Hamburg. Der ehemalige Torjäger gehörte zum Team, das 1976 sechs Siege in Folge feierte und aufstieg. Am Millerntor war er ewig nicht mehr.
Die Einstellung ihres, seines Rekords hatte Franz Gerber gar nicht so richtig mitbekommen am vergangenen Freitag. Das Thüringen-Derby stand schließlich am Tag darauf an. Rot-Weiß Erfurt musste bei Carl Zeiss Jena antreten, in der viertklassigen Regionalliga Nordost. Rund 7500 Zuschauer waren dabei, ein Hochsicherheitsspiel, 2:2 ging es aus. Für Gerber, den Investor und Sportchef von Erfurt, nach einem 0:2-Rückstand durchaus ein Erfolg: „Weiter im Aufstiegsrennen, Jena auf Distanz gehalten, alles gut.“
Als Neuling aus der Oberliga mischt RWE nun die viertklassige Regionalliga auf. Ein weiterer Aufstieg ist das mittelfristige Ziel: „Da müssen wir als Club aus der Landeshauptstadt hin“, sagt Gerber. Und mit Aufstiegen kennt sich der inzwischen 69 Jahre alte Bayer ja aus. 1979 schoss der Mittelstürmer 1860 München in die Bundesliga, 1985 Hannover 96. Vor allem aber ist er natürlich beim FC St. Pauli als einer der Aufstiegshelden von 1977 in Erinnerung, als die Kiezkicker erstmals die Bundesliga erreichten.
FC St. Pauli: 27-mal in Folge blieb das Team damals ungeschlagen
Diese Mannschaft gewann in der Nordstaffel der zweigeteilten Zweiten Liga zwischen Oktober und Dezember 1976 sechsmal in Folge – ein Vereinsrekord, der bis vergangenen Freitag hielt. „Meine Erinnerungen sind noch sehr intensiv“, sagt Gerber im Gespräch mit dem Abendblatt, „die Serie hatte eine Eigendynamik entwickelt, wir waren voller Selbstvertrauen, haben gedacht: Wir können sowieso nicht verlieren.“ Was stimmt: Insgesamt 27-mal in Folge blieb das Team bis zum Aufstieg am Saisonende ungeschlagen. „Ich denke, wir haben den Grundstein dafür gelegt, St. Pauli auf die Fußball-Landkarte zu bringen.“ Gerber trug in jener Saison mit 27 Toren zum historischen Erfolg bei. Das folgende Jahr in der Bundesliga brachte einen prestigeträchtigen Sieg über den HSV, aber auch den sofortigen Abstieg: „Der Fehler war, dass wir aus finanziellen Gründen zwölfmal im Volksparkstadion gespielt haben, am Millerntor waren wir ungeschlagen.“ Obwohl die Fanszene nicht mit heute zu vergleichen war – „das hat sich erst Jahre später so entwickelt.“
Trotz seines Jobs in Erfurt, wo er 2019 mit seiner Sportmarketingagentur in den insolventen Club investierte und ehrenamtlich Sportchef ist, schaut der einstige Reptilienliebhaber „Schlangen-Franz“ mit besonderem „Interesse zu den Vereinen, wo ich mal aktiv war“. Dass St. Pauli nicht absteigen würde, hat er immer gedacht – „die Qualität ist zu groß. Aber dass sie so schnell so eine Siegesserie hinlegen, ist doch erstaunlich.“ Aber, er kennt es selbst als Spieler: „Mit jedem Erfolg wirst du selbstbewusster, Rückschläge können dir weniger anhaben.“ An einen Aufstieg, so wie sie damals, glaubt er aber nicht mehr: „Die drei oben sind zu weit weg.“
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Persönlich am Millerntor war Gerber „ewig“ nicht mehr, obwohl er zwischen 2002 und 2004 auch als Trainer sowie sportlicher Leiter dort verantwortlich war und Sohn Fabian (heute als Trainer in Erfurt Vaters „Untergebener“) zwischen 2000 und 2003 insgesamt 37 Spiele für den FC St. Pauli absolvierte. „Niemand aus meiner Zeit ist dort noch aktiv, da gehen die Kontakte verloren“, beklagt Gerber. Zu einigen seiner ehemaligen Mitspieler gibt es noch Verbindungen: Buttje Rosenfeld, Dieter Schiller oder Mannschaftskapitän Rolf Höfert nennt er – „aber leider wird das immer weniger“.