Hamburg. HSV hatte im Dezember für einen Investoreneinstieg gestimmt, der nun geplatzt ist. Wie der Club kommunikativ vieles richtig machte.
Am Tag nach dem geplatzten Investorendeal der Deutschen Fußball-Liga(DFL) gab es diverse Reaktionen von Vereins- und Fanvertretern sowie Wirtschaftsexperten und Fanforschern. Beim HSV herrschte dagegen: Stille. Weder der Zweitligist noch der HSV Supporters Club, die Dachorganisation der Fans, wollten sich offiziell über den Abbruch der Verhandlungen über einen Investoreneinstieg äußern.
Gesprochen wurde dagegen jede Menge in den zurückliegenden Wochen und Monaten – allerdings hinter den Kulissen. Wie das Abendblatt erfuhr, ging das Vorstandsduo Eric Huwer (Finanzen) und Jonas Boldt (Sport) im Vorwege der Dezember-Abstimmung, als mit der kleinstmöglichen Zweidrittelmehrheit von 24 Ja-Stimmen der Weg für Verhandlungen mit einem Investor freigemacht wurde, proaktiv auf Teile der Fanszene des HSV zu.
HSV-Bosse: Geheimtreffen mit Ultras
Dem Vernehmen nach sollen offene und ehrliche Dialoge zwischen Boldt, Huwer und Vertretern der Anhängerschaft stattgefunden haben. Auch wenn am Ende kein Konsens erzielt wurde, und der HSV entgegen dem Fanwunsch für den Investorendeal gestimmt haben soll, sollen die in die Gespräche einbezogenen Anhänger Verständnis für die Haltung ihres Clubs gezeigt haben. Der Tenor: Der HSV vertrete nun mal aus wirtschaftlicher Sicht eine andere Sichtweise als eine auf Ideologie ausgelegte Fanszene.
Es lag wohl auch an der positiv wahrgenommenen Vorab-Kommunikation des HSV, dass der Protest der eigenen Anhänger im Vergleich zu anderen Vereinen geringer ausfiel.
Die Hamburger Ultras beteiligten sich zwar an kreativen Protestformen wie einem anfänglichen und zwölf Minuten andauernden Schweigen, Spruchbändern gegen die DFL sowie Tennisball- und Schokoladentaler-Würfen. Zudem wurden beim Heimspiel gegen Hannover 96 (3:4) sechs Fahrradschlösser an die Torpfosten befestigt. Über die Grenze hinausgehende Fadenkreuz-Plakate waren dagegen nie im HSV-Block zu sehen, die auch nicht für mehr als 30-minütige Spielunterbrechungen verantwortlich war.
HSV-Fans bewerten DFL-Debatte positiv
Zu einem Spielabbruch ist es hingegen in keinem Stadion gekommen. Ein Umstand, der in der Fanszene des HSV positiv bewertet werden soll, da daraus abzuleiten sei, dass die Debatte inhaltlich geprägt war. Tatsächlich konnten die Ultras in ganz Deutschland immer mehr Fußballfans hinter ihrer Haltung vereinen.
Repräsentative Umfragen zeichneten ein eindeutiges Bild, dass sich zuletzt drei Viertel unter allen Anhängern mit den Protestinhalten identifizierten. Auch wegen dieses wachsenden, und anfangs von der DFL möglicherweise unterschätzten Widerstands, stoppte der Verband die Verhandlungen mit dem letzten verbliebenen Investor, dem Private-Equity-Unternehmen CVC.
Investorendeal: Die Fehler der DFL
In der Anhängerschaft reift die Ansicht, dass die deutschlandweiten Proteste deutlich milder ausgefallen wären, wenn auch die DFL von Anfang an einen offenen Dialog mit den Fans geführt hätte. Stattdessen steht der Verband nun im Kreuzfeuer der Kritik.
Einer der Hauptvorwürfe ist die mangelhafte Kommunikation. Zuletzt war den Ultraszenen der 36 Erst- und Zweitligisten lediglich ein Informationsgespräch angeboten worden, das allerdings nur dazu dienen sollte, Werbung für den Investorendeal zu machen, ohne dabei konkret auf die Kritikpunkte einzugehen. Ein solches Angebot lehnten die aktiven Fanszenen ab.
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Dabei hätte es reichlich zu diskutieren gegeben, aber eben auf Augenhöhe. Die Sorge der Ultras war groß, ein Investorendeal hätte zu einer Zerstückelung des Spieltags durch unattraktive Anstoßzeiten für den internationalen TV-Markt, die Verlegung einzelner Spiele ins Ausland sowie steigende Ticketpreise geführt – und das entgegen aller Versprechen der DFL.
Hinzu kommt, dass die Zweidrittelmehrheit vermutlich dank der Stimme Martin Kinds zustande kam, der entgegen der Anweisung seines Muttervereins Hannover 96 votiert haben soll. Für die Ultras lag deshalb ein Verstoß gegen die 50+1-Regel vor, sie forderten eine offene Neuwahl.
HSV: Investor? Wie es weitergeht
Ein weiterer Kritikpunkt der Fans war auch die Intransparenz der DFL, wofür konkret die eine Milliarde Euro, die sich der Verband für die Beteiligung von acht Prozent der TV-Vermarktung über 20 Jahre erhofft hatte, ausgegeben werden soll. Aus Sicht der Ultras sei keine Strategie erkennbar gewesen.
Wie aber geht es jetzt weiter? Es ist davon auszugehen, dass ein möglicher Investorendeal weiter verfolgt wird. Womöglich in einem anderen Umfang, der durch eine nun stattfindende inhaltliche Diskussion geprägt werden dürfte. Über allem steht dabei die Fragestellung: was will die Liga?