Hamburg. Der Allrounder des FC St. Pauli schwingt sich nun auch noch zum Stürmer auf. Ein Gespräch über Vielseitigkeit und Motorhauben.

Die Sorge, dass er still und heimlich zum HSV gewechselt sei, müsse kein Fan des FC St. Pauli haben, versichert Adam Dzwigala. Obwohl sich der Pole mit seinen muskulären Problemen in der rechten Wade nahtlos in die Wadenverletzungsphalanx des Stadtrivalen einreihen würde. Sei aber alles halb so wild, betont der 25-Jährige, auch hier bestehe kein Grund zur Sorge. Gesprächsbedarf besteht hingegen schon.

Hamburger Abendblatt: Dzien dobry Herr Dzwigala, welches Auto fahren Sie ?

Adam Dzwigala: Einen Volvo.

Ist dessen Motorhaube groß genug, um Verträge darauf zu unterzeichnen?

(lacht) Jetzt verstehe ich, worauf Sie hinauswollen. Ja, der Platz sollte ausreichen. Aber beim nächsten Mal lieber, um einen neuen Vertrag zu unterzeichnen anstelle einer Vertragsauflösung, wie mir das in Portugal widerfahren ist.

Erzählen Sie bitte mal genauer.

Ich hatte im Jahr zuvor einen Dreijahresvertrag bei CD Aves unterschrieben, doch nach einem Jahr ist der Verein in finanzielle Schwierigkeiten geraten, wir waren Tabellenletzter, die Zukunft sah nicht rosig aus. Der Präsident musste sich daher von einigen Spielern trennen, und zur Auflösung haben wir uns auf einem Parkplatz getroffen. Da er keinen Stift dabei hatte, musste ich den in einem benachbarten Laden kaufen. Meine letzte Investition in Portugal. Den Auflösungsvertrag habe ich dann auf der Motorhaube unterzeichnet.

Klang nach einer wilden Zeit dort.

Aber auch eine, die ich nicht bereue. Zu der Zeit hat der Wechsel in eine der damals besten sechs Ligen Europas Sinn ergeben, ich habe wertvolle Erfahrungen gesammelt.

Ehe Sie für knapp ein halbes Jahr arbeitslos waren.

Das war nicht einfach. Tief in mir wusste ich zwar, dass es während einer Pandemie länger dauern wird, bis mich ein Club unter Vertrag nehmen würde, aber ich kann nicht verhehlen, dass es schwierige Momente gab. Es hatte aber auch seine guten Seiten. Ich bin dadurch bescheidener geworden, habe gelernt, dass im Fußball nichts vorhersehbar ist. Ohne harte Arbeit, um jeden Moment bereit zu sein, funktioniert es nicht. Zum Glück konnte ich mich daheim in Polen fit halten, wofür ich sehr dankbar bin.

Dann hat Sie der FC St. Pauli unter Vertrag genommen, seitdem geht es steil aufwärts für Sie, was auch an Ihrer Vielseitigkeit liegt. Gibt es eigentlich eine Position, die Sie nicht spielen können?

Im Tor dürften unsere Keeper noch etwas besser sein als ich (lacht).

Sie spielen in der Regel als Einwechselspieler, oder wenn eine Stammkraft verletzt ist. Das Beeindruckende: Ob als Rechts- oder Innenverteidiger, mitunter Sechser – Sie liefern solide ab. Woher nehmen Sie diese Mikrowellenfähigkeit, direkt heiß zu laufen?

Zum Einen stimme ich nicht zu, dass ich nur spiele, wenn jemand fehlt. In der vergangenen Saison habe ich viele Spiele von Beginn an gemacht und auch dabei meine Leistung abgerufen. Zum Anderen bin ich ein gutes Beispiel für einen Teamspieler. Als ich jünger war, habe ich als Stürmer gespielt, und wenn ich Eins-gegen-eins vor dem Torwart stand, habe ich stets über die Schulter geschaut, ob ein Mitspieler mitläuft, um ins leere Tor einzuschieben.

Das ist in jüngeren Jahren ungewöhnlich. Woher kommt das?

Mein Vater Dariusz war auch Profi und hat im Mittelfeld gespielt, immer viele Vorlagen gegeben. Das hat mich stark beeinflusst. Zudem musste ich als Kind häufig gegen Ältere spielen, war somit gezwungen, schnelle Lösungen zu finden.

Und nun könnten Sie auch noch die Lösung als neuer Torjäger des FC St. Pauli sein. Die Torschützenliste der Vorbereitung führen Sie mit vier Treffern jedenfalls an.

Ich habe ein ganz gutes Gefühl dafür, im richtigen Moment an der richtigen Stelle im Strafraum zu sein. Aber in erster Linie liegt das daran, dass mich das Team bei Standards, die wir oft trainieren, gut in Szene gesetzt hat. Dass ich das dann auch in Tore ummünzen kann, freut mich persönlich natürlich sehr. Aber wichtig wird sein, dies auch in der Liga umzusetzen.

Wird es bei all diesen Qualitäten nicht langsam Zeit, in die Stammelf aufzurücken?

Meine Ambition ist das, aber wir haben gute Spieler auf allen Positionen, der Wettbewerb ist hoch. Ich kann weiterhin im Training alles gegeben, so läuft das. Ich bin mir aber sicher, dass ich auf meine Spielzeiten komme, wenn ich mein volles Potenzial abrufe. Ich denke, das ist mir in der Vorbereitung ordentlich gelungen.

Es muss mental doch ziemlich hart sein, trotz all des Lobes und der guten Leistungen im Normalfall nicht von Beginn an zu spielen.

Noch mal – diesen „Normalfall“ sehe ich nicht. Ich bin letzte Saison gut gestartet, dann mit einer kleineren Verletzung ausgefallen, und das Team hat performt. Da ist es klar, dass man sich wieder empfehlen muss, um in die Mannschaft zukommen. Aber ich bin jetzt lange genug im Geschäft dabei, um damit kein Problem mehr zu haben. Helfen kann ich an allen Stellen, beispielsweise auch dadurch, im Training meinen Mitspielern Input zu geben.

Das scheint ein Grund dafür zu sein, dass ein Mitspieler, der namentlich nicht genannt werden möchte, Sie als „Schatz für die Mannschaft“ bezeichnet hat.

Oh, wer das wohl war? Das ist in jedem Fall sehr nett, eine Bestätigung zu erhalten, seinen Wert für das Team zu haben.

Besitzen Sie auch einen Wert für das polnische Nationalteam? Nach unseren Informationen sind Sie unter Nationaltrainer Fernando Santos in den Fokus gerückt?

Es war schon immer mein größter persönlicher Traum, für Polen zu spielen. Einmal wurde ich bereits zur Nationalmannschaft eingeladen, habe aber noch kein Spiel absolviert. Dass ich unter Beobachtung stehe, freut mich. Aber mir ist auch bewusst, dass den größten Einfluss auf eine Nominierung nicht persönliche Leistungen, sondern der Mannschaftserfolg und gute Resultate haben.

In die Bundesliga aufzusteigen, wäre ein gutes Resultat …

Vor allem mit St. Pauli, liebend gern. Der Verein hat mich damals aus der Vertragslosigkeit gerettet, ist extrem professionell aufgestellt, meiner Frau und unserer Tochter Felicia gefällt es hier in Hamburg. Dass es meiner Familie gut geht, spielt mittlerweile eine entscheidende Rolle bei der Karriereplanung.

Familienplanung oder Karriereplanung?

Im Idealfall passt beides zusammen.