Hamburg. Rund 0,6 Prozent der Mitglieder entscheiden über Zukunft des HSV. Woran das geringe Interesse liegt, obwohl es um so viel geht.

Wenn Versammlungsleiter Kai Esselsgroth die außerordentliche Mitgliederversammlung des HSV am Sonnabend um 11 Uhr in der Wilhelmsburger Inselpark-Arena eröffnet, wird auch Tim-Oliver Horn zu den Anwesenden zählen (abendblatt.de bietet einen Liveticker an).

Trotz der geringen Anzahl der zu erwartenden 500 bis 800 Fans betrachtet der ehemalige Chef der Fan-Dachorganisation HSV-Supporters seine Teilnahme als selbstverständlich. „Es ist eine zukunftsweisende Wahl, bei der es um viel geht“, sagt Horn dem Abendblatt über den anvisierten Rechtsformwechsel von einer Aktiengesellschaft (AG) zu einer Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA).

Diese Änderung ermöglichte es dem HSV, mehr Anteile als die aktuell veräußerten 24,9 Prozent zu verkaufen und damit mehr Kapital einzunehmen. Für Horn ist es deshalb „die wichtigste Mitgliederversammlung seit zehn Jahren“.

HSV-Rechtsform: Ein Vergleich zu 2014

Damals, also 2014, stand der HSV schon einmal vor einer zukunftsweisenden Wahl, um bei Horns Wortwahl zu bleiben. Fast 10.000 Fans versammelten sich an jenem sonnigen Mai-Tag im Volksparkstadion, um für die Ausgliederung der Profifußballabteilung in eine AG zu stimmen, wodurch sich der HSV für Investoren öffnete.

Auch Horn, anfangs ein „großer Gegner“ der damaligen Initiative HSVPlus, stimmte einst für die Ausgliederung. „Weil es an einer Alternative fehlte“, wie er heute sagt. „Doch anstatt uns für Europa aufzustellen, wie es großmundig angekündigt wurde, haben wir uns für die Zweite Liga aufgestellt. Im Nachhinein war die Ausgliederung die falsche Entscheidung, die wir aber nicht mehr rückgängig machen können.“

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0,6 Prozent entscheiden über die HSV-Zukunft

Zehn Jahre später haben Horn und die Mitglieder das Mitwirken von Investoren in ihrem HSV längst hingenommen. Mit dem Rechtsformwechsel in eine KGaA können sie nun aber ihre Rechte stärken. Denn die in einem Zwei-Säulen-Modell vorgesehene HSV Fußball Management AG betriebe das operative Geschäft und wäre zu 100 Prozent im Besitz des e.V. In einer ebenfalls neu zu gründenden HSV Fußball AG & Co. KGaA wäre die Gewichtung der Investoren abgebildet.

Klingt wichtig. Und dennoch ist das Interesse der Mitglieder bislang überschaubar. Sollten am Ende, wie erwartet, tatsächlich nur rund 600 Fans nach Wilhelmsburg kommen, würden rund 0,6 Prozent der stimmberechtigten 109.000 Mitglieder über die Zukunft des HSV entscheiden.

„In meinem Umfeld merke ich überhaupt keine Diskussion, die Leute sind entweder dafür oder es ist ihnen egal“, klagt Horn, der 2014 noch mit zehn bis 15 Freunden, so genau erinnert er sich nicht mehr, zur Mitgliederversammlung ging. „Diesmal bin ich der Einzige.“

Horn nimmt HSV-Fans in die Pflicht

Dabei tat der HSV alles, um das Interesse bei seinen Fans zu wecken. Im Haus des Sports wurden zwei Informationsveranstaltungen organisiert. Über eine eigens eingerichtete E-Mail-Adresse wurden zudem alle Mitgliederfragen zu dem komplexen Thema beantwortet.

„Ich habe das Gefühl, dass die meisten Fans diese Angebote gar nicht wahrgenommen haben. Dadurch wissen viele gar nicht, worum es nun geht“, kritisiert Horn, der die Kommunikation und Transparenz des HSV lobt und die Fans in die Pflicht nimmt. „Mitglied zu sein, bedeutet nicht nur Vorteile, sondern auch Pflichten. Niemand, der nicht anwesend war, darf sich hinterher über die Rechtsform beschweren.“ Er vermutet, dass das Thema für viele nicht so greifbar ist wie die Ausgliederung 2014.

Der ehemalige Supporters-Chef werde für eine KGaA stimmen. „Für mich ist es eine Kurskorrektur im Vergleich zu 2014, der Kompass wird neu justiert“, erklärt er seine Haltung und führt aus: „In einer KGaA läge wieder mehr Entscheidungsspielraum innerhalb des Vereins.“

Der frühere Chef der HSV-Supporters, Tim-Oliver Horn.
Der frühere Chef der HSV-Supporters, Tim-Oliver Horn. © WITTERS | TimGroothuis

Worum die HSV-Mitglieder aufpassen müssen

In der AG konnten die Investoren auf der Hauptversammlung Einfluss auf wichtige Entscheidungen nehmen. Das wäre bei einem Rechtsformwechsel nicht mehr der Fall. „Ob die Geldgeber dann auch wirklich keinen indirekten Machteinfluss ausüben, werden wir sehen“, zweifelt Horn. „Wer die Musik bezahlt, bestimmt häufig auch, was gespielt wird. An dieser Stelle müssen die HSV-Mitglieder aufpassen.“

Auch wenn der e.V. Private-Equity-Firmen ausschließt und eine 25-Prozent-Grenze für Gesellschafter festschreiben will, kann in der Theorie eine bei Fans unbeliebten Firma beim HSV einsteigen. „Es bleibt das Risiko, dem handelnden Vorstand vertrauen zu müssen“, sagt Horn. Das sei bei der AG aber ähnlich gewesen.

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Ein weiterer Anteilsverkauf sei für ihn ohnehin nur eine Frage der Zeit gewesen. „Die Grenze von 24,9 Prozent wäre früher oder später sowieso gefallen, da muss man als Fan nicht blauäugig sein“, sagt Horn. „Daher sollten wir lieber jetzt aus einer Position der Stärke die Möglichkeiten dafür schaffen.“

Denn im Falle eines Rechtsformwechsels verfolgt der HSV gar nicht das Ziel, sofort mehr Geld einzusammeln. Für den Moment würde sich nur das 30-Millionen-Euro-Darlehen von Klaus-Michael Kühne in Anteile umwandeln. Es liegt an den Mitgliedern, ob sie die Voraussetzung für mehr Kapital schaffen wollen.