Hannover. Der Australier war beim 2:2 bei Hannover der umjubelte Mann. Bereits gegen Nürnberg traf der Nationalspieler für den Kiezclub.

Der Jubel war groß, als Schiedsrichter Felix Zwayer um 22.27 Uhr ein letztes Mal seine Pfeife ertönten ließ. Dank eines Last-Minute-Tores von Jackson Irvine (90.+5) rettete der FC St. Pauli beim 2:2 (1:1) bei Hannover 96 zumindest einen Punkt. Unverdient war das derweil Remis nicht, schließlich musste St. Pauli nach seiner frühen Führung durch einen umstrittenen Handelfmeter den Ausgleich hinnehmen.

FC St. Pauli: Irvine freut sich über verdienten Punkt

Andererseits scheiterten die engagiert spielenden St. Paulianer aber auch lange Zeit an ihrer mangelnden Effizienz in der lange überlegen geführten zweiten Halbzeit. Und so muss man konstatieren, dass mehr möglich war, aufgrund des Spielverlaufs aber der eine Punkt einer sein wird, den man gerne mit nach Hamburg nehmen wird. "Das war ein richtig wichtiges Ergebnis, weil es unseren positiven Start, unsere positive Energie fortsetzt. Wir haben uns den Punkt verdient, weil wir viele gute Dinge gemacht haben. Unentschieden ist ein faires Resultat", analysierte Irvine.

Der Trainer hatte sich etwas überraschend für dieselbe Startelf wie beim 3:2-Sieg eine Woche zuvor gegen den 1. FC Nürnberg entschieden. Überraschend war dies deshalb, weil Schultz in der Pressekonferenz vor dem Spiel am Donnerstag noch recht deutlich hatte durchblicken lassen, dass er Neuzugang Betim Fazliji zu seinem ersten Startelfeinsatz für St. Pauli kommen lassen werde. Der 23 Jahre alte Defensivspieler wäre für einen der beiden Innenverteidigerposten prädestiniert gewesen. So aber bildeten wieder Adam Dzwigala und Jakov Medic die zentrale Abwehr.

Und noch eine Überraschung gab es schon vor Spielbeginn. Erneut trug Leart Paqarada die Kapitänsbinde und nicht etwa Jackson Irvine, nachdem Trainer Schultz ja beide zu gleichberechtigten Kapitänen ernannt hatte. Paqarada hatte diese Aufgabe auch schon gegen Nürnberg übernommen und danach erklärt, dass Irvine und er es vor jedem Spiel jeweils unter sich klären, wer die Binde trägt. Womöglich wird der Australier Irvine am kommenden Sonnabend im DFB-Pokalspiel beim Regionallisten SV Straelen erstmals zum Zuge kommen. "Wir sind beide Kapitäne, Leart hat die Binde heute getragen. Es wird sicher auch Spiele geben, in denen ich sie trage. Wir entscheiden das von Woche zu Woche", sagte Irvine.

Eggestein brachte St. Pauli früh in Führung

Auf dem frisch verlegten Rasen in Hannover kam jetzt erst einmal Johannes Eggestein zum Zuge, und zwar mit seinem ersten Pflichtspieltor für St. Pauli. Nach einem weiten Ball von Marcel Hartel in den Strafraum legte Igor Matanovic den Ball zu seinem Sturmpartner Johannes Eggestein ab.

Mit dem Rücken zum Tor schirmte der frühere Werder-Profi den Ball ab, drehte sich und schoss platziert links unten zum 1:0 (4.) ins Tor der überraschten 96er. Für den aus Hannover stammenden Eggestein war dieses Tor ein besonderes Erlebnis. Etliche Verwandte und Freunde verfolgten das Spiel live im Stadion. "Das fühlt sich grundsätzlich gut an, Torschütze zu sein. Nach einem schwierigen Jahr gleich gut bei St. Pauli zu starten, ist schön. Ich bin hier in Hannover groß geworden, das Stadion kannte ich, habe mich deshalb gleich wohlgefühlt", sagte Eggestein.

Nur zwei Minuten später verpasste es Lukas Daschner, gegen die überraschten Hannoveraner nachzulegen, doch er war bei Hartels Vorlage auch zu überrascht, um den Ball zielgerichtet zu verarbeiten. "Wir sind gut ins Spiel gekommen, haben vieles gut wegverteidigt. Eggestein trifft dann in bester Uwe-Seeler-Manier zur Führung. Die große Anzahl an Chancen haben wir uns nicht rausgespielt. Den Schuh müssen wir uns anziehen. Die Art und Weise, wie wir aufgetreten sind, wie wir Fußball gespielt haben, ist aber genau so, wie wir uns das vorgestellt haben", sagte Schultz.", sagte Trainer Timo Schultz nach der Partie bei "Sky".

