefühl, dass wir näher am 3:1 sind als Paderborn am 2:2“, sagte Hürzeler. „Vielleicht macht sich dann eine gewisse Lockerheit und Lässigkeit breit. Es entwickelt sich das Gefühl, hier passiert eh nichts mehr, die kommen nicht mehr aus ihrer eigenen Hälfte. Dann passiert so etwas“, beklagte der Coach.

Ex-St.-Paulianer Conteh von Wahl nicht zu stoppen

Dieses Etwas sah dann so aus: Ein fahrlässiger Ballverlust in der gegnerischen Hälfte, ein langer Pass auf den blitzschnellen Ex-St.-Paulianer Sirlord Conteh, der seinem Gegenspieler Hauke Wahl scheinbar mühelos enteilt, und ein perfektes Zuspiel auf den mitgelaufenen Filip Bilbija, der zum 2:2 trifft. „Ich mache Hauke keinen Vorwurf. Ich mache eher der Mannschaft einen Vorwurf, dass die Positionierung davor nicht gut war“, sagte Hürzeler.

„Ich hätte mich entscheiden können, nicht direkt zu Conteh, sondern mehr in Richtung Strafraum zu laufen, aber selbst dann kann ich die Flanke nicht verhindern“, schilderte Abwehrchef Wahl die Szene. „Es ist am Ende bitter, dass wir nach der guten zweiten Hälfte noch das 2:2 kassieren.“

Elias Saad blieb weit unter seiner Bestform

Womöglich kam das Ende der kleinen Siegesserie gerade zum richtigen Zeitpunkt, um frühzeitig Tendenzen wie Lässigkeit und Überheblichkeit einzudämmen. Auch schon zahlreiche Ballverluste in der ersten Hälfte hatten erahnen lassen, dass manche Spieler nicht ganz bei der Sache waren und es sich gegen die überraschend defensiv eingestellten und gut organisierten Paderborner leichter vorgestellt hatten.

„Wir sind hierhergefahren und haben gedacht, wir können hier mal ein bisschen Fußball spielen“, beklagte Hürzeler später. „Aber Paderborn ist eine gute Mannschaft. Das haben sie bewiesen. Und wir haben speziell in der ersten Halbzeit nicht das gezeigt, was wir uns vorgenommen haben. Das darf uns so nicht passieren, das müssen wir so klar ansprechen.“

Traumtor von Paderborns Muslija aus 56 Metern

Gar nicht gut verlief diese erste Halbzeit vor allem für einen St. Paulianer, der in den vergangenen Wochen geradezu einen Hype um sich erlebt hatte. Elias Saad hatte mit glanzvollen Auftritten und drei wichtigen Toren begeistert und angeblich das Interesse einiger Clubs auf sich gezogen. Seine beiden Treffer im Testspiel bei Werder Bremen taten ein Übriges.

Und nun? Die Paderborner ließen Saad nicht den Raum, um mit dem Ball ins Tempo zu kommen. So blieb der 23-Jährige ohne Torschuss und gewann nur 14 Prozent seiner Zweikämpfe. Fatal war vor allem sein an Marcel Hartel adressierter, aber viel zu schlampig gespielter Pass, den Paderborns Florent Muslija abfing und Sekunden später zum Traumtor aus 56 Metern zum 1:0 nutzte.

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Zur zweiten Hälfte ersetzte Connor Metcalfe den indisponierten Saad, der somit einen durchweg gebrauchten Tag erlebte. „Es kann passieren, dass ein Spieler an einem Tag nicht beste Form hat. Das nehmen wir bei Elias so in Kauf, weil er junger Spieler ist. Es gehört zur Entwicklung dazu, dass es Aufs und Abs gibt. Wir erwarten aber auch eine richtige Reaktion von ihm“, sagte Trainer Hürzeler.

St. Paulis Kapitän Irvine: „Nächstes Spiel ist ein echter Test“

Am Ende gab Kapitän Jackson Irvine das Motto für die kommende Woche und speziell das am Sonnabend (13 Uhr) anstehende Heimspiel gegen den Karlsruher SC aus, der am Sonntag gerade den FC Schalke 04 mit 3:0 bezwang und damit seine Sieglosserie beendete. „Das wird ein echter Test für die ganze Mannschaft, sagte er und meinte dies nicht allein in sportlicher, sondern auch in charakterlicher Hinsicht.

SC Paderborn 07: Huth – Schuster, Kinsombi, Müller (81. Musliu), Hoffmeier – Hansen (81. Nadj), Obermair, Muslija (86. Leipertz) – Klaas (81. Conteh), Bilbija, Grimaldi (68. Klefisch). FC St. Pauli: Vasilj – Dźwigała, Wahl, Mets – Saliakas (76. Treu), Irvine, Hartel, Ritzka – Afolayan (88. Zoller), Eggestein (88. Amenyido), Saad (46. Metcalfe).
Tore: 1:0 Muslija (8.), 1:1 Eggestein (48.), 1:2 Irvine (78.), 2:2 Bilbija (82.). Schiedsrichter: Martin Petersen (Stuttgart). Zuschauende: 15.000 (ausverkauft). Gelbe Karte: Dźwigała. Statistik: Torschüsse: 6:17, Ecken: 3:6, Ballbesitz 48:52 Prozent, Zweikämpfe: 95:85. Laufleistung: 117,7:120,9 km.