Hamburg. Für die dritthöchste Ablösesumme der Vereinsgeschichte des Kiezclubs wechselt nach Kroate nach Amsterdam. Was mit dem Geld passiert.

Knapp fünf Stunden Fahrtzeit über die deutsche A1 sowie die niederländische A1 hatte Jakov Medic am Freitag Zeit, um zu begreifen, was sein Wechsel zum 1-a-Club im Land seiner neuen Wahlheimat für ihn bedeuten wird. Am Nachmittag stand dann laut niederländischen Quellen der umfangreiche Medizincheck an.

Der Vertrag, auf dessen Briefkopf das ikonische Logo Ajax Amsterdams prangt, wird voraussichtlich an diesem Sonnabend unterschrieben. Wenn der FC St. Pauli am selben Tag um 13 Uhr (Sky) Fortuna Düsseldorf zum ersten Heimspiel der Saison im Millerntor-Stadion empfängt, dürfte Medic bereits Spieler des niederländischen Rekordmeisters sein.

Amsterdam zahlt St. Pauli fast drei Millionen Euro

Bevor es zu den harten Fakten geht, sei zunächst kurz die emotionale Seite beleuchtet, denn für den Kroaten geht damit sicherlich ein Kindheitstraum in Erfüllung, für den er Jahrzehnte unerbittlich gearbeitet hat: Erstklassig in einer der Topligen Europas, Teilnahme an der Europa League, Heimspiele in der Johan-Cruyff-Arena und dazu die große Chance, sich in den Kader seines Heimatlandes für die EM 2024 in Deutschland zu spielen, in den es auf dem Balkan traditionell so gut wie keine Zweitligaspieler schaffen.

St. Pauli wiederum erhält im Gegenzug eine Summe, mit der sich so mancher sehr guter Zweitligaspieler akquirieren ließe. Nach Abendblatt-Informationen dürfte sich Ajax den Transfer mindestens 2,5 Millionen Euro plus Boni kosten lassen, zahlt damit über Marktwert des Innenverteidigers, der laut des Portals transfermarkt.de bei zwei Millionen Euro liegt.

Dritthöchste Verkaufssumme der Vereinsgeschichte

Die Hamburger willigten am Donnerstagabend ein. Der Preis für einen Akteur, dessen Vertrag am Ende dieser Saison ausgelaufen wäre, kann sich sehen lassen. Nur für Daniel-Kofi Kyereh (für 4,5 Millionen Euro zum SC Freiburg) und Marcel Halstenberg (3,5 Millionen Euro/RB Leipzig) hatte der Kiezclub zuvor mehr kassiert.

Bundesliga-Aufsteiger 1. FC Heidenheim, der in den Tagen zuvor konkretes Interesse an Medic hatte, konnte einen solchen Transfer wohl nicht stemmen. Amsterdam konnte – und Sven Mislintat wollte. Schon im Vorjahr, da noch als Sportdirektor des VfB Stuttgart, hätte der 50-Jährige Medic gern verpflichtet.

Ajax Amsterdam hat große Ziele

Der Kiezclub forderte jedoch über drei Millionen Euro, was angesichts der sportlichen Qualität und des noch zwei Jahre laufenden Vertrags des Spielers nachvollziehbar war. Eine Einigung kam nicht zustande.

Seit Mai dieses Jahres ist Mislintat – Spitzname „Diamantenauge“ – Sportchef bei Ajax und hat den Auftrag sowie das Kapital, den enttäuschenden dritten Platz hinter Meister Feyenoord Rotterdam und Pokalsieger PSV Eindhoven aus der vergangenen Saison sowie die dadurch verpasste Champions-League-Qualifikation vergessen zu machen. Erst am Donnerstag hatte er für acht Millionen Euro Torwart Diant Ramaj (21) von Eintracht Frankfurt erworben.

Wunschspieler von Mislintat

Zu Beginn dieser Woche stieg er in den Poker um Medic ein, an dessen Ende tatsächlich irgendwie alle Parteien bekamen, was sie wollten: Medic seine Chance in der Ersten Liga, Mislintat seinen Wunschspieler und St. Pauli eine angemessene Überweisung.

