Hamburg. Warum der frühere Torwart für seinen Herzensclub eine echte Chance sieht. Parallelen zur eigenen Aufholjagd im Frühjahr 2017.

Als am Montagabend die Oscars verliehen wurden, war Philipp Heerwagen nicht ganz so weit weg vom Geschehen. Der frühere Torwart des FC St. Pauli, der weiterhin Mitglied des Kiezclubs ist, seine Karriere aber von 2019 bis 2021 beim SV Sandhausen ausklingen ließ, hält sich noch bis zu diesem Mittwoch in Kalifornien auf. Dort genießt der 39 Jahre alte Ex-Profi und aktuelle Sportmanagement-Student das angenehme Frühlingswetter, nutzte den Aufenthalt aber auch zu diversen Treffen mit amerikanischen Fußball-Funktionären.

Trotz der großen Entfernung und neun Stunden Zeitunterschied verfolgte Heerwagen sehr genau, was sich in den vergangenen Wochen bei seinem Herzensclub in Hamburg getan hat. „Diese Serie ist einfach genial. Da schlägt mein Fanherz höher. Die Tabellensituation hat sich für St. Pauli total verändert. Über den Klassenverbleib muss man gar nicht mehr reden“, sagt er angesichts der Rekordmarke von sieben Siegen aus den ersten sieben Zweitligaspielen der Rückrunde.

St. Pauli hat Rückstand auf Platz drei um sieben Punkte verringert

Damit hat sich das Team nicht nur in Windeseile aus der akuten Abstiegsgefahr in der Winterpause befreit, sondern auch den Rückstand auf den dritten Platz von 16 auf neun Punkte verringert. „Beim Drei-Punkte-System kann echt viel passieren, es gibt noch genügend Spiele, um Punkte zu sammeln“, frohlockt Heerwagen.

Gleichzeitig aber fordert der Keeper, der zunächst als Bochumer Leihgabe von Januar 2012 für ein halbes Jahr und dann fest von September 2013 bis August 2018 Profi beim FC St. Pauli war, eine Korrektur der Zielsetzung. Man muss sich jetzt in einer Liga, in der es nur Auf- oder Abstieg gibt, neu positionieren“, sagt er in Richtung der sportlichen Führung und der Spieler. „Platz drei muss das nächste Ziel sein. Du kannst jetzt nur noch um den Aufstieg kämpfen. An diesem Ziel sollte jeder arbeiten, solange es rechnerisch möglich ist“, konkretisiert er.

Die Chance, das eigentlich Unmögliche zu schaffen, sieht er vor allem wegen des aktuellen „Momentums“ als gar nicht so unrealistisch an. Zu dieser Einschätzung trägt auch die Erfahrung bei, die er vor nunmehr sechs Jahren selbst gemacht hat, als er mit dem FC St. Pauli maßgeblich an einer atemberaubenden Aufholjagd beteiligt war. Damals standen nach 14 Spielen ganze sechs Punkte und damit Platz 18 zu Buche, am Saisonende waren es 45 Zähler und Rang sieben.

Zuletzt spielte St. Pauli im September 2022 am Millerntor 1:1 gegen den SV Sandhausen
Zuletzt spielte St. Pauli im September 2022 am Millerntor 1:1 gegen den SV Sandhausen © Getty Images | Cathrin Mueller

Heerwagen sieht das Momentum als großen Faktor

„Ich sehe klare Parallelen. Wir sind damals derart in ein Momentum hineingekommen, dass wir wohl auch aufgestiegen wären, wenn die Saison etwas länger gedauert hätte“, sagt Heerwagen über die Phase, als er zunächst Stammkeeper Robin Himmelmann wegen dessen Verletzung kurzfristig ersetzte und dann unter Trainer Ewald Lienen bis zum Saisonende erste Wahl blieb.

Heute allerdings ist kein erfahrener Coach wie Lienen, sondern bekanntlich der gerade 30 Jahre alt gewordene Fabian Hürzeler als Chefcoach Vater des sportlichen Aufschwungs seit der Winterpause.

„Von außen habe ich das Gefühl, dass die Spieler ein bisschen freier, aber auch giftiger und galliger sind als in der Hinrunde. Und ich höre von den Jungs, mit denen ich Kontakt habe, dass sie einen riesigen Spaß haben, mit dem Trainer zusammenzuarbeiten. Ich finde, das sieht man auch auf dem Platz“, sagt Heerwagen.

Großes Lob für St. Paulis neuen Co-Trainer Nemeth

Gleichzeitig hält er die Verpflichtung des erfahrenen Peter Nemeth (50) als Co-Trainer für eine immens wichtige Personalie: „Er genießt in der Fußballwelt einen außergewöhnlichen Ruf und ist einer der besten Winterzugänge überhaupt.“

Für das am Sonntag (13.30 Uhr) anstehende Auswärtsspiel beim Tabellenletzten SV Sandhausen hat Heerwagen einen Rat für die St.-Pauli-Profis: „Es ist eine völlig andere Umgebung als in großen Stadien. Jedes Teams muss dort Mentalität an den Start bringen und konzentriert sein Programm abzuspulen. Wenn St. Pauli sein Momentum mitnimmt und die Sache seriös angeht, sehe ich das Team aber klar im Vorteil. Die einmalige Möglichkeit, die man jetzt hat, oben anzugreifen, sollte für jeden Motivation genug sein.“

Stürmer Etienne Amenyido wird wegen anhaltender Probleme an der Achillessehne seine Reha von kommenden Montag an zunächst extern fortsetzen.