Hamburg. HSV-Mitglieder stimmen über eine Rechtsform-Änderung ab. Anne Gnauk und Michael Papenfuß erklären die Vorteile.

Am Dienstag versammelte sich ein Teil der HSV-Mitglieder im Haus des Sports am Bahnhof Schlump. Dort hatte der HSV e.V. bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr geladen, um über die geplante Rechtsformänderung von der AG zu einer Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) zu informieren, bevor es auf der Mitgliederversammlung am Sonnabend zur finalen Abstimmung in der Wilhelmsburger Inselpark-Arena kommt.

Um die Weichen für die Zukunft zu stellen, bedarf es einer Dreiviertelmehrheit der Mitglieder, die ihre Fragen auf den beiden Veranstaltungen und per Mail gestellt haben.

„Wir haben das Feedback erhalten, dass dieser Prozess sehr transparent und informativ abläuft. Deshalb gehen wir davon aus, dass die Mitglieder für die Rechtsformänderung stimmen“, sagt Anne Gnauk, stellvertretende Geschäftsführerin des HSV e.V., im Abendblatt-Podcast „HSV – wir müssen reden“ (der Player folgt am Ende des Textes).

HSV erklärt Vorteile der Rechtsformänderung

Neben der Ex-Leichtathletin gehört auch Vizepräsident und Aufsichtsratschef Michael Papenfuß der Arbeitsgruppe Rechtsform beim HSV an, die sich seit zwei Jahren mit dem Thema beschäftigt. Gnauk spricht von einem „intensiven Prozess“, doch was verbirgt sich eigentlich dahinter?

„Es geht darum, die Mitgliederrechte zu stärken und die Voraussetzungen zu schaffen, Kapital einzusammeln“, fasst Papenfuß die Vorteile einer KGaA zusammen. Konkret soll durch ein Zwei-Säulen-Modell eine klare Trennung von operativer Führung und Vermögensbeteiligung entstehen. Papenfuß spricht von einer „unsichtbaren Mauer“, die eine Einflussnahme der Investoren verhindern soll. „Dadurch schaffen wir Voraussetzungen, die wir in der AG nicht haben.“

Eine noch zu gründende HSV Fußball Management AG betriebe das operative Geschäft und wäre zu 100 Prozent im Besitz des e.V. Die Kontrollorgane blieben dieselben wie in der AG: Der personell unveränderte Aufsichtsrat besetzt und kontrolliert den Vorstand, und das Präsidium schlägt Mitglieder des Aufsichtsrats vor, die der Prüfung des Beirats obliegen.

HSV will Rechtsform aus Position der Stärke ändern

Neu ist dagegen, dass die Gewichtung aller Anteilseigner in einer HSV Fußball AG & Co. KGaA abgebildet wären, die einen eigenen Aufsichtsrat erhielte. Dieser hätte lediglich eine informierende Rolle für die Gesellschafter.

„Wir sind innerhalb der Arbeitsgruppe davon überzeugt, dass dieses Modell sehr zukunftsträchtig ist“, sagt Gnauk. Der Clou an der Geschichte ist, dass der HSV die Rechtsform aus einer Position der Stärke ändern will.

„Eine Reform sollte nie aus der Not geboren werden“, unterstreicht Papenfuß. Der HSV sei also nicht abhängig vom Wechsel in eine KGaA. Es gehe vielmehr darum, schon jetzt den wirtschaftlichen Weg für die Zukunft zu ebnen. „Wir haben nicht die konkrete Absicht, unmittelbar nach der Mitgliederversammlung Kapital einzusammeln“, sagt Papenfuß, „und zwar unabhängig vom Aufstieg.“

Anne Gnauk, stellvertretende Geschäftsführerin des HSV e.V., und Vizepräsident sowie Aufsichtsratschef Michael Papenfuß beim Abendblatt.
Anne Gnauk, stellvertretende Geschäftsführerin des HSV e.V., und Vizepräsident sowie Aufsichtsratschef Michael Papenfuß beim Abendblatt. © HA | Thorsten Ahlf

Der HSV-Deal mit Kühnes 30 Millionen

Es ist einer der vielen elementaren Unterschiede im Vergleich zur Ausgliederung der Profifußball-Abteilung im Jahr 2014. Ein Modell, das zehn Jahre später als gescheitert betrachtet werden kann. Statt der versprochenen „strategischen Partner“ zeichnete Investor Klaus-Michael Kühne Aktien. „Es wurde damals wenig inhaltlich kommuniziert und viel Polemik betrieben“, vergleicht Gnauk, die bekräftigt, die Rechtsformänderung viel detaillierter ausgearbeitet zu haben als die Verantwortlichen von 2014.

