Hamburg. Vor zehn Jahren wurden strategische Partner, Millionen, Europa versprochen – und nichts davon wurde gehalten. Und heute? Ein Kommentar.

Am Sonnabend geht es für den HSV um mehr als 100 Millionen Euro. Das ist erst einmal ein schmissiger erster Satz, oder? Und das Beste: Der Satz stimmt sogar. Hat HSV-Vizepräsident Michael Papenfuß gerade erst im Abendblatt-Podcast „HSV – wir müssen reden“ erklärt. Und doch reicht dieser eine Satz eben nicht aus, um daraus die wunderbar zu verkaufende Überschrift „Der HSV und die 100-Millionen-Euro-Entscheidung“ zu basteln. Zumindest nicht, wenn man sich vor der Mitgliederversammlung des HSV an diesem Wochenende seriös mit der Hauptthematik auseinandersetzt.

Diese Hauptthematik einmal ganz nüchtern betrachtet: Am Sonnabend geht es für den HSV darum, ob eine Dreiviertelmehrheit der anwesenden Mitglieder dafür stimmt, dass aus der HSV AG eine HSV KGaA wird. Das klingt natürlich nicht so sexy wie die 100-Millionen-Entscheidung, ist aber richtig. Und wichtig ist es eben trotzdem.

HSV: Stimmen die Mitglieder für eine KGaA?

Seit drei Jahren wird hinter den Kulissen genau an dieser Entscheidung gearbeitet. Es gab eine Arbeitsgruppe, Experten, Informationsveranstaltungen und natürlich auch Kosten. Komplett unterschiedliche Interessensgruppen mussten sich austauschen: Ultras, Vorstand, Supporters und Vertreter von Anteilseigner Klaus-Michael Kühne an einem Tisch. Und am Ende sind sich (fast) alle einig: Ein Rechtsformwechsel ist der richtige Schritt für die Zukunft des HSV.

Doch wer das Beste für die Zukunft will, der darf auch den Blick in die Vergangenheit nicht vergessen. Schließlich ist es ziemlich genau zehn Jahre her, dass der HSV schon einmal einen ähnlichen Prozess durchgemacht hat. Damals, im Frühjahr 2014, ging es um die Ausgliederung der Profiabteilung in eine HSV AG.

Vor zehn Jahren wurde von der Initiative „HSV Plus“ viel versprochen

Der Blick zurück nach vorne: An einem Dienstag im Frühjahr 2014 wurden die damaligen Pläne im Haus des Sports vorgestellt. „Nicht gut gewollt, sondern exzellent gemacht“, hatte Karl Gernandt, der damalige Kopf der Bewegung „HSV Plus“, die Pläne in einem Satz umrissen. Und auch schon damals wurde über diese magische Summe gesprochen: einen dreistelligen Millionenbetrag.

Das Versprechen seinerzeit: strategische Partner und sportlicher Erfolg. „Professioneller Fußball hat wenig mit Zufälligkeiten oder Elf-Freunde-Mentalität zu tun, sondern mit professioneller Vorbereitung – und vor allem mit Disziplin“, hatte Gernandt auf der Informationsveranstaltung vor zehn Jahren gesagt.

Die Ausgliederung war einer der größten HSV-Reinfälle

Unter dem Strich kann man heute sagen: Die Umsetzung der Ausgliederung war einer der größten Reinfälle der HSV-Geschichte. Sämtliche Versprechen wurden gebrochen, es gab keinen einzigen strategischen Partner, Millionen wurden versenkt. Und statt zum internationalen Top-Club, wie es vollmundig angekündigt wurde, entwickelte sich der HSV zum Zweitligadino.

Warum sollten HSV-Mitglieder an diesem Sonnabend also den Versprechen der Entscheidungsträger von 2024 nach den Erfahrungen von 2014 trauen? Ganz einfach: weil es diesmal keine vollmundigen Versprechen gibt.

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Zwar hat Michael Papenfuß, zugleich Aufsichtsratsvorsitzender der AG, tatsächlich von einem dreistelligen Millionenbetrag im Abendblatt-Podcast gesprochen. Er hat aber auch betont, dass dies lediglich ein theoretischer Wert sei. „Es besteht aktuell keine Not, Geld einzusammeln“, sagte er.

Papenfuß und Co. verzichteten darauf, blühende HSV-Landschaften in Powerpointpräsentationen vorzustellen. Statt HSV-Fans mit romantisch-kitschigen Slogans wie „Aufstellen für Europa“ zu ködern, gab es in den vergangenen drei Jahren einen gemeinsamen Entwicklungsprozess. Im Ergebnis bedeutet das, dass es bei einer KGaA nun eine strukturelle Trennung zwischen dem operativen Geschäft auf der einen und den Kapitalgebern auf der anderen Seite geben soll. Mitgliederrechte sollen gestärkt, der Einfluss von Investoren soll verhindert werden. Beides ist richtig und gut.

HSV: Diesmal sollen keine unseriösen Versprechungen abgegeben werden

Kurioserweise wurde genau das auf der letzten Informationsveranstaltung in dieser Woche noch einmal im Detail erläutert. Wieder ein Dienstag, wieder im Haus des Sports. Nur anders als vor zehn Jahren wurde diesmal nicht der HSV-Weg in Europas Spitze vorgestellt. Und auch das: richtig und gut.

Doch was würde passieren, wenn es am Sonnabend keine Dreiviertelmehrheit geben würde? „Dann“, sagt Michael Papenfuß, „würde die Welt auch nicht untergehen.“ Aber er sei zuversichtlich. Schließlich habe man den gesamten Arbeitsprozess gut gemacht. Und nichts exzellent gewollt.