Hamburg. Bei den Fans wird die Entlassung von Timo Schultz scharf kritisiert. Doch auch intern könnte dem Führungsduo Ungemach drohen.
Am Donnerstagvormittag legte sich eine nasse Schneedecke auf den Trainingsrasen auf der Anlage des FC St. Pauli an der Kollaustraße. Selbst wenn die Rasenheizung bis zu diesem Freitagmittag die weiße Pracht besiegt haben wird, werden die Trainingsbedingungen nicht ideal sein, wenn Fabian Hürzeler seine Premiere gibt.
Der 29 Jahre alte bisherige Assistenztrainer von Timo Schultz ist nach dessen Freistellung am Dienstag jetzt die Interimslösung als Hauptübungsleiter. So konnte die Clubführung am geplanten Trainingsstart nach knapp vier Wochen Erholungspause festhalten.
FC St. Pauli mit neuem Trainer ins Trainingslager?
Auch das weitere Programm bis zum ersten Rückrundenspiel am 29. Januar beim 1. FC Nürnberg soll zunächst unverändert bleiben. Dieses sieht ein Testspiel am 21. Dezember auf fremdem Platz und unter Ausschluss der Öffentlichkeit gegen einen noch nicht benannten Gegner vor, dazu eine kurze Pause über Weihnachten , das Trainingslager in Benidorm (Spanien) vom 2. bis 9. Januar mit Testspielen am 4. Januar gegen Werder Bremen sowie am 8. Januar gegen ebenfalls noch zu benennende Konkurrenz, einen weiteren Test am 14. Januar bei Borussia Mönchengladbach sowie die „Generalprobe“ acht Tage vor dem Wiederbeginn der Liga am 21. Januar, im Millerntor-Stadion. Auch hier fehlt die Bestätigung des Spielpartners.
Fabian Hürzeler wird heute kein Neuland betreten, wenn er die Mannschaft anleitet. Timo Schultz hatte ihn und seinen anderen Co-Trainer Loic Favé, der mit ihm freigestellt worden ist, regelmäßig eigene Inhalte ins Training einbringen und dort auch konkret umsetzen lassen. Über das nötige Stimmorgan verfügt Hürzeler ohnehin. „Fabian hat bereits gezeigt, wie wertvoll sein Fachwissen und seine Konsequenz für das Team sind“, hatte Sportchef Andreas Bornemann im Zuge der Ablösung von Schultz gesagt.
Derzeit ist offen, wie lange Hürzeler das Team federführend trainieren darf. Sehr unwahrscheinlich, aber auch nicht ganz ausgeschlossen ist die Variante, dass er als Verantwortlicher in die Rückrunde geht und ihm ein Co-Trainer mit langjähriger Profierfahrung an die Seite gestellt wird. Deutlich nahe liegender ist allerdings, dass St. Pauli bis zum Beginn des Trainingslagers einen neuen Cheftrainer verpflichtet und Hürzeler wieder ins zweite Glied rückt – oder sogar auch gehen muss, sofern der neue Mann darauf besteht, zwei Vertraute als Co-Trainer mitzubringen.
Göttlich und Bornemann spüren Gegenwind der Fanszene
Die widrigen Trainingsbedingungen an diesem Freitag mit einem tiefen Geläuf und einer Lufttemperatur knapp unter dem Gefrierpunkt dürften in einer Hinsicht so ganz nach dem Geschmack von St. Paulis Präsident Oke Göttlich sein. Schließlich hatte er zuletzt immer wieder beklagt, dass die Mannschaft Defizite darin habe, erfolgreich „gegen Widerstände zu kämpfen“. Die eklatante Auswärtsschwäche und die mangelnde Fähigkeit, nach Rückständen ein Spiel noch zu den eigenen Gunsten zu drehen, seien ein Beleg für diese Einschätzung. Und diese beiden Punkte wurden eben auch als Gründe dafür genannt, sich von Timo Schultz zu trennen.
Spätestens seit dieser Entscheidung aber spüren Göttlich und Sportchef Andreas Bornemann selbst vehement, was Widerstände sind. Die gibt es nämlich weiterhin reichlich gegen sie aus den Kreisen der St.-Pauli-Anhänger. Am frühen Donnerstagabend hatten schon mehr als 7000 Personen die von Stefan Kasper-Behrs gestartete Onlinepetition unterzeichnet, die eine umgehende Rücknahme der Kündigung von Timo Schultz fordert. Auch die Kommentare in den sozialen Netzwerken und den Foren blieben ganz überwiegend kritisch.
Schon jetzt wird in diesen Beiträgen immer wieder auf die Mitgliederversammlung am 17. Dezember von 11 Uhr an im CCH hingewiesen. Angesichts der großen Schnittmenge von Fans und Mitgliedern steht hier nach dem Bericht des Präsidenten eine lange und von harscher Kritik geprägte Aussprache zu erwarten. Neben der Tatsache der Trainerbeurlaubung an sich wird auch die Tonalität der entsprechenden Veröffentlichung angeprangert, in der de facto Schultz die Alleinschuld an der bedrohlichen sportlichen Situation des Tabellen-15. gegeben wird.
Wird neuer Aufsichtsrat zum Problem für Bornemann?
Doch nicht nur die Aussprache auf der Versammlung dürfte Göttlich und Bornemann viel Gegenwind bescheren, die Neubesetzung des Aufsichtsrates könnte den beiden noch deutlich langfristiger und nachhaltiger Probleme bereiten. Bekanntlich werden mindestens vier neue Personen in das sieben Mitglieder umfassende Aufsichtsgremium gewählt, da von den bisherigen Amtsinhabern nur drei erneut antreten.
In der aktuellen Gemengelage könnten sich dabei einige der Kandidaten eine Zustimmung des Plenums ausrechnen, wenn sie ihre je dreiminütige Vorstellung auch dazu nutzen, ihr Missfallen am Schultz-Rauswurf kundzutun.
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Dabei könnte es unter Umständen auch nur eine untergeordnete Rolle spielen, dass eine solche Kritik am Tagesgeschäft des Präsidiums grundsätzlich nicht in die Bewerbung eines potenziellen Aufsichtsratsmitglieds gehört. Es wäre nicht das erste Mal, dass die Stimmungslage in einer Versammlung zu einer unerwarteten Stimmverteilung führt.