Hamburg. Die Hamburger gewinnen sämtliche sieben Spiele. Doch Fragen bleiben eine Woche vor dem Saisonstart der Zweiten Liga dennoch bestehen.

Da ist Hauke Wahl gerade erst auch beruflich in seiner langjährigen Schlafstadt angekommen, und schon ist doch wieder alles neu für ihn. Ein Konkurrenzkampf in der Defensive, in dem der Ex-Kapitän von Holstein Kiel sogar den Kürzeren ziehen könnte: fremd. „Aber dieser Herausforderung wollte ich mich auch bewusst stellen“, sagt der 29-Jährige.

Eine Saisonvorbereitung für den FC St. Pauli, die nach dem 3:0 (1:0)-Sieg gegen Hapoel Tel Aviv so blitzsauber lief, wie es nur möglich ist, „obwohl ich kein Fan davon bin, wenn alles zu glatt läuft“: ungewohnt. Und dass dieser Zustand nicht einmal besorgniserregend ist: regelrecht revolutionär. „In dieser Mannschaft habe ich wirklich nicht das Gefühl, dass sich der Schlendrian einschleichen könnte. Darauf würde der Trainer sofort reagieren“, sagt Wahl.

St. Pauli dominiert in der Vorbereitung

Und jener Cheftrainer Fabian Hürzeler weiß nach fünf gemeinsamen Wochen mit seinem Team vor allem eines: „Dass es sich quälen kann.“ Sieben Spiele, sieben Siege – aber auch sieben Gegner, von denen keiner auch nur durchschnittliches Zweitliganiveau besaß. Die Israelis stellten am Sonnabend vor 12.761 Zuschauern im Millerntor-Stadion keine Ausnahme dar.

Welche Rückschlüsse liefert dies im Vergleich zum HSV, der in vier Begegnungen – drei davon gegen Gegner von internationalem Format – nur eine mühsam gegen Landesligist Verden 04 (3:2) gewann? Vermutlich relativ wenige. Immerhin bewältigte St. Pauli jede einzelne dieser Partien auf souveräne Art, für die das Torverhältnis von 29:3 ein Beleg ist.

Saad hat seinen Stammplatz sicher

Hürzeler lieferte einen Einblick, welche Vorzüge die Testphase gegen unterlegene Konkurrenten bietet: „Die Gegner standen zumeist sehr tief gegen uns. Ähnliches wird uns auch während der Saison regelmäßig erwarten, wir werden leiden“, sagte der 30-Jährige, dessen Mannschaft es zuletzt immer besser gelang, Ballgewinne zu erzielen und die Konterabsicherung zu wahren. So wurden Indizien dafür gesammelt, dass St. Pauli stark ist, aber nicht wie stark tatsächlich.

Aussagekraft hat die Vorbereitung in jedem Fall intern geliefert. Und dabei Antworten produziert, beispielsweise dass Elias Saad einen Stammplatz auf Linksaußen sogar sicherer hat als Oladapo Afolayan seinen auf der rechten Seite vor Connor Metcalfe – aber auch zwei drängende Fragen aufgeworfen. Die erste: Wer startet als Linksverteidiger in die Saison? Die zweite: Wie lautet die Lösung im Sturm?

Treu derzeit vor Ritzka

Wobei der Lösungsweg zu Frage eins keiner komplexen Überlegungen bedarf. Derzeit hat mit Philipp Treu die offensivere, die verspieltere Variante den Vorzug. Lars Ritzka wird immer dann interessant, wenn zerstörerische Defensive und gefährliche Flanken gefragt sind. „Auf gar keinen Fall“ lege er sich dauerhaft fest, sagte Hürzeler: „Es wird beim Konkurrenzkampf bleiben.“

Eine Konkurrenzsituation gibt es auch im Sturm, weswegen unter anderem David Otto den Verein verlassen wird. Dass diese jedoch künstlich aus dem Mittelfeld verschärft wird, wirft nicht das günstigste Licht auf die etatmäßigen Offensivkräfte der Hamburger.

Spiel läuft an Albers vorbei

Neuzugang Andreas Albers hat sich bislang jedenfalls nicht als massive Verstärkung erwiesen. Gegen Tel Aviv zog das Spiel weitgehend am Dänen vorbei, sodass Hürzeler in der zweiten Halbzeit Marcel Hartel nach vorn beorderte. „Diese Idee hatte ich schon länger im Kopf. Wir haben diese Variante mit Cello einstudiert, er kann das in dieser Rolle“, sagte der Coach.

Zweifelsohne kann Hartel, wenngleich nicht als Torjäger verschrien, vor allem dank seiner läuferischen und technischen Qualitäten den Job als erster Anläufer gut ausfüllen. Allerdings ist er im Mittelfeld zu wertvoll, sodass Alternativen notwendig wären, die über die nach Abendblatt-Informationen intern diskutierte Überlegung, Innenverteidiger Jakov Medic als Modell Brechstange in speziellen Situationen im Sturmzentrum spielen zu lassen, hinausgehen.

Sturmproblem nicht neu

Das Erstaunliche hieran ist, dass die Frage keineswegs neu ist. Schon in der vergangenen Saison war die Abstinenz eines hochklassigen Mittelstürmers eminent. St. Pauli ging damals zumindest mit theoretischen Torjägern in die Spielzeit.

Johannes Eggestein hatte seine Qualitäten in Vorzeiten bewiesen, Igor Matanovic war intern der Durchbruch zugetraut worden. Nun tummeln sich Angreifer im Kader, von denen keiner in der jüngeren Vergangenheit eine zweistellige Saisonausbeute aufweisen kann, die verletzt (Etienne Amenyido, Maurides) oder blutjung (Bennet Winter) sind.

St. Pauli sondiert den Markt

„Ich bin zufrieden mit dem Kader“, sagt Hürzeler trotzdem, ergänzt jedoch: „Wir sondieren den Markt, und wenn jemand mit passendem Anforderungsprofil verfügbar wird, werden wir aktiv.“ Trotz aller Zweifel an der bestehenden Qualität hat sich Sportchef Andreas Bornemann einen Vertrauensvorschuss verdient.

Die enorme Entwicklung der Kaderqualität seit seiner Amtsübernahme vor vier Jahren spricht für sich. Wer’s anzweifelt, kann bei Wahl nachfragen, der schon in Kiel mit Bornemann zusammenarbeitete. Doch nicht alles neu.