Hamburg. Das vierte Remis in Serie unterstreicht, dass bei den Hamburgern Aufwand und Nutzen momentan nicht im Einklang miteinander sind.

Im siebten Himmel war Elias Saad bereits, bevor er am Sonntagmorgen in den irdischen Himmel aufstieg. Von Frankfurt am Main aus flog der Linksaußen nach Tunis, um zur tunesischen Nationalmannschaft zu stoßen. Die ersten Länderspiele für das Heimatland seiner Eltern stehen an, wahrgewordene Träume.

Derweil lag die Stimmung auf der entgegengesetzten Außenbahn am Boden. Am Sonnabend bestätigte sich nach eingehenden Untersuchungen die Befürchtung, dass sich Scott Banks nach einem eigenen Foul im Spiel bei Eintracht Braunschweig am Freitagabend das Kreuzband im rechten Knie gerissen hat. Eine höllische Diagnose für den Schotten.

St. Pauli in Braunschweig wieder nur Unentschieden

Und der Verein des Duos, der FC St. Pauli? Befindet sich auch zu Beginn der wegen der Länderspielpause pflichtspielfreien Woche gefühlsmäßig irgendwo dazwischen.

Das 1:1 in Braunschweig war das vierte Remis in Serie. Damit bleiben die Hamburger zwar auch im fünften Zweitligaspiel ungeschlagen, laufen ihren Ansprüchen aber immer weiter hinterher.

Saisonaus für Banks

Vor allem die Art und Weise seit dem Auftaktsieg beim 1. FC Kaiserslautern (2:1) wirft Fragen auf. Das Team bestimmt die Partien, hat ein deutliches Chancenplus, geht aber stets mit verlorenen Punkten aus den Begegnungen. Was fehlt St. Pauli?

Wer fehlt, lässt sich bereits beantworten: Banks dürfte für die restliche Saison ausfallen. Über die weitere Vorgehensweise befinden sich der Spieler, die medizinischen Abteilungen und die Verantwortlichen des FC St. Pauli sowie Banks‘ Stammverein Crystal Palace, von dem der 21-Jährige ausgeliehen wurde, im Austausch.

Saad für Tunesien zum Afrika-Cup?

Saad wiederum dürfte, wenn alles glatt geht, zu Beginn des nächsten Jahres fehlen, wenn er mit Tunesien am Afrika-Cup teilnimmt und seinem Club dann je nach sportlichem Abschneiden für einige Zweitligapartien nicht zur Verfügung stehen wird. Aber das ist Zukunftsmusik.

Die Musik, die am Freitagabend in Braunschweig erklang, besaß eine gewisse Tiefgründigkeit. Ein Dudelsackspieler hatte sich nach Ende des Matches vor dem Eintracht-Stadion postiert. Die Trauermelodie zur vermutlich beendeten Saison von Banks, in der aber auch eine Botschaft versteckt zu sein schien: Selbst ein schottischer Highlander reicht St. Pauli derzeit nicht, um dauerhaft Spiele zu gewinnen.

Hürzeler frustriert

„Sehr schwer“, so die kurze Antwort von Cheftrainer Fabian Hürzeler, falle es ihm, den abermaligen Punktverlust zu akzeptieren. Vom „mit Abstand frustrierendsten aller Spiele“ sprach Kapitän Jackson Irvine. Sein Mittelfeldkompagnon Marcel Hartel meinte: „Dass wir erst sieben Punkte haben, ist unglaublich. Das steht in überhaupt keinem Verhältnis.“

Erneut ging die Kosten-Nutzen-Rechnung nicht auf. Der Kiezclub besitzt wöchentlich ein Übergewicht im Ballbesitz, in der Dominanz, bei den Torschüssen, den Kontakten im gegnerischen Strafraum – in nahezu allen relevanten Offensivstatistiken.

Chancenqualität nicht hoch genug

Also ein Grund, entspannt zu bleiben, weil das ertraglose Chancenplus nur auf eine Pechsträhne hindeutet? Keineswegs. Denn offensichtlich ist auch, dass die Qualität der Möglichkeiten deren Quantität deutlich hinterherhinkt. Auch hierfür gibt es aussagekräftige Zahlen.

Was im Übrigen auch bedeutet, dass der am Freitag zum Ende des Transferfensters noch verpflichtete Simon Zoller allein nicht die Lösung aller Probleme ist. Selbst ein arrivierter Erstliga-Mittelstürmer muss erst einmal in die Position gebracht werden, seine Klasse vor dem gegnerischen Tor auszuspielen.

Zoller "letztes Puzzleteil"

Das muss er aber auch gar nicht, versicherte Sportchef Andreas Bornemann, dem der Transfercoup in letzter Sekunde gelungen war. „Simon ist ein zu unserer Spielweise passender mobiler Stürmer. Vielleicht ist er das Puzzleteil, das noch gefehlt hat“, sagte Bornemann. Der 32 Jahre alte Routinier ist ein weiterer Akteur, um dem Ziel, die Torlast auf mehrere Schultern zu verteilen, näher zu kommen.

Dass die Treffer fehlen, ist zwar auch Bornemann bewusst, er sieht es jedoch als Frage der Zeit an, bis sich dies ändert. „Wir müssen einfach an unserer Spielweise festhalten. Die Mannschaft darf den Glauben daran nicht verlieren, nur weil wir uns derzeit nicht mit Siegen belohnen“, sagte der 51-Jährige.

Zu wenig Risiko in der Offensive

Die besagte Spielweise führt St. Pauli momentan weit, aber nicht weit genug. Zu häufig fehlt es an der Präsenz im Strafraum, in Braunschweig nach dem zwischenzeitlichen 1:0 an Geschwindigkeit und „Konsequenz“, wie Hürzeler es bezeichnete. „Da hatten wir zu viele Ballverluste. Die Räume waren in diesen Momenten da, und wir müssen viel klarer spielen“, sagte der 30-Jährige frustriert.

Immerhin könnte ihm die zweiwöchige Pause, in der mindestens ein Testspiel angesetzt wird, die Möglichkeit bieten, noch direktere Auswege herauszuarbeiten. Der Ansatz der Gegner dürfte sich zumindest auf absehbare Zeit nicht ändern. „Wir treffen permanent auf tief stehende Mannschaften. Das ist dann die höchste Kunst, Lösungen dagegen zu finden“, sagte Bornemann.

Bornemann: "Verteidigung gewinnt Meisterschaften"

Eine Variante könnte es sein, das Risiko im Angriff zu erhöhen. Das würde jedoch ermöglichen, dass die Kontrahenten bekommen könnten, was auch ihnen fehlt: die Tore. Zur ganzen Wahrheit der Resultatskrise der Hamburger gehört nämlich auch, dass sie über eine herausragende Verteidigung verfügen.

Sieben Zähler aus fünf Partien wirken angesichts von nur zwei Gegentoren jedenfalls noch absurder. „Das Sprichwort, dass die Defensive Meisterschaften gewinnt, kommt nicht von Ungefähr“, sagte Bornemann.

Ob er das M-Wort nun bewusst benutzt hat, bleibt sein Geheimnis. Die Distanz zwischen Himmel und Hölle ist beim FC St. Pauli jedenfalls dieser Tage schnell überbrückt.