Die Erfolgsgeschichte Medic, der beim Amsterdamsche Football Club Ajax zunächst noch keinen Stammplatz haben dürfte, ist auch die einer Symbiose mit Andreas Bornemann, der ihn schon 2018 zum 1. FC Nürnberg II geholt hatte und 2021 ablösefrei vom SV Wehen Wiesbaden ans Millerntor.

Bornemann förderte Medic

St. Paulis Sportchef sah etwas im gebürtigen Zagreber und holte viel aus ihm und für den Kiezclub heraus: Zwei Saisons, in denen Medic zu zwei fünften Plätzen beitrug, sowie eine hohe Ablösesumme, auf deren Gegenseite lediglich zwei Jahresgehälter, die sich bei einem aus der Dritten Liga gekommenen Akteur eher im unteren Gefüge der Mannschaft befunden haben dürften, stehen.

Die Hamburger selbst kommentierten den bevorstehenden Transfer in die Niederlande am Freitag zunächst nicht, schrieben nur auf ihrer Internetseite: „Der FC St. Pauli hat Abwehrspieler Jakov Medic für Verhandlungen über einen möglichen Transfer vorerst freigestellt. Daher nimmt Medic am Freitag nicht am Abschlusstraining vor dem Heimspiel gegen Fortuna Düsseldorf teil. Auch bei der Partie selbst wird der 24-Jährige nicht im Kader stehen.“

Nemeth und Wahl Medic-Ersatz

Auf dieses Szenario war der Verein vorbereitet. Kurzfristig wie langfristig. Bereits unter der Woche, noch bevor Ajax zur ernsthaften Option für Medic wurde, soll Cheftrainer Fabian Hürzeler David Nemeth anstelle des Kroaten im Training in der Stammformation getestet haben. Die Verpflichtung von Hauke Wahl in diesem Sommer war zudem zwar einerseits logisch, wenn ein in Hamburg lebender Innenverteidiger von gutem Zweitligaformat ablösefrei verfügbar wird, andererseits jedoch bereits eine Versicherung für einen Medic-Abflug.

Zumal St. Pauli auch im Vorsommer Nemeth nicht für 1,3 Millionen Euro – die zweithöchste Ablöse der Clubhistorie nach den 1,38 Millionen Euro für Ugur Inceman 2001 – vom FSV Mainz 05 gekauft hat, um den hoch veranlagten Defensivakteur, der Großteile der vergangenen Saison wegen einer Schambeinentzündung verpasst hatte, auf der Bank schmoren zu lassen.

St. Pauli sucht noch einen Mittelstürmer

Ebenso wenig auf der Bank schmoren dürfte das für Medic eingenommene Kapital. Es ist davon auszugehen, dass St. Pauli nach zuvor vier ablösefreien Verpflichtungen (Wahl, Philipp Treu, Andreas Albers, Danel Sinani) sowie des Ziehens der Kaufoption des bereits ausgeliehenen Karol Mets in diesem Transfersommer erstmals mit geöffnetem Portemonnaie auf den Markt gehen wird.

Priorität dürfte ein Mittelstürmer haben, wenngleich die vergangene Saison und die Vorbereitung sowie der erste Spieltag der aktuellen untermauert haben, dass es diesen im System Hürzelers nicht zwingend braucht. Auch ist es absolut unrealistisch – siehe St. Paulis Rekordtransfers –, die komplette Medic-Summe wieder zu investieren. Gekauft wird nicht um des Kaufens willen, sondern nur bei passender Qualität. Am Ende soll es nämlich eine 1-a-Lösung werden.

FC St. Pauli: Vasilj – Wahl, Smith, Mets – Saliakas, Irvine, Hartel, Ritzka – Afolayan, Albers, Saad.
Fortuna Düsseldorf: Kastenmeier – Zimmermann, Hoffmann, de Wijs, Gavory – Sobottka, Tanaka – Klaus, Appelkamp, Iyoha – Ginczek.