Hamburg. Der Präsident des FC St. Pauli stört sich an der öffentlichen Einordnung der Leistungen des dominanten Zweitligaspitzenreiters.

Am Montagmittag war Oke Göttlich schnell unterwegs. Mutmaßlich zumindest. Denn der Präsident des FC St. Pauli saß im ICE.

Und es war nicht das bei Bahnreisenden eher ungewohnte und daher womöglich verängstigende Gefühl der freien Fahrt, das in Göttlich den Mechanismus auslöste, die Bremse betätigen zu wollen. Stattdessen sind es die Leistungen des schnell an die Spitze gestürmten Zweitligateams und insbesondere deren öffentliche Einordnung.

FC St. Pauli ungeschlagener Tabellenführer

Es ist nicht nur die Tatsache, dass St. Pauli ungeschlagen die Tabelle vor dem HSV anführt, sondern die Art und Weise wie. Die Mannschaft von Cheftrainer Fabian Hürzeler (30) überzeugt mit ihrem dominanten Spielstil, beherrscht ihre Gegner regelmäßig. In bislang keiner Begegnung waren die Hamburger das schlechtere Team.

„Ich glaube, die können es nicht mehr hören. Bei uns war es auch so. Wir haben es vor einem Jahr auch immer gehört. Es ist aber so. Das war die beste Mannschaft“, sagte Lukas Kwasniok, Chefcoach des SC Paderborn, erst am vergangenen Sonnabend nach dem 2:2 gegen St. Pauli.

Göttlich: "Wissen, woher wir kommen"

Dass dieses Remis bei einem nominell und auch formstarken Aufstiegsaspiranten für Kritik an der nachlässigen Leistung der Kiezkicker sorgte und andererseits die Elogen auf das Team von anderen externen Beobachtern kaum abreißen, nutzte Göttlich nun, um einen Gang zurückzuschalten.

„Wir haben zehn Spieltage hinter uns, es ist erst knapp ein Drittel der Saison gespielt. Dass wir über Phasen gut gespielt haben, gab es in der Vergangenheit öfters, wir wissen, woher wir kommen“, sagt der Vereinsboss, unter dessen Regie sich starke Hin- mit schwachen Rückrunden abwechselten und umgekehrt.

Hürzeler gibt Aufstieg als Ziel aus

Die beste Endplatzierung, seit Göttlich 2014 ins Amt kam, war ein vierter Platz 2015/16. „Daher ist es unser großes Ziel, über eine gesamte Saison konstant guten Fußball zu spielen und zu punkten.“

Im Gegensatz zu Hürzeler, der in der Vorwoche betonte, „hungrig auf die Bundesliga“ zu sein, gibt Göttlich den Aufstieg nicht als direktes Ziel aus. Zu forsch zu sein, ist eben nicht „St.-paulianisch“, um eine der liebsten Adjektivschöpfungen des obersten St. Paulianers zu verwenden.

St. Pauli hört nicht auf die Schönredner

Dafür gebe es außerdem noch zu viele Unwägbarkeiten und Potenziale. „Uns ist bewusst, wie stark der Wettbewerb in der Zweiten Liga ist. Den Ersten und Tabellen-15. trennen nur acht Punkte.“

Den Fehler, sich von überschwänglichem Lob den Kopf verdrehen zu lassen, werde niemand machen. „Wir werden nicht von diesem Weg abrücken und uns nicht von Schönrednern sagen lassen, was alles so toll bei uns läuft“, sagt der 47-Jährige. Im Gegenteil: Dies sei ein Ansporn, erst recht in Frage zu stellen, „in welchen Bereichen wir besser werden können“.

Auch die Hamburger können Probleme bekommen

Ein mögliches Feld, auf dem Arbeit vor Hürzeler und seinem Trainerteam liegt, deckte Kwasnioks SC Paderborn auf. Die Ostwestfalen zogen sich vergleichsweise tief zurück, machten vor allem das Zentrum dicht und engten so die Kreise der Spielgestalter Marcel Hartel sowie Jackson Irvine ein.

St. Pauli hatte zunächst Schwierigkeiten, verlor zu häufig den Ball, fand später aber Lösungen, als Hürzeler die Formation veränderte, um eine Überzahl auf den Außenbahnen zu kreieren. „Ich habe nicht das Gefühl, dass sie individuell eine Übermannschaft sind. Das ist klar die Handschrift des Trainers“, lobte Kwasniok seinen Gegenüber.

Doch der Spielraum für Fehler ist gering. Göttlich versucht, die Sinne dafür zu schärfen: „Derjenige, der zuerst die Konzentration verliert, weil er glaubt, etwas erreicht zu haben, wird nicht erfolgreich sein.“ Gelingt dies, kann St. Pauli vermutlich niemand mehr ausbremsen.