Hamburg. Der FC St. Pauli besteht die Herausforderung Fürth dank großem Teamgeist und mit Glück. Irvine sorgt für speziellen Moment.

Sonnabendabend, irgendwo auf dem Kiez. Es gibt etwas zu feiern, und alle sind da, mit Freundinnen und Frauen. Ein Team, offensichtlich. Kapitän Jackson Irvine hatte seine Kollegen vom FC St. Pauli zur verspäteten Geburtstagsparty eingeladen, 30 ist er am vergangenen Dienstag geworden. Und vielleicht hat ja auch Maurides einen alkoholfreien Caipirinha springen lassen, wegen seines 29. Wiegenfestes am Freitag.

Die Stimmung dürfte jedenfalls prächtig gewesen sein, denn wenige Stunden zuvor hatten sie mit dem 2:1 (1:1)-Erfolg gegen die SpVgg Greuther Fürth ja auch ihre imposante Erfolgsserie auf sieben Siege nacheinander ausgebaut.

FC St. Pauli: Hürzeler holt Rekord

„Serien interessieren mich nicht“, behauptete Trainer Fabian Hürzeler. Obwohl er nun gleichgezogen hat mit St.-Pauli-Trainerlegende Kurt „Jockel“ Krause, dem zwischen dem 7. Mai und dem 15. Juni 1975 in der damals zweigleisigen Zweiten Liga ebenfalls sieben Siege in Folge gelangen.

Okay – dann eben nicht, was interessiert ihn stattdessen? „Wie die Mannschaft zusammenhält und welchen Geist sie beweist, das zeigt mir, dass sie funktioniert“, sagte Hürzeler, „da ist eine Team­dynamik, nach Rückstand in so einem schweren Spiel zurückzukommen, das ist etwas, das für die Mannschaft spricht.“

Spiel dank besonderem Moment gedreht?

Bemerkenswert und so noch nicht ge­sehen war die Szene nach dem vermeint­lichen 0:2 in der zehnte Minute. Kapitän Irvine trommelte alle zehn Kollegen in der Nähe des Mittelkreises zusammen, sogar Torwart Nikola Vasilj kam aus seinem Kasten geeilt. Irvine gestikulierte beruhigend, redete auf die Kollegen ein, ein spontanes Teammeeting nach einem komplett verkorksten Spielbeginn. Keine hängenden Köpfe, sondern trotzige Aufbruchstimmung.

„Jackson hat uns zusammen­gerufen und noch einmal betont, dass wir aufwachen und fokussierter sein müssen“, sagte Eric Smith. „Jeder Spieler ist dafür verantwortlich, dass er sich selber, aber auch den Teamkollegen sagt, jetzt mal in die Gänge zu kommen“, ergänzte Lukas Daschner. Fürths Treffer wurde im Übrigen durch den VAR-Eingriff aberkannt.

St. Pauli verschläft Anfangsphase

Und dennoch war es ein Spielbeginn des Grauens für die Hamburger. Greuther Fürth presste hoch, lief an, sorgte für Stress und Chaos in St. Paulis Aufbau. Nichts davon war überraschend, und dennoch kamen die Hamburger damit nicht klar. Der Rückstand durch Ragnar Ache (6. Minute) war schon fast logisch. Vier Minuten später hatte derselbe Spieler seine Fußspitze am Ball und vollendete zum 0:2 – dachten alle. Bis sich kurz nach St. Paulis spontanem Spielerkreis der Kölner Keller meldete und den Treffer wegen Zentimeter-Abseits zurücknahm.

„Da hatten wir Glück“ räumte Hürzeler das Offensichtliche ein. „Nach dem Abseitstor haben wir den Schalter im Kopf umgelegt“, erklärte Marcel Hartel zu der einen von zwei wahrscheinlich spielentscheidenden Szenen. Nur drei Minuten danach glich Manolis Saliakas nach dem ersten guten Angriff aus. „Das waren super Abläufe. Da hat man gesehen, dass die Jungs auf einem guten Weg sind“, sagte Hürzeler erfreut.

