Hamburg. Baumgart muss die Defensive des HSV stabilisieren. Eine Schlüsselrolle nimmt sein Kapitän ein. Was ein Blick nach Paderborn verrät.

Als Steffen Baumgart die HSV-Profis am Donnerstag zum Training bat, war auch Miro Muheim wieder mit dabei. Der Linksverteidiger, der seit dem Rostock-Remis (2:2) am vergangenen Sonnabend gefehlt hatte, hat seine Rückenprobleme überwunden und meldet sich fit für das Heimspiel am Sonntag gegen die SV Elversberg (13.30 Uhr).

Da das Startelfcomeback des lange Zeit verletzten Kapitäns Sebastian Schonlau als sicher gilt und Rechtsverteidiger Ignace Van der Brempt ohnehin gesetzt ist, gibt es nur noch eine offene Position in der zuletzt so viel gescholtenen Abwehr des HSV.

HSV-Trainer Baumgart sucht Gespräch mit Schonlau

Durch die Gelbsperre von Guilherme Ramos wurde ein internes Duell zwischen Stephan Ambrosius und Dennis Hadzikadunic ausgerufen. Die Ausgangslage ist auf den ersten Blick recht einfach beschrieben: Baumgart muss abwägen, ob er auf den zuletzt formschwachen Ambrosius oder dem in dieser Saison schon so häufig an Gegentoren beteiligten Hadzikadunic vertraut.

Für seinen Entscheidungsprozess wird der neue HSV-Coach auch die Meinung Schonlaus mit einbeziehen. Die beiden pflegen ein besonderes Verhältnis, seit ihn Baumgart beim SC Paderborn aus einer sportlichen Sackgasse manövrierte, indem er ihn mit Anfang 20 vom defensiven Mittelfeldspieler zum Innenverteidiger umschulte. Nun dient der Abwehrchef als verlängerter Arm des gebürtigen Rostockers, der bei Schonlau genau hinhören wird, um ein Gefühl für die Mannschaft zu bekommen.

In den Gesprächen zwischen Kapitän und Trainer könnten die entscheidenden Argumente für Ambrosius fallen, denn beide Verteidiger ergänzen sich im Verbund optimal. Es gibt nicht wenige im Volkspark, die Ambrosius’ zuletzt gezeigten, schwächeren Leistungen mit dem Fehlen des Kapitäns begründen, dessen Qualitäten als Abwehrorganisator keiner in seiner langen Abwesenheit übernahm.

HSV: Als Baumgart trotz 50 Gegentoren aufstieg

In der Folge kassierte der HSV in den bisherigen 22 Saisonspielen bereits 33 Gegentore und damit so viele wie noch nie zu diesem Zeitpunkt in der Zweiten Liga. Dass sich der Wert von 1,5 Gegentoren pro Spiel unter Baumgart nicht unbedingt verkleinern muss, deutete der neue HSV-Coach bei seiner Antrittspressekonferenz an. „Wer meine Spiele beobachtet hat, der wird selten ein Zu-null-Spiel erlebt haben. Aber es wird darum gehen, sich drei oder vier Torchancen mehr zu erarbeiten“, sagte er am Dienstag.

Eine Herangehensweise, die bei einer vorschnellen Bewertung an seinen für Spektakelfußball stehenden Vorgänger Tim Walter erinnern könnte. Bei einer genaueren Betrachtung ist Baumgarts Wortwahl durchaus nachvollziehbar, schließlich stieg er 2019 mit Paderborn (und Schonlau) auf, obwohl seine Mannschaft 50 Gegentore kassiert hatte. Eine Quote, die in den zurückliegenden 22 Jahren keiner weiteren Mannschaften auf dem Weg in die Bundesliga gelungen ist.

HSV-Trainer Baumgart setzt auf Umschaltspiel

Das Training am Dienstag gewährte Einblicke, wie Baumgarts Flucht in die Offensive aussehen soll. Bei der rund zweistündigen Einheit legte der HSV-Coach den Fokus auf zielstrebige Angriffe und viele Abschlüsse. In Paderborn führte sein auf ein schnelles Umschaltspiel ausgelegter Powerfußball zu 17 Kontertoren – so viele gelangen keiner anderen Mannschaft.

Durch Baumgarts aggressives Pressing und hohes Anlaufen ermöglichte kein Team der Liga den Gegnern im Schnitt weniger Pässe im Spielaufbau als Paderborn. Diese Spielweise führte zu sage und schreibe 24 Treffern nach Ballgewinnen – auch das war ein ligaweiter Bestwert im Aufstiegsjahr.

HSV-Kapitän Schonlau: Seine Rolle unter Baumgart

Diese Zahlen vermitteln einen ersten Eindruck, welche Spielweise die Fans in Hamburg erwarten können. Und trotzdem wird auch Baumgart darauf achten, die Defensive zu stärken. Zunächst einmal wird Jonas Meffert zurück ins defensive Mittelfeld rücken, nachdem er unter Interimstrainer Merlin Polzin bei gegnerischem Ballbesitz als zentraler Spieler einer Dreierkette positioniert war.

Noch offen ist, ob Meffert einen zweiten Sechser an seine Seite bekommt für Baumgarts favorisiertes 4-2-3-1-System. Denn der HSV-Coach will das Zentrum kompakter gestalten, als es zuletzt der Fall war. Dieses Ziel ließe sich aber auch im bewährten 4-3-3 umsetzen.

Zumal Kapitän Schonlau ab sofort wieder die Anweisungen erteilt und seine Mitspieler sortiert. „Er ist ein außergewöhnlicher Spieler, der sehr wichtig für mich wird“, schwärmte Baumgart bei seinem Antritt über seinen Abwehrchef, auf dem nun alle Hoffnungen für eine stabilere Defensive ruhen.