Braunschweig. Das 1:1 bei Eintracht Braunschweig wirft ein Brennglas auf die Probleme. Stürmer Banks verletzt sich am Knie.

Es war schon Abend geworden, als im Braunschweiger Eintracht-Stadion allmählich deutlich wurde, dass ein „Messias“ allein nicht reicht. Das Transferfenster hatte sich gute zweieinhalb Stunden zuvor geschlossen, als der FC St. Pauli nur mit einem 1:1 (0:0) aus dem Duell mit den Gastgebern ging. Und Simon Zoller, der späte Coup des FC St. Pauli auf dem Transfermarkt, dürfte in diesem Moment beobachtet haben, dass selbst ein gestandener Bundesligaprofi allein nicht genügt, um die hohen Ziele seines neuen Clubs zu erfüllen. Ein Torjäger tut gut, sicher. Aber es braucht noch mehr, das wurde vor 21.290 Zuschauern erneut ersichtlich.

Beide Fanlager protestierten nach dem Anpfiff gegen zu hohe Eintrittspreise

So liefert selbst ein geschlossenes Fenster offene Fragen. War es nach Zollers Ankunft das vorerst letzte Mal, dass Andreas Albers das Sturmzentrum von Beginn an besetzt? Ist die Harmlosigkeit im Angriff ein personelles oder eben ein strukturelles Problem? Oder sogar beides?

Schnell war hingegen die Frage beantwortet, dass St. Pauli nicht viel länger auf ein Ende der torlosen Durststrecke warten wollte. Marcel Hartel (5.) und Eric Smith (10.) gaben direkt Warnschüsse in Richtung gegnerisches Tor ab. Apropos: „Letzter Warnschuss… Topspielzuschläge abschaffen. Jetzt!“, prangte auf einem großen Banner im Eintracht-Block, mit dem die Ultras der Gastgeber gegen den Aufschlag von mindestens vier Euro pro Eintrittskarte protestierten. Die Gästefans beteiligten sich an der Aktion, besetzten in den ersten fünf Minuten ihren Tribünenblock nicht und ließen es deutlich gemächlicher angehen als ihre Mannschaft.

Eintracht Braunschweig überlässt dem FC St. Pauli das Mittelfeld

Dieser überließen die Niedersachsen praktisch kampflos den Ball, zogen sich tief in die eigene Hälfte zurück. Nur punktuell probierte Braunschweig, mit einem hohen Angriffspressing zu überraschen. Netter Versuch gegen eine derart spielstarke Innenverteidigung wie die des FC St. Pauli. Doch ein Fenster durch die einträchtige Defensivreihe der Löwen öffnete sich bei aller Spielkultur lange Zeit nicht.

Allenfalls ein Schlüsselloch, durch das die Hamburger mit Distanzschüssen zu schlüpfen versuchten. Nun sind Weitschüsse beim bestausgebildeten Personal im Fußball keine nachhaltig erfolgsträchtige Strategie. Mitunter fehlte es den Kiezkickern allerdings auch, den Strafraum – fußballdeutsch: die Box – zu besetzen. Albers mühte sich zwar dort erneut, lief fleißig an und war wieder ins Spiel eingebunden – hatte jedoch abermals kein Glück beim Abschluss. Also: fünftes Saisonspiel, fünftes 0:0 zur Halbzeit.

Trainer Hürzeler und Sportchef Bornemann beklagen Braunschweigs rüde Gangart

Ein Geduldsspiel, ein Nervenspiel. Sowohl Trainer Fabian Hürzeler als auch Sportchef Andreas Bornemann liefen genervt den vierten Offiziellen an, um sich über die rüde Gangart der Platzherren sowie die undurchsichtige Linie bei der Kartenvergabe durch Schiedsrichter Florian Lechner zu beschweren. Das Duo war sichtlich genervt, die St.-Pauli-Fans nervten kurz nach dem Seitenwechsel mit Tennisballwürfen aufs Spielfeld.

Dann hatte Kapitän Jackson Irvine seinen genialen Moment, als er einmal über den Strafraum ans Fünfmetereck zu Elias Saad flankte (59.). Der nicht in den Griff zu bekommende Kreativmann kurvte einmal, kurvte ein zweites Mal und schloss mit dem rechten Fuß ins untere linke Eck ab. 344 quälende Minuten exklusive Nachspielzeit ohne eigenen Treffer hatten endlich ihr Ende gefunden.

Elias Saad hatte Beinschuss in den vergangenen Tagen im Training geübt

„Den Beinschuss habe ich in den vergangenen Tagen im Training geübt. Nach dem Treffer fühlte ich pure Erleichterung“, erzählte Saad nach dem Spiel. „Schade, dass wir dann noch völlig unnötig den Ausgleich kassieren.“ Mit dem Führungstor gab Hürzeler sein System zunächst recht. St. Pauli hatte das Spiel bis dahin beherrscht, auch die wenigen halbwegs brenzlichen Situationen schnell gelöscht, bespielte die Blau-Gelben auf allen Positionen.

Ein wenig mehr Tempo im Angriffsspiel, so schien es, hätte den Braun-Weißen danach dennoch gut getan. Eintracht musste die bis dahin ungewohnte Rolle des offensiveren Parts übernehmen, sich dadurch bietende Räume nutzte St. Pauli allerdings selten aus. Es stand eben nur 1:0, und auf eine ewig währende Gegentorlosserie sollte sich niemand verlassen.

FC St. Pauli tat nach dem Führungstreffer zu wenig für einen Sieg

St. Pauli lehnte sich zu sehr zurück, und der kurz zuvor erst eingewechselte Isländer Thorir Johann Helgason feuerte vom Sechszehner ein Geschoss ab, das auch locker auf seiner Heimatinsel hätte landen können, vorher aber von den Tormaschen hinter Keeper Nikola Vasilj gebremst wurde (80.). Anschließend gelang es dem Aufstiegsaspiranten nicht mehr, den Schalter wieder voll auf Offensive umzulegen.

Stattdessen wurde es sogar noch tragisch. Joker Scott Banks, ein ganz feiner, weltoffener 21 Jahre alter Schotte, verdrehte sich das Knie, musste auf einer Trage vom Spielfeld gehievt werden. „Ich befüchte Schlimmes“, sagte Trainer Hürzeler.

Der Rechtsaußen dürfte mindestens die kommenden Wochen fehlen. Seine Position ist allerdings gut besetzt – unter anderem kann sie ein gewisser Simon Zoller spielen. Aber, dass der allein nicht reicht, ist seit Freitagabend offenkundig.