Hamburg. Co-Trainer hat eine bunte US-Karriere hinter sich, Weggefährten schätzen den Analyse-Profi auch als guten Charakter. HSV zahlte Ablöse.

René Wagner? Hatte Fabian Wohlgemuth noch nie gehört. Richard Wagner, der Komponist und Schriftsteller – klar, den kannte er. Oder Wagner, die Tiefkühlpizza. Aber wer soll dieser René sein? Als Wohlgemuth im Mai 2020 als Sport-Geschäftsführer beim SC Paderborn anheuerte, stand der Abstieg der Ostwestfalen in die Zweite Liga schon so gut wie fest. Im Zuge des Wiederaufbaus suchte Wohlgemuth einen neuen Mann für das Scouting- und Analyseteam – und bekam einen Tipp. Von wem dieser Tipp kam, das will er nicht verraten. Nur so viel: „Wir haben uns damals nicht länger als zwei Stunden unterhalten müssen, ehe für mich feststand, dass René der richtige Mann ist. Abgesehen von seinen Fähigkeiten war er mir auch von Anfang an einfach sympathisch“, erinnert sich Wohlgemuth.

Der frühere Chefscout des HSV-Nachwuchses, der heute als Sportdirektor beim VfB Stuttgart auf die Champions League hoffen darf, hatte mal wieder das richtige Näschen. Wagner (der Trainer, nicht die Pizza) passte perfekt zu Steffen Baumgart, beide gingen später gemeinsam zum 1. FC Köln und vor einem Monat zum HSV.

Im Kennenlerngespräch mit Wohlgemuth berichtete Wagner damals auch über seine außergewöhnliche Laufbahn. Weil er als Spieler in Deutschland nicht über den gehobenen Amateurbereich hinauskam, ging er 2012 für ein Jahr an ein US-College, spielte für die Pacific Sharks der Hawaii Pacific University.

HSV News: Co-Trainer Wagner hat bunte US-Karriere hinter sich

Nach weiteren Stationen beim VFC Plauen, Wacker Nordhausen und dem Bischofswerdaer FV zog es den gebürtigen Dresdner 2015 zurück nach Hawaii, wo er seinen Master in „Human Resources“ machte und parallel erste Trainererfahrungen bei den Pacific Sharks sammelte. 2017 folgte der Umzug nach Florida, über verschiedene Fußball-Akademien und das College-Team der Barry University kam er schließlich als Trainer zu den Nachwuchsteams des David-Beckham-Clubs Inter Miami (Major League Soccer).

Dann kamen Wohlgemuth und Paderborn. Kleiner Kulturschock, aber für Wagner kein Problem. „René ist total uneitel. Wenn in Paderborn am letzten Tag eines Transferfensters niemand da war, der den Spieler vom Bahnhof abholen konnte, hat er das einfach gemacht. Er hat sich um viele Dinge gekümmert, was sehr gut ankam“, sagt Wohlgemuth. „Die Nähe zu Steffen Baumgart ist durch seine sehr gute Analysefähigkeit entstanden. René und Steffen ergänzen sich perfekt.“

In Paderborn erklärte er dem Trainerteam die Scoutingprogramme

Wagner war während seiner Zeit in Paderborn ausschließlich als Scout und Analyst angestellt, mit der Zeit übernahm der A-Lizenz-Inhaber auch zunehmend Traineraufgaben. Als der SCP das Scoutingprogramm „Scoutpanel“ einführte, erklärte der technisch äußerst versierte 35-Jährige dem Trainerstab das Programm. Ein weiterer Vorteil: Wagner, der seine Frau in den USA kennengelernt hat, spricht fließend englisch, was bei der Kommunikation mit ausländischen Profis äußerst hilfreich ist.

„René ist nicht nur ein unheimlich hilfsbereiter und zuvorkommender Mensch, sondern auch sehr intelligent und technisch versiert. Wenn es Fragen zu IT-Themen und Programmen gab, war er sofort zur Stelle“, weiß auch André Pawlak. Der Co-Trainer des 1. FC Köln lernte Wagner im Sommer 2021 kennen, als dieser gemeinsam mit Baumgart an den Rhein wechselte. Auch damals schon war es Baumgarts klarer Wunsch, dass Wagner ihn begleitet.

In Köln fügten sich Baumgart und Wagner schnell ein

„Wenn ein Co-Trainer schon lange im Verein ist und dann ein Neuer von außen dazukommt, muss man sich am Anfang natürlich erst mal beschnuppern. Steffen hat das damals sehr gut moderiert, wir haben alle sehr schnell zueinandergefunden“, sagt Pawlak, der wie HSV-Co-Trainer Merlin Polzin von seinem Verein unabhängig vom jeweiligen Cheftrainer beschäftigt wird. In Köln führte Baumgart ein, dass sich jeder seiner Co-Trainer auf einen Mannschaftsteil fokussiert. Wagner kümmerte sich somit als früherer Mittelfeldspieler bereits zu Kölner Zeiten um das Mittelfeld. Polzin betreut beim HSV mittlerweile die Abwehr, der dritte Co-Trainer Loic Favé den Angriff.

Bei aller fachlichen Expertise hebt Pawlak auch Wagners Charakter hervor. Obwohl sich die beruflichen Wege mit Baumgarts Freistellung im vergangenen Dezember trennten, bezeichnet ihn Pawlak als Freund. „Obwohl René kein gebürtiger Rheinländer ist, hat er auch die Karnevalskultur sehr gut adaptiert“, sagt Pawlak und lacht. Auch bei den Spielern in Paderborn und Köln kam Wagners humorvolle und bodenständige Art gut an, im Gegensatz zum Zuckerbrot-und-Peitsche-Ansatz von Baumgart ist der Co-Trainer eher der auf Augenhöhe agierende Kumpel-Typ.

Wagner und Baumgart haben die gleiche Vertragslaufzeit

Beim HSV besitzt Baumgart einen Vertrag bis Sommer 2025, auch Wagners Arbeitspapier läuft so lange. „Ich gehe den Weg mit René seit mehreren Jahren sehr erfolgreich. Deshalb ist es wichtig für mich, dass er dabei ist. Er wird einen Mehrwert für den gesamten Verein haben“, sagte Baumgart bei seiner Vorstellung vor vier Wochen.

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Weil der neue HSV-Coach nicht auf Wagner verzichten wollte, zahlten die Hamburger sogar eine Ablöse an die Kölner. Wagner wiederum sagte dem HSV zu, obwohl er im Volkspark weniger verdient als zuvor am Rhein. Baumgart und Wagner wissen, was sie neben ihrer Freundschaft auch fachlich voneinander haben.

Auf eine Sache wollen sie aber unbedingt verzichten: eine Relegation gegen den 1. FC Köln und Ex-Kollege Pawlak im Mai. Aber die können ja angenehmerweise beide Seiten noch verhindern.