Hamburg. Kiezkicker verhandeln nicht mehr mit Agenturen von Nachwuchsspielern. Welche konkreten Angebote der U-17-Europameister hatte.

Mit einigem Stolz warb der FC St. Pauli Anfang Juni auf seiner Webseite für sein Nachwuchs-Leistungszentrum (NLZ): „Wo Europameister ausgebildet werden“ hieß es da. Kurz zuvor war der 17 Jahre alte Eric da Silva Moreira aus der eigenen U-19-Mannschaft mit dem deutschen Nationalteam U-17-Europameister geworden.

Und als der Profikader mit der Vorbereitung auf die Zweite Liga begann, war da Silva Moreira dabei, er durfte mit Marcel Hartel, Eric Smith und den anderen trainieren. Ein Vierteljahr später ist der talentierte Außenbahnspieler nirgends mehr zu sehen.

FC St. Pauli: U-17-Europameister da Silva Moreira abgetaucht

Er trainiert nicht mehr bei den „Großen“, er hat noch keine Partie in der U-19-Bundesliga bestritten. „Eric bringt viele Voraussetzungen mit, um den Sprung in den Profi-Fußball zu schaffen. Derzeit trainiert er bei der U19 und wird dort sicherlich auch wieder spielen“, teilte der Verein auf Nachfrage wenig sagend mit.

Der junge Mann steht bei St. Pauli bis Sommer 2024 unter Vertrag. Nach Abendblatt-Informationen hatte er im Sommer eine Anfrage vom VfB Stuttgart vorliegen und ein konkretes Angebot vom 1. FC Union Berlin, das er gerne annehmen wollte. Union soll unbestätigten Gerüchten zufolge sogar knapp eine Million Ablöse geboten haben. Der Wechsel kam jedoch nicht zustande – seitdem scheint das Tischtuch zwischen dem Club und dem Spieler zerschnitten.

„ FC St. Pauli beendet am NLZ die Zusammenarbeit mit Beratern.“

Eric da Silva Moreira hat einen Berater, der ihm und der Familie hilft, sich auf dem Weg ins Profigeschäft zurechtzufinden. Der aber wird in Zukunft kein Gehör mehr finden bei NLZ-Leiter Benjamin Liedtke.

Das erklärte der Verein am Dienstag einer überraschenden Mitteilung: „Der FC St. Pauli beendet am NLZ die Zusammenarbeit mit Beratern.“ Das gilt für alle minderjährigen Spieler.

St. Pauli geht bisher einmaligen Schritt im deutschen Profifußball

Damit geht St. Pauli einen im deutschen Profifußball bislang einmaligen Schritt. Denn um talentierte Kinder und Jugendliche teilweise schon ab zwölf Jahren ist seit Jahren ein Bieterwettkampf der NLZ deutschlandweit entbrannt. Die NLZ beispielsweise vom VfL Wolfsburg oder RB Leipzig argumentieren nicht nur mit der guten Ausbildung, wenn sie Talente holen wollen.

Selbstverständlich gibt es deshalb zahlreiche Berater unterschiedlicher Seriosität, die sich schon um Minderjährige bemühen. Es ist ein lukratives Geschäft. Bei Google finden sich diverse Agenturen, die explizit auch für Jugendliche ihre Dienste anbieten.

Einige Berater halten den Beschluss für eine „PR-Maßnahme“

„Der Verein positioniert gegen die Kapitalisierung des Jugendfußballs und will den partnerschaftlichen Dialog mit Spielern und deren Umfeld stärken“, begründet St. Pauli, warum der Club künftig nicht mehr mit Beratern, Agenturen und kommerziellen Individual-Trainern zusammenarbeiten will. NLZ-Leiter Benjamin Liedtke, der sieben Teams zwischen U12 und U19 organisiert, erklärt demnach: „Wir setzen auf den partnerschaftlichen Dialog mit den Spielern und deren Familien und persönlichen Umfeld.“

Von „naiv“ über „PR-Maßnahme“ bis zu „nicht durchsetzbar“ reichen die Reaktionen von Spielerberatern gegenüber dem Abendblatt, die aber allesamt nicht zitiert werde möchten. „Ich glaube nicht, dass sich dadurch großartig etwas verändert“, sagte einer, „die Topspieler werden sich weiterhin einen Berater suchen.“

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Der FC St. Pauli weiß natürlich, dass er bei den ganz großen Clubs (finanziell) nicht mithalten kann. Sich deshalb bewusst abzugrenzen, macht also Sinn. Dazu gehört auch das vor einem Jahr verabschiedete Konzept unter dem Motto: „Ein anderer Jugendfußball ist möglich – die Rebellution“. Es mag auch Eltern ansprechen, die die Kommerzialisierung des Jugendfußballs eher kritisch sehen.

Das Konzept setzt den Schwerpunkt auf die Ausbildung und umfassende Betreuung von Talenten aus der Metropolregion Hamburg. Die im neuen Schuljahr gestartete Zusammenarbeit mit der Ida-Ehre-Schule und der erfolgreichen Nachwuchsabteilung des Eimsbütteler TV ist dafür ein erfolgversprechender Schritt.