Hamburg. Horst Heldt holte den neuen HSV-Coach nach einem Geheimtreffen nach Köln und erklärt, warum er auch beim HSV genau der Richtige ist.

Um den neuen HSV-Trainer Steffen Baumgart das erste Mal persönlich zu umwerben, fuhr Horst Heldt mit seinem Auto in die Tiefgarage im Hotel Hyatt Regency Düsseldorf. Von dort aus konnte der damalige Sportchef des 1. FC Köln unerkannt über den Fahrstuhl auf ein Zimmer gelangen und die von vielen Schaulustigen gut besuchte Hotellobby vermeiden.

Niemand sollte Heldt sehen, denn Baumgart stand zu diesem Zeitpunkt noch beim SC Paderborn unter Vertrag und verhandelte im Frühjahr 2021 mit mehreren Vereinen über ein Engagement ab dem Sommer. Einer dieser Vereine war auch der HSV.

HSV-Trainer Baumgart: Wie ein Vertrag in der Tiefgarage begann

Doch zurück zum Geheimtreffen von Düsseldorf, an dem für Köln auch Finanzchef Alexander Wehrle und Club-Berater Jörg Jakobs teilnahmen. „Der Assistent übergab den Zimmerschlüssel an den in der Tiefgarage wartenden Gesprächspartner, der mit dem Aufzug nachkam“, erinnert sich Heldt im Abendblatt-Podcast HSV – wir müssen reden. Sein Gesprächspartner war Steffen Baumgart, der von seinem zuvor kontaktierten Berater Frank Lieberam begleitet wurde.

„Es ist wie bei einem ersten Date“, beschreibt Heldt den ersten Austausch mit einem Trainerkandidaten. „Man beschnuppert sich und redet über Gott und die Welt, um eine gewisse Atmosphäre zu schaffen. Bundesliga-Tinder ist ein gutes Wort dafür, da man zuvor einige Kandidaten wegwischt, um sich auf den einen zu konzentrieren.“

Heldt erklärt, wie man Baumgart holt

Heldt beschreibt erfrischend detailliert, worauf es bei der Trainersuche ankommt, die bis zur Baumgart-Verpflichtung am Dienstag auch beim HSV auf der Agenda stand. „Steffen war extrem gut auf das Gespräch vorbereitet. Er hat Fehler aufgezeigt und gleichzeitig Lösungen präsentiert“, schildert Heldt, der sich mit dem gebürtigen Rostocker auch über die Stärken und Schwächen des Kaders sowie das mögliche Spielsystem unterhielt.

Um im Tinder-Vokabular zu bleiben: „Man prüft, ob beide Seiten matchen“, sagt Heldt, der auch Baumgarts Sozialkompetenz überprüfte. „Man möchte herausfinden, wie verlässlich der Trainer als Mensch ist und ob ich ihm als Spieler vertrauen würde. Ich möchte ihn als Leader erleben.“

Bereits nach dem ersten Treffen stand für den Kölner Manager fest, dass er Baumgart verpflichten will. „Nach diesem außerordentlich guten Gespräch haben wir gesagt: ,Er wird es – und kein anderer!’“

HSV-Erfolg dank Baumgart? Heldt ist überzeugt

Bis zur finalen Einigung dauerte es zwar noch zwei Wochen und damit 13 Tage länger als jetzt beim HSV. Doch am Ende entschied sich Baumgart 2021 für Köln und der HSV verpflichtete Tim Walter. Fast drei Jahre später ist Walter in Hamburg Geschichte, während Baumgart die Zukunft gehört.

„Ich bin davon überzeugt, dass Steffen der richtige Trainer für den HSV ist. Sollte der HSV nicht aufsteigen, läge es nicht an Steffen“, ist Heldt überzeugt und beschreibt die Qualitäten des 52-Jährigen, der mehr als nur ein Motivator sei. „Eine herausragende Eigenschaft von ihm ist es, die Mannschaft zu pushen, ein ganzes Stadion mitzunehmen und Menschen hinter sich zu vereinen. Es steckt aber schon noch mehr dahinter. Es sind die vielen Facetten, die Steffen so erfolgreich machen.“

Horst Heldt holte Steffen Baumgart einst zum 1. FC Köln.v
Horst Heldt holte Steffen Baumgart einst zum 1. FC Köln.v © images/Herbert Bucco

Offensiv wie Walter? Was Baumgart ändern wird

Bei seiner Vorstellung am Dienstag machte Baumgart deutlich, weiterhin die Offensive zu stärken, statt sich auf eine defensive Stabilität zu konzentrieren. „Wer meine Spiele beobachtet hat, der wird selten ein Zu-null-Spiel erlebt haben. Aber es wird darum gehen, sich drei oder vier Torchancen mehr zu erarbeiten“, sagte der neue HSV-Coach, der damit signalisierte, lieber 5:4 als 1:0 zu gewinnen. Ändert sich also gar nicht so viel im Vergleich zu Vorgänger Walter?

„Steffen steht für Spektakel, Powerfußball – eine Offensivschlacht, mit viel Ballbesitz im gegnerischen Drittel, vielen Balleroberungen und schnellen Wegen zum Tor“, prognostiziert Heldt. „Was ihn aber vom vorherigen Trainer unterscheidet: Es ist nicht ganz so viel Kamikaze. Steffen wird den Mix finden zwischen Spektakel und einer kontrollierten Spielweise.“

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Bis seine Handschrift zu erkennen sein wird, werde es allerdings „noch ein bisschen dauern“, ergänzt Heldt, der aber schon beim kommenden Heimspiel am Sonntag gegen Elversberg einige Elemente des taktisch flexiblen Baumgart-Fußballs erwartet. Der momentan vereinslose Heldt geht davon aus, dass der neue HSV-Coach seine Spielidee peu à peu vermitteln werde. „Steffen ist so klug, dass er ganz genau weiß, erst einmal herauszufiltern, ob der HSV überhaupt in der Lage ist, seinen Powerfußball mit hohem Angriffspressing zu spielen.“

HSV: Zeitpunkt für Baumgart-Vertrag „nicht ideal“

Zumal der Auftakt mit den beiden Heimspielen gegen die Aufsteiger Elversberg und Osnabrück Chance und Risiko zugleich bedeuten kann. „Jeder erwartet in den nächsten beiden Spielen sechs Punkte und genau darin liegt auch die Gefahr“, warnt Heldt, dass die zu erwartende Baumgart-Euphorie im Volksparkstadion die Spieler auch hemmen kann. „Es wird sich in den ersten Minuten zeigen, wo die Reise hingeht.“

Doch selbst im Falle eines Fehlstarts wisse Baumgart dank seiner Erfahrung als Spieler genau, wie mit Drucksituationen umzugehen sei. „Er kann sich extrem gut in Spieler hineinversetzen“, schwärmt Heldt, der schon im Winter mit einer Verpflichtung des Trainers gerechnet hatte, als Walter zur Disposition stand, Sportvorstand Jonas Boldt aber aus Überzeugung an ihm festhielt.

„Natürlich ist der Zeitpunkt eines Trainerwechsels nicht ideal“, sagt Heldt. „Rückblickend wäre der Winter mit etwas Vorlaufzeit sicherlich geeigneter gewesen. Man hat jetzt nicht viel Zeit zu experimentieren, muss schnell eine gute Basis finden. Aber wenn es jetzt noch einer schafft, dann Steffen.“

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