Hamburg. HSV-Stürmer über die Offensivprobleme, die Positionsdebatte um Benes, Trainer Baumgart und seine Zukunft ab Sommer.
Robert Glatzel hat drei direkt aufeinanderfolgende Trainingseinheiten hinter sich, als er in einem Raum neben der Schiedsrichter-Kabine im Volksparkstadion Platz nimmt. Hier, wo sich am Spieltag die Ordner treffen und ihren Einsatz besprechen, ist der HSV-Stürmer am Mittwoch mit dem Abendblatt verabredet.
Zuvor war ein zweistündiges Mannschaftstraining zwischen zwei Einheiten im Kraftraum angesetzt. „Das ist schon ein gutes Pensum“, sagt der frisch geduschte und in einem seiner beliebten weißen Hoodies gekleidete Torjäger über den Trainingsplan des neuen Trainers Steffen Baumgart, der diesen Rhythmus ohne längere Pausen von seiner vorherigen Station beim 1. FC Köln adaptiert hat.
HSV-Stürmer Glatzel: Viele Gespräche mit Baumgart
Seit der neue Coach vor drei Wochen beim HSV übernommen hat, führte er viele Einzelgespräche mit Glatzel – sowohl nach Videoanalysen als auch während des Trainings.
Dabei ging es wie schon unter Vorgänger Tim Walter um die Positionierung des Torjägers, der so gern aktiv am Spiel teilnimmt, indem er sich die Bälle im Mittelfeld abholt und dadurch als Zielspieler im Sechzehner fehlt.
„Steffen Baumgart hat mir gesagt, dass ich mich häufiger im Strafraum aufhalten soll. Am Ende verfolgen wir dasselbe Ziel: Keiner will so gern ein Tor machen wie ich.“
Glatzel: Woran die HSV-Offensive hakt
Doch seit Baumgart die Spielidee des HSV verändert hat, hakt das Toreschießen. Die Offensive wird von Woche zu Woche harmloser, worunter auch Glatzel leidet. In den drei zurückliegenden Partien traf er nur einmal per Elfmeter – zu wenig für seine Ansprüche und die des Clubs.
Während der Partie in Düsseldorf (0:2) habe sich der 30-Jährige selbst gefragt, warum er seltener in Abschlusssituationen komme. „Es ist klar, dass bei einer neuen Idee nicht alles von heute auf morgen klappt, es ist ein Prozess. Wir haben in den letzten beiden Spielen in der Offensive einen Tick zu viel nachgedacht, was die richtige Aktion sein könnte. In der Folge haben wir nicht mehr so befreit aufgespielt, wie wir es gedurft hätten.“
Wie Favé beim HSV Glatzel hilft
Mit Loic Favé hat Baumgart einen Assistenten, der sich schwerpunktmäßig um die Stürmer kümmert. Ein- bis zweimal die Woche findet nach dem Training eine Videobesprechung auf einem Beamer statt, in der sowohl die eigenen Szenen, als auch die Bewegungsabläufe von Topstürmern analysiert werden.
„Ich finde es richtig cool, dass wir für die einzelnen Positionen einen Ansprechpartner haben, um in Kleingruppen detailliert und mithilfe zusätzlicher Videos auf spezifische Szenen einzugehen“, sagt Glatzel, der sich als Führungsspieler ebenfalls einbringt. Doch der Ertrag bleibt bislang aus.
Wie Baumgarts Kritik bei Glatzel ankommt
Baumgarts Plan beinhaltet laufintensives Pressing und schnelles Umschaltspiel. Doch die Mannschaft tut sich schwer, die Ideen des neuen Trainers umzusetzen, obwohl sie den Eindruck erwecken soll, voll mitzuziehen.
„Vielleicht sollten wir einfach mal umsetzen, was vorher klar besprochen wurde“, schimpfte Baumgart nach der Niederlage in Düsseldorf. Eine Woche zuvor beklagte der neue HSV-Trainer nach dem Osnabrück-Spiel (1:2) die mangelnde Mentalität der Profis.
Mit seiner deutlichen Kritik will Baumgart die Spieler aus ihrer Komfortzone locken. Es sind Worte, für die Glatzel, der nach Niederlagen ebenfalls gern die Mängel benennt, Verständnis zeigt. „Ich finde es gut, Fehler knallhart anzusprechen.“
Glatzel über Benes: Die Wahrheit gesagt
Direkte Worte fand auch Mitspieler Laszlo Benes über seine ungewohnte Position als Linksaußen beim HSV. „Jeder weiß, dass das nicht meine Position ist“, hatte der zentrale Mittelfeldspieler nach dem Düsseldorf-Spiel gesagt. Eine Aussage, die kurzzeitig auch ein Gesprächsthema in der Kabine war.