Anders als damals soll diesmal nicht der FC Bayern mit seinen Großanteilseignern Adidas, Audi und Allianz als Vorbild dienen. Vielmehr soll sich der verantwortliche HSV-Vorstand um Jonas Boldt (Sport) und Eric Huwer (Finanzen) Zeit lassen mit der Investoren-Akquise. „Man kann einen dreistelligen Millionenbetrag zusätzlich hereinholen“, sagt Papenfuß trotz der in der Satzung zu verankernden Obergrenze von 50 Prozent.

Sollten die Mitglieder für eine Rechtsformänderung stimmen, würde sich Kühnes 30-Millionen-Euro-Darlehen, das momentan auf einem Festgeldkonto geparkt ist, in HSV-Anteile umwandeln – der Milliardär würde dann 21,4 Prozent halten.

Wandeln weitere HSV-Investoren Millionen in Anteile um?

Nach diesem Deal können noch weitere 18 Prozent veräußert werden – und wieder könnten zehn Millionen Euro von Kühne kommen. So verfügt der Unternehmer gemeinsam mit drei Hamburgern um Ex-Aufsichtsrat Felix Goedhart über eine einseitige Option, den für die Stadionmodernisierung benötigten 20-Millionen-Euro-Kredit in Anteile umzuwandeln.

Bei mindestens einem dieser Geldgeber könne sich Papenfuß „durchaus vorstellen“, dass es auch dazu komme, der HSV das Geld also nicht zurückzahlen müsste. „Es sind auch Kapitalgeber dabei, die weiterhin anonym bleiben wollen“, ergänzt der Finanzexperte. Denen bieten wir die Möglichkeit, über das Modell Supporters Trust weiterhin anonym zu bleiben.“

Durch dieses Modell kann jeder Fan schon mit kleinen Beträgen Anteile erwerben. Damit folgt der HSV dem Beispiel des fanfreundschaftlich verbundenen Clubs Glasgow Rangers. Noch sei allerdings „gar nicht festgelegt“, ob auch Nicht-Mitglieder investieren können, sagt Gnauk. Die konkreten Details, deren Ausarbeitung Kosten im voraussichtlich mittleren sechsstelligen Bereich verursachen werden, wolle der HSV erst nach der Mitgliederversammlung angehen.

HSV-Kontrollfunktion gegen Private-Equity-Firmen

Um aus Negativbeispielen wie der KGaA von Hertha BSC zu lernen, will der HSV eine 25-Prozent-Grenze für Gesellschafter in der Satzung festschreiben und den Fokus auf regionale Investoren legen. Ohnehin sollen keine Anteile an umstrittene Private-Equity-Firmen sowie Multiclubinvestoren veräußert werden, wenngleich sich dieser Passus nicht in einer Satzung festschreiben lasse.

„Deshalb haben wir Leitplanken entwickelt, wie wir uns potenzielle Investoren vorstellen“, sagt Papenfuß, der zugleich den Kontrollmechanismus erklärt. „Das ist eine Art Regieanweisung für den Vorstand und den Aufsichtsrat. Wenn diese missachtet würde, hätte die Mitgliederversammlung die Möglichkeit, das Präsidium abzuwählen. Die Konsequenzen wären dann ein neuer Vorstand und ein neuer Aufsichtsrat. Deshalb glaube ich nicht, dass diese roten Linien überschritten würden.“

Und wenn ein neuer Vorstand in der Zukunft doch einmal anders entscheiden sollte als Boldt und Huwer? Papenfuß räumt ein, dass die „Umsetzung immer von den handelnden Personen abhängt“, er bekräftigt aber auch: „Wir haben die gegenseitige Kontrolle ausbalanciert.“

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Papenfuß und Gnauk sind überzeugt, dass eine Rechtsformänderung nur Vorteile mit sich brächte. „Die Rechtsformänderung wäre eine ganz klare Verbesserung. Der einzige ,Nachteil’ wäre, dass wir für Investoren, die primär auf Rendite aus sind, unattraktiv wären“, sagt Gnauk bezogen auf die fehlende Einflussnahme der Kapitalgeber. Das sei aber durchaus so gewollt.

Doch was passiert, wenn sich die Mitglieder gegen eine KGaA entscheiden sollten? Dann könnte der HSV in seiner aktuellen Struktur einer AG keine weiteren Anteile mehr verkaufen und müsste sich frisches Geld in Form von Krediten besorgen, die „teuer verzinst zurückgezahlt“ werden müssten, erklärt Papenfuß. „Dann würde die Welt zwar nicht untergehen, aber es wäre für den HSV die schlechtere Alternative“, ist er überzeugt. Sind es auch die Mitglieder?

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