Als dann auch noch dem langjährigen HSV-Profi Gideon Jung unmittelbar vor der Pause einer seiner in Hamburg wohlbekannten Gideon-Jung-Fehler unterlief, kippte das Spiel auf St. Paulis Seite. Der Innenverteidiger schoss den anlaufenden Daschner an und rang ihn anschließend auf dem Weg zum Tor nieder. Dafür gab es Rot, Jungs dritte Rote oder Gelb-Rote Karte in 65 Zweitligaspielen. „Das darf ihm nicht passieren“, zürnte Fürths Trainer Alexander Zorniger, „damit hat er uns einen Bärendienst erwiesen.“

St. Pauli: Hürzeler übersteht schwierigste Phase

Das war die zweite spielentscheidende Szene, die gesamte Statik veränderte sich, die Franken waren zwar immer noch aggressiv unterwegs, aber St. Pauli hatte nun doch deutlich mehr Kontrolle. So konnte Oladapo Afolayan den Siegtreffer (55.) erzielen, als er eine missglückte Abwehr­aktion von Verteidiger Oussama Haddadi gedankenschnell nutzte. „Mehr als glücklich für St. Pauli“, nannte Zorniger das Endergebnis und fügte hinzu: „Wir haben St. Pauli vor Aufgaben gestellt, die sie nicht beantworten konnten.“

Hürzeler nahm diese Aussage zur Kenntnis – die Anfangsphase war tatsächlich die schwierigste Prüfung, seit er zu Rückrundenbeginn das Cheftraineramt übernommen hatte. Und diese zehn Minuten bis zum spontanen Mannschaftskreis werden etwas sein, das in dieser Woche besonders besprochen werden wird, kündigte der Trainer an: „Nach sechs Siegen denkst du, es geht vielleicht mal mit drei Prozent weniger. Aber das war für die Mannschaft ein wichtiges Signal: Es geht nicht mit drei Prozent weniger. Eher brauchst du drei Prozent mehr. Die Gegner versuchen auch immer, Lösungen gegen uns zu finden.“

Doch es ist ja noch mal gut gegangen, gerade so. „Ich finde, dass genau das die Spiele sind, die du als Mannschaft drehen und reißen musst, wenn es auch mal nicht so gut läuft. Das spricht für den Charakter“, stellte Leart Paqarada fest. Smith meinte: „Wir haben gezeigt, dass wir Spiele auf unterschiedliche Art und Weise für uns entscheiden können.“

Ewig aber geht das nicht gut, das weiß ein Trainer natürlich: „Wir sind froh, dass wir so gefordert worden sind, weil es uns zeigt: Wir sind noch nicht so weit.“ Dann hatte Fabian Hürzeler Feierabend, das für Sonntag angesetzte Training wurde kurzfristig gestrichen, es gab schließlich etwas zu feiern: „Es wird aber nicht ausarten“, sagte St. Paulis neuer Rekordtrainer, „vielleicht ein, zwei Bier.“

Die Statistik:

  • FC St. Pauli: Vasilj - Medic, Smith, Mets - Saliakas (88. Dzwigala), Hartel, Irvine, Paqarada - Metcalfe (86. Fazliji), Daschner, Afolayan (72. Maurides). - Trainer: Hürzeler
  • Greuther Fürth: Linde - Griesbeck, Jung, Haddadi (64. Green) - Asta, Raschl, Christiansen, John - Petkov (46. Michalski) - Hrgota (81. Sieb), Ache. - Trainer: Zorniger
  • Schiedsrichter: Felix Zwayer (Berlin)
  • Tore: 0:1 Ache (6.), 1:1 Saliakas (13.), 2:1 Afolayan (55.)
  • Zuschauer: 29.346 (ausverkauft)
  • Rote Karte: - Jung (45., Fürth, Notbremse)
  • Gelbe Karten: Afolayan (2), Medic (4), Maurides (2), Irvine (8) - Griesbeck (6)
  • Torschüsse: 11:5
  • Ecken: 3:4
  • Ballbesitz: 56:44 Prozent
  • Zweikämpfe: 99:103