„Laszlo hat letztlich die Wahrheit gesagt. Niemand hat sich angegriffen gefühlt, auch nicht der Trainer. Es wurde nur viel daraus gemacht“, sagt Glatzel. Benes habe im Anschluss auch mit Baumgart über die Situation gesprochen. „Beide sind total klar miteinander“, sagt der Stürmer.
Im Ergebnis wird der torgefährliche Slowake (elf Tore, acht Vorlagen) beim Heimspiel gegen Wiesbaden (So., 13.30 Uhr) wieder hinter der Spitze agieren, wovon auch Glatzel profitieren will. „Laszlo ist ein sehr wichtiger Spieler für mich und die gesamte Mannschaft. Er hat die Qualität mit seinem super Fuß, Spieler optimal in Szene zu setzen“, sagt der gebürtige Münchner, der sich von dieser Maßnahme mehr Zuspiele erhofft.
HSV-Stürmer Glatzel: Zwei Vertrauenspersonen
Damit würde Benes auch den Wunsch von Glatzels Vater erfüllen, der sich mehr Flanken für seinen Sohn wünsche. Als Vertrauensperson ist dieser von großer Bedeutung im Leben des zwischenzeitlich in die siebte Liga abgerutschten Stürmers. Wann immer es sportlich nicht so gut läuft, so wie aktuell, sucht der Profi den Kontakt zu seinem Vater, der ihm „wertvolle Tipps“ gebe.
Doch es gibt noch eine zweite Person, mit der sich Glatzel über seine sportliche Situation intensiv austauscht: Ehefrau Natasa. „In solchen Gesprächen nimmt sie eine zuhörende, fast schon therapeutische Funktion ein. Natasa ist mittlerweile ein riesen HSV-Fan, ich habe sie angesteckt“, sagt Glatzel vor Freude über sein familiäres Glück.
Sorgt Tochter Elea für Glatzels HSV-Verbleib?
Gemeinsam mit Natasa und seinen beiden Töchtern Elea und Alicia hat der HSV-Profi seinen Lebensmittelpunkt in Eimsbüttel. Als Glatzel im vergangenen Sommer die Wahl hatte, zu einem Bundesligisten zu wechseln, spielte auch die damals kurz vor der Einschulung stehende Elea eine große Rolle in seiner Entscheidungsfindung.
„Sie bekommt zunehmend ein Bewusstsein dafür, was es bedeutet umzuziehen und ihr vertrautes Umfeld zurückzulassen“, sagte Glatzel im Sommer dem Abendblatt, nachdem er sich zuvor für einen Verbleib beim HSV und eine Vertragsverlängerung um zwei Jahre bis 2027 entschieden hatte.
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In drei Monaten könnte Glatzel nun wieder vor einer wichtigen Entscheidung über seine Zukunft stehen. Sollte der HSV den Aufstieg verpassen, könnte er erneut in die Bundesliga wechseln. Seine Ausstiegsklausel, die ihm einen Abgang für rund 2,3 Millionen Euro ermöglichen soll, kann bis zum 15. Juni gezogen werden.
Und wieder könnte Tochter Elea eine wichtige Rolle einnehmen. Denn im Falle eines Transfers müsste Glatzel die Erstklässlerin aus ihrem gewohnten Umfeld reißen, was er eigentlich nicht will. Ein potenzieller neuer Club müsste also schon mehr zu bieten haben als nur die Bundesligazugehörigkeit.
Robert Glatzel: Liebeserklärung an den HSV
Doch am liebsten würde der Stürmer solche Gedanken deshalb gar nicht erst aufkommen lassen. „Es ist mein größter Wunsch, dass ich mich gar nicht mit dieser Frage auseinandersetzen muss. Ich fühle mich beim HSV extrem wohl, es würde mir wahnsinnig viel bedeuten, mit diesem Club aufzusteigen“, formuliert Glatzel eine Art Liebeserklärung an seinen Herzensverein.
Zwar habe er schon einmal darüber nachgedacht, „was passiert wäre, wenn ich gegangen wäre“. Aber er habe seine Entscheidung „zu keiner Sekunde bereut“. „Ich genieße jede Minute, die ich für diesen Club spielen darf. Der HSV ist mir enorm ans Herz gewachsen. Dieses Gefühl, zu Hause zu sein, fehlte mir in meiner bisherigen Karriere. Ich will meinen Vertrag erfüllen.“
Möglicherweise gilt diese Aussage über 2027 hinaus. Nach dem Ende der beiden vergangenen Spielzeiten hatte der HSV Glatzels Kontrakt jeweils verlängert, um ihm seine Ausstiegsklausel abzukaufen. Wiederholt sich das Schicksal? Glatzel lacht. Seine Reise mit dem HSV ist noch nicht zu Ende.