Hamburg. Der Ausbau des Trainingszentrums wird am Mittwoch vorgestellt. Leiter Liedtke und Seeger haben ein klares Konzept.
Benjamin Liedtke (34) druckste ein wenig herum, als es im Gespräch mit dem Abendblatt um die Zukunft des Nachwuchsleistungszentrums des FC St. Pauli am Brummerskamp in Schnelsen ging. Ja, hmmm, damit beschäftigen sich andere, er wisse nicht so genau, meinte der Leiter eben dieser braun-weißen Nachwuchsschmiede. Nun gut. Mittlerweile ist klar, woher diese Zurückhaltung kam.
An diesem Mittwoch stellt der Verein öffentlich „wegweisende Veränderungen“ für das Trainingsgelände an der Kollaustraße vor. Neben Präsident Oke Göttlich und Sportchef Andreas Bornemann sitzt dann unter anderem auch Innen- und Sportsenator Andy Grote mit auf dem Podium. Ein Hinweis darauf, dass es nun bald ernst wird.
FC St. Pauli: Anlage soll vergrößert werden
Schon länger existieren Pläne, die Trainingsstätte für die Profis und das NLZ räumlich zueinanderzuführen. Von drei auf sieben Trainingsplätze soll die Anlage nach den Vorstellungen des Vereins vergrößert werden. Dazu käme ein weiteres Funktionsgebäude für das NLZ. Dass die Stadt bei diesem Millionenprojekt auch finanziell mit ins Boot geholt wurde, lässt die Anwesenheit von Finanzsenator Andreas Dressel und Kay Gätgens, dem Bezirksamtsleiter von Eimsbüttel, vermuten.
Der FC St. Pauli hatte schließlich angesichts der Forderung der DFL nach vier Trainingsplätzen nur für den Nachwuchs schon mit einem Umzug auf niedersächsisches Terrain – ja, was eigentlich: geflirtet, gedroht, geplant? Jedenfalls wäre das für Hamburg ein verheerendes Signal gewesen. Es gab auch die Idee, das Projekt im Gewerbegebiet Fischbeker Reethen zu realisieren. Auch dazu kommt es jetzt nicht – und Liedtke sowie der sportliche NLZ-Leiter Fabian Seeger (38) können zukunftssicher die Ausbildung von Jungprofis angehen.
Liedtke und Seeger Leiter des NLZ
Liedtke ist seit Juli (organisatorischer) Leiter des NLZ, nachdem er nach dem Abgang von Roger Stilz vor rund einem Jahr zunächst kommissarisch verantwortlich war. Seit dem 1. Januar ist auch Fabian Seeger (38) als gleichberechtigter sportlicher Leiter dabei. Die Talentschmiede des Kiezclubs ist damit organisatorisch neu aufgestellt und soll (in neuer Heimat) auch inhaltlich reformiert werden. „Roger war zwar Leiter NLZ, es gab aber noch zusätzlich einen administrativen Leiter“, erklärt Liedtke, „die Organisation ist nicht vom sportlichen Bereich zu trennen. Wir versuchen, alles gemeinsam zu denken.“
Fabian Seeger war in den vergangenen zehn Jahren zunächst als Stützpunkt- und Auswahltrainer beim Hamburger Fußballverband und ab 2017 als DFB-Stützpunktkoordinator für Hamburg tätig. Der A-Lizenztrainer hat dadurch einen genauen Überblick und ist bestens vernetzt im Hamburger Fußball. Damit passt er exakt zur neuen „Philosophie“ beim FC St. Pauli: „Wir wollen uns auf Hamburger Spieler konzentrieren“, sagt Liedtke: „Wir haben hier einen großen Talentpool, den wir nutzen wollen.“ Die Konkurrenz durch den HSV fürchten sie nicht, die Stadt sei groß genug. Toptalente aus der ganzen Republik „einzukaufen“ ist nicht das Ziel, ein Internatsneubau nicht geplant.
