Hamburg. St. Paulis Präsident erklärt die Umstände des Rauswurfs und sieht den ehemaligen Trainer sogar gewürdigt.

Timo Schultz hatte am Sonnabendabend Grund zur Freude. Vier Tage nach seiner Freistellung als Cheftrainer des FC St. Pauli verfolgte er in der „O-Feuer Bar“ im Schulterblatt gemeinsam mit seinem ebenfalls freigestellten Co-Trainer Loic Favé sowie einigen weiteren St. Paulianern das WM-Viertelfinalspiel zwischen Frankreich und England (2:1). Am Ende fiel Schultz in den Siegesjubel seines bisherigen Assistenten, der die französische Staatsbürgerschaft besitzt, mit ein.

Gedanken über die Trainingsinhalte am Sonntag musste er sich nicht mehr machen. Dafür hat er zweifellos verfolgt, dass die Entscheidung des St.-Pauli-Präsidiums, sich nach knapp zweieinhalb Jahren von ihm zu trennen, unter Mitgliedern und Fans des Kiezclubs weiter ein heiß diskutiertes Thema ist.

FC St. Pauli: Göttlich weist Vorwurf der Demontage von Trainer Schultz zurück

Neben der Freistellung an sich wird kritisiert, wie der Verein den Vorgang inhaltlich in seiner offiziellen Erklärung kommuniziert hat. Sehr detailliert wurden dort die Schwächen und Versäumnisse, für die Schultz verantwortlich ist, aufgeführt. So hätten „die Gespräche nach der Hinrunde keine ausreichenden Ansatzpunkte für neue Konzepte“ gebracht.

Und weiter: „Wir haben schon seit Längerem verschiedene Muster bei den sportlichen Problemen erkannt, dazu gehören die fatale Auswärtsschwäche, eine fehlende Balance zwischen Defensive und Offensive, mangelnde Weiterentwicklung, aber auch die fehlende Fähigkeit, Spiele nach Rückstand zu drehen.“

Viele Beobachter und Sympathisanten, darunter Pressesprecher anderer Clubs, zeigten sich irritiert von dieser Auflistung der Schwächen und werteten dies als öffentliche Demontage des Trainers.

Gegen diesen Vorwurf wehrte sich am Sonntag St. Paulis Präsident Oke Göttlich auf Abendblatt-Nachfrage. „Einerseits heißt es nun, wir würden Timo Schultz bloßstellen. Andererseits erwarten viele Menschen – zu Recht – konkrete Erklärungen. Es steht auch Timo Schultz, unserer Mitgliedschaft und den Fans zu, dass wir die Entscheidung öffentlich begründen. Dies gehört zu der von uns angestrebten Transparenz und Ehrlichkeit“, sagte Göttlich.

Und weiter: „Die Entscheidung, Timo freizustellen, hat sich niemand leicht gemacht. Zum einen ist es menschlich ein unfassbar schwerer Schritt. Zum anderen wissen wir, wie populär Schulle bei vielen Fans ist. Wir dürfen aber nicht nach Popularitätswerten entscheiden.“ Zudem seien die genannten Statistiken, „keine Betriebsgeheimnisse“, sondern waren zuvor bereits, auch medial, thematisiert worden.

Kritik an Schultz-Rauswurf: St.-Pauli-Chef Göttlich will sich Mitgliedern stellen

Schließlich betonte Göttlich: „Wir haben nicht ein schlechtes Wort über die Person Timo Schultz oder seine Arbeit geäußert – im Gegenteil. Wir haben ihm selbstverständlich gedankt und ihn gewürdigt.“ In der Mitteilung hieß es: „Timo ist ein verdienter und echter St. Paulianer.“

Dass die Freistellung elf Tage vor der Mitgliederversammlung am 17. Dezember (11 Uhr) im CCH erfolgte, war laut Göttlich kein Zufall. „Wir wollen uns dort den Fragen und der Kritik der Mitglieder stellen“, sagte er.

Offener Brief erreicht Göttlich nicht

Unterdessen meldete sich am Wochenende der aus diversen Fernsehserien bekannte Schauspieler Christian Rudolf (57) mit einem offenen Brief an Göttlich zu Wort. Er sei „fassungslos und geschockt, traurig und irritiert“ über den Rauswurf von „unserem“ Trainer Timo Schultz, schrieb er. „Das geht nicht. Das war nicht gut. Damit ist niemandem geholfen. Das hilft kein Stück weiter.“

Schauspieler Christian Rudolf fordert, den Rauswurf von Trainer Timo Schultz zurückzunehmen.
Schauspieler Christian Rudolf fordert, den Rauswurf von Trainer Timo Schultz zurückzunehmen. © imago/APress | imago stock&people

Rudolf selbst bezeichnete sich als „seit Ewigkeiten Mitglied, Dauerkarteninhaber und Fan“. Am Ende schreibt er: „Unsere Werte sind nicht damit vereinbar, unsere größte Identifikationsfigur nach Holger Stanislawski, Timo Schultz, vor die Tür zu setzen.“ Kurios war nur, dass Rudolfs Schreiben an Göttlich am Sonnabend zwar bei verschiedenen Hamburger Medien per Mail eintraf, nicht aber beim eigentlichen Adressaten, wie Göttlich am Sonntag sehr glaubhaft versicherte.