St. Pauli ärgerte sich über fragwürdigen Elfmeter

In der Folge bestimmten mehrere unglückliche Aktionen das Spiel der St. Paulianer, mit denen sie ihren Gegner unnötig aufbauten. So stimmte die Abstimmung zwischen Paqarada und Torwart Dennis Smarsch nicht. Die Folge war, dass der Außenverteidiger den Ball kurz auf Smarsch spielte, der das Spielgerät mit den Händen festhielt. Den fälligen indirekten Freistoß im Strafraum schoss Sebastian Kerk mit hohem Tempo über das Tor.

Danach handelte sich Medic in einem Laufduell mit Kerk durch ein Foul die Gelbe Karte ein (18.), ehe Schiedsrichter Felix Zwayer zwölf Minuten später auf Handelfmeter für Hannover entschied. Bei einer Flanke von Kerk von der linken Seite kam Smith leicht mit der Hand an den Ball, ehe Medic den Ball mit der Brust spielt. Die zweite Szene schien zunächst als Vergehen gewertet worden zu sein, weil Smiths Berührung kaum wahrnehmbar war.

Die Überprüfung durch Videoassistent Robert Hartmann ergab allerdings, dass eine keine klare Fehlentscheidung gewesen ist. Smith allerdings hatte seinen Arm sehr nah am Körper, sodass der Strafstoß eine sehr harte Entscheidung gegen St. Pauli war. Eine Woche zuvor hatte St. Pauli gegen Nürnberg von einem glücklichen Elfmeterpfiff profitiert, als Daschner leicht berührt im Strafraum gefallen war. Jedenfalls verwandelte Kerk mit links sicher zum 1:1 (33.). "Es ist hart für den Schiedsrichter. Wenn er ihn nicht gibt, wird der Videoschiedsrichter wahrscheinlich nicht eingreifen. Wenn er ihn pfeift, wird er nicht zurückgenommen. Ich habe es noch nicht im TV gesehen. Insgesamt kann ich gar nicht so viel sagen", sagte Irvine und nahm Zwayer in Schutz.

FC St. Pauli dominierte zunächst weiter die Partie

Wie in der ersten Halbzeit bestimmte St. Pauli auch den Beginn des zweiten Abschnitts und kam auch zu einer Großchance durch Eggestein (52.). Hannovers Julian Börner konnte gerade noch zu Ecke klären.

Doch St. Paulis Überlegenheit und Kombinationsspiel war zwar hübsch anzusehen, aber letztlich nicht zwingend genug, um das Spiel für sich zu entscheiden. Ganz im Gegenteil. Bei einem der wenigen Angriffe der Hannoveraner ließ die Hamburger Defensive auf der rechten Seite den Gegnern zu viel Platz.

So nutzte der sehr auffällige Linksverteidiger Derrick Köhn eine Vorlage vom Max Besuschkow zu einem fulminanten Direktschuss, der von Dzwigala noch leicht abgefälscht wurde und daher unhaltbar für Smarsch zum 2:1 für Hannover (71.) im Netz einschlug. "In der vergangenen Saison hätten wir nach so einem Gegentor versucht, den Ausgleich irgendwie zu erzwingen. Wir haben aber unsere Fassung verloren, uns in gute Räume gespielt und die Qualität durch unsere Standardsituationen hat uns letztlich das Remis gerettet", analysierte Irvine.

Dieser Führungstreffer für 96 durch den gebürtigen Hamburger Köhn hatte sich bis dahin überhaupt nicht angedeutet. Es war aber neben einer herausragenden Einzelleistung auch eine Demonstration von Effektivität. In der Folge hatte St. Pauli aber auch eine Menge Glück, als ein Freistoß vom auffälligen Köhn ans Lattenkreuz knallte.

Als Hannover bereits glaubte, den ersten Sieg der Saison feiern zu können, erstickte St. Paulis Jackson Irvine den Jubel im Keim, als er nach einem Freistoß von Leart Paqarada irgendwie mit dem Kopf an den Ball kam. "Wir haben in der vergangenen Saison viele Tore durch Offensivspieler geschossen. Nach den Abgängen (Daniel-Kofi Kyereh und Guido Burgstaller, Anm.Red) ist jedem bewusst, dass jetzt andere Jungs in die Bresche springen müssen. Ich nehme mir vor jeder Saison vor, mehr Tore zu erzielen. Meine Bestmarke der Vorsaison habe ich schon übertroffen. Das ist ein guter Anfang", sagte Punkt-Retter Irvine.