Hamburg. Der Präsident des FC St. Pauli setzt sich mit den Fans für einen faireren Wettbewerb ein und nimmt dabei den Verband in die Pflicht.

Der gut gebräunte Teint von Oke Göttlich ließ erahnen, dass der Präsident des FC St. Pauli gerade einen angenehmen Urlaub hinter sich gebracht hatte. Entspannt nahm der 44-Jährige auf dem Podium des Pressekonferenzraums im Millerntor-Stadion Platz, um Rede und Antwort zum Positionspapier „Ein anderer Fußball ist möglich – den deutschen Profifußball reformieren“ zu stehen. Aus der Fußballbranche hielten sich Rückmeldungen bisher in Grenzen. „Ich bin ja erst frisch aus dem Urlaub zurück, freue mich aber auf ein Feedback meiner Kollegen“, sagte Göttlich.

Gelegenheit zu Gesprächen gibt es bereits an diesem Dienstag, wenn die digitale Mitgliederversammlung der Deutschen Fußball-Liga stattfindet, in der vor allem das Modell der Teil-Zulassung von Zuschauern in der Corona-Pandemie diskutiert wird (siehe Bericht unten). Abseits dieser für den Fußball wichtigen Diskussion wird Göttlich aber sicher auch Fragen zum 16-seitigen Positionspapier, das unter anderem eine gerechtere Verteilung der TV-Gelder, mehr Bewusstsein für nachhaltiges Wirtschaften und mehr Einfluss von Fans beinhaltet, beantworten müssen.

Kritik des Sportvorstands von Dynamo Dresden

Mit Ralf Becker, Sportvorstand von Zweitliga-Absteiger Dynamo Dresden, gab es bereits einen ersten scharfen Kritiker des St.-Pauli-Vorstoßes. Dynamo hatte bis zuletzt um Solidarität geworben, als es um eine mögliche Aufstockung der 2. Bundesliga ging, weil die Ostdeutschen sich durch die Corona-Krise besonders benachteiligt sahen.

„Das war für mich dann ein bisschen komisch, und ehrlicherweise kann ich das auch nicht so ganz verstehen“, kommentierte der ehemalige St.-Pauli-Profi und HSV-Sportchef bei TV-Sender Sky das Positionspapier, „weil St. Pauli der Verein ist, der irgendwo als das gute Gewissen des deutschen Fußballs dasteht und dann direkt mit dem nächsten Thema kommt. Das fand ich schade.“

Oke Göttlich
Oke Göttlich © Thorsten Ahlf | Thorsten Ahlf

„Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, was seine Kritik inhaltlich beinhaltet. Wenn er das Papier in Gänze liest, weiß er, welche Vorteile es auch für seinen Verein mit sich bringt“, reagierte Göttlich und spielte auf das Ziel „mehr Chancengleichheit für alle“ an. Damit das möglich ist, regt St. Pauli an, dass sich die Ausgaben künftig an den Einnahmen orientieren. Und wer diese Vorgabe nicht einhält, könnte eine Art „Luxussteuer“ zahlen, die in einen Solidarfonds eingezahlt wird.

„Große Vereine können Liga nicht allein bestreiten“

Auch das Einführen einer Gehaltsobergrenze würde Göttlich befürworten. „Das ist ein wichtiger Denkanstoß“, sagte Göttlich. Die Deckelung der Gehälter von Spielern wurde in zwei Gutachten des Bundestages als realisierbar angesehen. Die Untersuchungen hatte SPD-Politiker Thomas Oppermann laut „Süddeutscher Zeitung“ in Auftrag gegeben.

Der St.-Pauli-Präsident fordert, dass die DFL eine Vorreiterrolle bei der Umsetzung einnehmen soll. „Wer sich zutraut, ein Hygienekonzept zum Neustart der Bundesliga hinzubekommen, der darf auch als Vorreiter in finanztechnischen Fragestellungen gelten, um Ansätze in der Diskussion nach vorne zu tragen, die dann auch gesamtgesellschaftlich und auf europäischer Ebene zu einem gesünderen Wettbewerb führen“, so Göttlich.

Und genau das wird die Umsetzung des gut gemeinten Papiers so schwierig machen. „Big Player“ wie Bayern München, Borussia Dortmund oder Bayer Leverkusen haben im Hinblick auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit wenig Interesse daran, bei der TV-Geldverteilung auf einen Teil der Einnahmen zu verzichten. „Die großen Vereine sind für die Attraktivität der Liga von Relevanz, am Ende können sie aber nicht allein die Liga bestreiten“, sagt Göttlich, der nicht verraten wollte, welche Vereine St. Pauli bei der Umsetzung der Fußball-Reformen unterstützen wollen. Es ist aber kein Geheimnis, dass es vor allem die kleinen und mittelgroßen Clubs aus den Profiligen sind, die St. Paulis Anliegen teilen.

St. Pauli regt an, einen Fanbeirat unter dem Dach der DFL zu eta­blieren

In den kommenden Wochen will St. Pauli im Rahmen von Klausurtagungen mit Mitgliedern und Fans das Positionspapier erweitern. „Wir fühlen uns gut mit eingebunden“, sagte Henning Rennekamp, Mitglied der aktiven Fanszene des FC St. Pauli. Dass tatsächlich alle Gedankenmodelle in die Tat umgesetzt werden, glaubt Rennekamp nicht. „Man wird skeptischer, ob wirklich Taten folgen“, erklärte der St.-Pauli-Fan, der hofft, dass die Fußballfans in Deutschland mehr Gehör bei wichtigen Entscheidungen im Profifußball finden.

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Deshalb regt St. Pauli an, einen Fanbeirat unter dem Dach der DFL zu eta­blieren. „Viele Fans sind in einer Vertrauenskrise. Zähneknirschend haben wir Geisterspiele akzeptiert, aber nur, wenn es dann auch klare Reformen gibt“, sagte Rennekamp. Und wenn das St.-Pauli-Konzept keinen Anklang findet? „Ich sehe die Gefahr, dass sich Fans abwenden werden, weil es nicht mehr ihr Fußball ist“, prognostizierte Rennekamp.