Hamburg. Das Thema Führungsspieler wurde in der Sommerpause heiß diskutiert. Defensivspieler Fazliji vor Wechsel zum Kiezclub.

Wer wird an diesem Sonnabend (13 Uhr/Sky) als Kapitän die Mannschaft des FC St. Pauli beim ersten Spiel der neuen Zweitligasaison gegen den 1. FC Nürnberg auf den seit Tagen penibel gepflegten Rasen des Millerntor-Stadions führen?

Auch am Donnerstagmorgen wollte Cheftrainer Timo Schultz bei der offiziellen Pressekonferenz dieses Geheimnis noch nicht lüften. „Ich möchte erst die Spieler selbst informieren“, sagte er, aber ließ dann doch durchblicken, dass er sich aller Voraussicht nach auf eine eher ungewöhnliche Doppelspitze festlegen werde. „Es werden vielleicht zwei gleichberechtigte Kapitäne. So viel kann ich schon mal verraten“, sagte er. Auf jeden Fall wird Schultz die beiden aus dem fünf Spieler umfassenden Mannschaftsrat auswählen.

FC St. Pauli: Mannschaftsrat steht bereits

Dieses Führungs-Quintett war vor rund einer Woche im Trainingslager in Südtirol von der gesamten Mannschaft gewählt worden. „Wichtig ist vor allem, dass wir die Verantwortung auf mehrere Schultern verteilen. Wir haben einen ziemlich neu zusammengewürfelten Mannschaftsrat. Einige Jungs können und wollen die Verantwortung übernehmen und haben auch die Erfahrung dafür“, sagte Schultz weiter.

Allerdings ist die Überlegung eines geteilten Kapitänsamtes ein weiterer Beleg dafür, dass es im derzeitigen Teamgefüge keinen Spieler gibt, der wegen seiner Erfahrung, seines Dienstalters sowie seiner rhetorischen Fähigkeit der logische Anführer der Truppe ist. In der Vergangenheit gab es im Team des FC St. Pauli immer wieder diese natürlichen und unumstrittenen Führungskräfte wie etwa Fabian Boll, Sören Gonther, Bernd Nehrig oder weiter in der Vergangenheit Holger Stanislawski, Fabio Morena und auch Rolf Höfert, der 1977 den Kiezclub zum ersten Mal in die Erste Liga führte.

Hierarchie des FC St. Pauli ist noch am entstehen

Die Nicht-Existenz eines solchen klaren Leadertyps hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass fast alle Spieler des aktuellen Kaders maximal seit zwei Jahren dem FC St. Pauli angehören. Von den aktuell spielfähigen Profis ist nur Luca Zander länger dabei, genau seit 2017. Der 26 Jahre alte Außenverteidiger wurde jetzt von seinen Teamkollegen in den Mannschaftsrat gewählt, gilt intern aber eher als introvertierter Typ.

Hinzu kommt, dass er auf seiner angestammten Position rechts in der Vierer-Abwehrkette um seinen Platz bangen muss. Schon früh hatte Sportchef Andreas Bornemann genau für diesen Job den Griechen Manolis Saliakas verpflichtet, der in den nur vier Testspielen der Saisonvorbereitung einige Pluspunkte sammelte und beste Aussichten hat, am Sonnabend gegen Nürnberg sein Zweitliga-Debüt als Startelfspieler zu bestreiten.

Bilden Paqarada und Hartel das Führungsduo beim FC St. Pauli?

Da sowohl der Schwede Eric Smith als auch der Australier Jackson Irvine, die beide ebenfalls dem Mannschaftsrat angehören, noch eifrig dabei sind, ihre deutschen Sprachkenntnisse aufzubessern, sind sie auch eher keine heißen Kandidaten auf den Kapitänsposten. Blieben also noch Mittelfeldspieler Marcel Hartel und der linke Außenverteidiger Leart Paqarada, der der einzige „Überlebende“ aus dem Mannschaftsrat der vergangenen Saison ist.

Es wäre alles andere als eine Überraschung, wenn diese beiden die neue Doppelspitze bilden würden. Für sie spricht, dass sie sich schon als Stammspieler und Leistungsträger profiliert haben und als solche auch in der anstehenden Saison vorgesehen sind.

Trainer Schultz will Kapitänsamt nicht überbewerten

Trainer Schultz betonte jetzt erneut, dass er die Kapitänsfrage als weit weniger wichtig ansieht als viele Außenstehende. „Mir wird zu viel Brimborium darum gemacht, wer die Binde am Arm hat. Ob Spieler A, B oder C diese Binde am Arm trägt, ist für mich nicht der entscheidende Faktor“, sagte er. Und weiter: „Letztes Jahr hatten wir auch mehr oder weniger zwei Kapitäne mit Ziere und James.“

Allerdings war Philipp Ziereis (29) klar als Kapitän deklariert, James Lawrence (29) war sein Stellvertreter. Dabei ist Schultz, der in seiner aktiven Zeit selbst als Führungsspieler galt, sehr bewusst, welche Autorität ein unumstrittener Kapitän teamintern besitzt. Zudem zeigt die Tatsache, dass er Wert darauf legt, selbst zu bestimmen, wer Kapitän wird, dass er dieser Personalie große Bedeutung beimisst. Sonst könnte er auch diese Wahl der Mannschaft überlassen.

FC St. Pauli vor nächstem Transfer

Sicherlich noch kein Führungsspieler, aber eine sportliche sehr wichtige Ergänzung stellt unterdessen Defensivspieler Betim Fazliji dar. Der 23 Jahre alte Kosovare vom Schweizer Erstligisten FC St. Gallen absolvierte am Donnerstag bereits in Hamburg den vor einem Transfer üblichen Medizincheck. Die Ablösesumme für Fazliji dürfte sich bei rund 700.000 Euro bewegen.