Spieler sollen sich klar zu Verein bekennen
Stattdessen geht es um: Identifikation. „Wichtig ist uns, dass sich ein Spieler klar zu uns bekennt und den ganzen Weg mit uns gehen möchte“, sagt Liedtke. „Mir geht es im Gespräch mit dem Spieler darum, dass er Lust auf den FC St. Pauli und unseren Weg hat.“ Ein gelungenes Beispiel für solch einen Weg ist Igor Matanovic. „Ich kenne ihn seit der U 9. Er hat sich immer zu diesem Club bekannt“, erzählt Liedtke, „wir konnten ihn den ganzen Weg begleiten. Er wusste, wir lassen ihn nicht fallen, auch wenn es mal nicht läuft.“
Die U-11-Mannschaft hat der FC St. Pauli zur neuen Saison abgemeldet, erst ab der U 12 wird sich das NLZ um Toptalente kümmern. Die Arbeit mit den ganz Kleinen sollen Breitensportvereine leisten, die als Kooperationspartner gelten. „Kooperation heißt nicht, dass wir Bälle rüberschicken und die Kids mal Einlaufkinder seien dürfen“, erklärt Liedtke, „wir führen regelmäßig Trainerfortbildungen durch und versuchen, den Kindern mit unseren Ideen und Werten Lust auf den FC St. Pauli zu machen.“
Einige Spieler verlassen Verein schon im Jugendalter
Dass Spieler aus dem NLZ auch schon im Jugendalter gehen, ist dennoch kaum zu vermeiden. „Am Anfang habe ich das persönlich genommen“, sagt Liedtke. Wenn aber Jugendspieler wie Youssoufa Moukoko, Sam Schreck oder Kilian Ludewig warum auch immer woandershin wollen, dann müsse man diese persönliche Entscheidung akzeptieren. „Auf die Konkurrenz haben wir keinen Einfluss, wir müssen uns auf uns konzentrieren.“
Für Seeger geht es auch darum, nicht nur die Spieler, sondern auch die Coaches zu entwickeln. Hervorragende Trainer sind gerade in der Jugend die Voraussetzung für hervorragende Spieler. „Das alles hört ja nicht auf dem Platz auf, sondern muss ganzheitlich abgestimmt sein“, sagt er, „da geht es auch um Psychologie, Pädagogik und organisatorische Rahmenbedingungen.“ Die Ausbildung „nachhaltiger aufzustellen“ ist auch der Wunsch des Vereins. Andreas Bornemann und Carsten Rothenbach, der sportliche Leiter der U-23-Regionalligamannschaft, tragen das Konzept mit – „der Austausch ist hervorragend“. Dass Cheftrainer Timo Schultz selbst aus dem NLZ hervorgegangen ist, hilft ebenfalls.
FC St. Pauli: Kritik an Auf- und Abstieg im Jugendbereich
So wollen sie im neuen NLZ des FC St. Pauli versuchen, die bislang geltenden „Gesetze des Marktes“ so weit zu hinterfragen und zu ändern, wie es möglich ist. „Wir wollen ein Mehr an Ausbildung und ein Weniger an Selektion“, sagt Liedtke. Denn die Spieler – und die Trainer – befinden sich bereits in einem brutalen Leistungskampf. „Das liegt auch an den Spielformen, an Auf- und Abstieg“, findet Liedtke. „Da geht es um Ergebnisse aber in den seltensten Fällen darum, dass der Spieler und seine Ausbildung im Mittelpunkt stehen."
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Am liebsten wäre ihm im Sinne einer kontinuierlichen Ausbildung, dass es keine Auf- und Abstiege gibt. Aber so ist es nicht: „Wir wollen mit unserer U 17 und U 19 in der Bundesliga spielen, um den bestmöglichen Wettbewerb herzustellen“, sagt Liedtke. „Die Endplatzierung spielt eine untergeordnete Rolle.“ Wichtiger ist, dass am Ende Spieler für den FC St. Pauli entwickelt werden. „Der Profifußball ist ein kurzfristiger Bereich, es geht um unmittelbaren Erfolg“, sagt Liedtke, „bis aber Dinge im Nachwuchsbereich wirksam werden, die wir jetzt implementieren, vergehen möglicherweise drei bis vier Jahre. Die Zeit müssen und wollen wir uns nehmen.“
Mittelfeldspieler Jackson Irvine (28) spielte beim 2:2 im WM-Qualifikationsspiel seiner australischen Nationalmannschaft im Oman über die gesamte Dauer der Partie.