Hamburg. HSV verliert zu Hause und kassiert vier Gegentore. Die Abwehr bleibt im Fokus, Führungsspieler sorgt sich um den Aufstieg.
Laszlo Benes war der Frust anzumerken, als er auf dem Weg in die Kabine durch den Bauch des Volksparkstadions lief. „Wir schlagen uns selber“, sagte der Mittelfeldspieler mit glasigen Augen nach der denkwürdigen 3:4 (2:2)-Heimniederlage des HSV gegen Karlsruher SC und schüttelte den Kopf. Vor allem die Art und Weise, wie seine Mannschaft am Sonntagnachmittag die Gegentore kassierte, erinnerte an Zeiten, die eigentlich der Vergangenheit angehören sollten.
In der Wintervorbereitung hat der HSV den Fokus auf eine stabilere Defensive gelegt. Ein erstes Ergebnis war beim souveränen Rückrundenstart vor einer Woche auf Schalke (0:2) zu sehen. Doch nur acht Tage später wirkten die Protagonisten mitunter ratlos, warum es der Club nicht schafft, konstant auf hohem Niveau zu verteidigen.
„Es ist nicht normal, dass wir auswärts zu null spielen und zu Hause vier Gegentore kassieren. Das ist viel zu viel für ein Team, das aufsteigen will“, monierte Benes, der in dieser Form den Aufstieg in Gefahr sieht. „Auf jeden Fall“, antwortete er auf eine entsprechende Frage. „So dürfen wir nicht spielen. Wir haben große Ziele, müssen kompakter spielen.“
HSV verliert gegen KSC – und holt Zima
Dabei begann der HSV gegen Karlsruhe durchaus kompakter als über weite Strecken in der Hinrunde. Weil aber Miro Muheim KSC-Verteidiger Sebastian Jung zweimal zu viel Platz beim Flanken gewährte und sich der frühere St.-Pauli-Stürmer Igor Matanovic eiskalt präsentierte (3. und 6.), lagen die Hamburger früh mit 0:2 zurück. Beim ersten Gegentor konnte Stephan Ambrosius der schnellen Bewegung Matanovics nicht folgen. Zudem sah der getunnelte Torhüter Daniel Heuer Fernandes unglücklich aus.
„Wir haben wie unsere Fans erst einmal gestreikt“, sagte Trainer Tim Walter angesichts des zwölf Minuten andauernden Stimmungsboykotts der Anhänger, die gegen den Investorendeal der DFL protestierten.
Die Gegentore untermauerten, wie wichtig die Verpflichtung eines neuen Innenverteidigers ist. Am Wochenende haben die Hamburger eine grundsätzliche Einigung in den Verhandlungen mit dem FC Turin über David Zima erzielt. Lediglich letzte Details sind noch zu klären. Vorbehaltlich des Medizinchecks wird der 23 Jahre alte Innenverteidiger bis Saisonende ausgeliehen. Anschließend besitzt der HSV eine Kaufoption, die bei rund sechs Millionen Euro liegen soll.
Die Tabellenspitze der 2. Bundesliga
1. Kiel 29 / 59:34 / 58
1. FC St. Pauli 29 / 54:32 / 57
3. Düsseldorf 29 / 63:35 / 52
4. HSV 29 / 55:41 / 49
5. Hannover 29 / 51:36 / 45
6. Hertha 29 / 60:48 / 44
7. Karlsruhe 29 / 58:43 / 43
8. Fürth 29 / 40:42 / 42
HSV zeigt wie so häufig Moral
Schon beim nächsten Zweitligaspiel bei Hertha BSC (3. Februar) könnte Zima sein Debüt für den HSV geben. Der tschechische Nationalspieler kann sich dann selbst ein Bild machen, dass in Hamburg etwas anders verteidigt wird als in Italien. Zum gewohnten Spektakel des HSV gehören aber nicht nur Gegentore, sondern auch Comebacks.
Gegen Karlsruhe leitete der schönste Angriff des Tages die zwischenzeitliche Wende ein, als der Ball über Muheim, Jonas Meffert, Robert Glatzel und Benes bei Bakery Jatta landete, der per Außenrist vollstreckte (33.). Beflügelt vom ohrenbetäubenden Torjubel der nun wieder aktiven Fans gelang den Hamburgern keine 120 Sekunden später der Ausgleich. Diesmal setzte Jean-Luc Dompé zu einem zielstrebigen Konter an, den Benes per Direktabnahme zum 2:2 nutzte (35.).
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In dieser Phase hätte der spielfreudige HSV bei den weiteren Chancen durch Glatzel (38. und 45.+3) und Dompé (45.+1) „in Führung gehen müssen“, wie Walter beklagte. Stattdessen kamen die Hamburger für die zweite Hälfte genauso schläfrig aus der Kabine wie zu Beginn.
„Einmal kann das vielleicht vorkommen“, sagte Benes, „aber in der Halbzeit haben ich und andere gesagt, dass uns das nicht noch einmal passieren darf. Wir wollten direkt voll da sein. Dann gehen wir raus, und der Gegner schießt sofort wieder ein Tor. Ich suche auch Erklärungen dafür.“
Erneut war es der sonst so zweikampfstarke Ambrosius, der sich trotz einer numerischen Überzahl im Strafraum von Budu Zivzivadze abkochen ließ – und schon führten wieder die Gäste (46.). Doch auch von diesem Rückschlag sollte sich der HSV erholen. Jonas Meffert eroberte sich den Ball durch seinen rustikalen Einsatz im Mittelfeld und bediente Jatta, der Kobald ins Leere rutschen ließ und glänzend auf Glatzel ablegte, der nur noch einschieben musste zum 3:3 (62.).
HSV-Aufstieg in Gefahr: das sagt Walter
Es passte wohl zu diesem Tag, dass auch das dritte Tor des HSV nicht reichen sollte, um zumindest einen Punkt mitzunehmen. Nach einem zu kurz geratenen Pass von Ludovit Reis unterlief dem ins Dribbling gehenden Ignace Van der Brempt als letzter Mann ein kapitaler Aussetzer, den Marvin Wanitzek zum Siegtreffer nutzte (81.). „Wir müssen in der Analyse auch mal sagen, dass uns hinten nicht so einfache Fehler passieren dürfen“, klagte Benes, der sich wünscht, „den Ball einfach mal aus dem Stadion zu schießen“.
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Hinzu kommt, dass der HSV bei eigenen Ecken weiterhin viel zu harmlos agiert. Gegen den KSC waren es elf Versuche, die für keine Gefahr sorgten. Auch an dieser Disziplin hat der Club im Winter explizit gearbeitet – bislang noch ohne Erfolg. Durch den ungeplanten Punktverlust gegen Karlsruhe ist Walters Elf in der Tabelle von den Aufstiegsplätzen gerutscht.
„Das ist eine unwichtige Momentaufnahme“, sagte der erkältete Coach. „Wir entscheiden, ob wir dahin kommen, wo wir hinwollen. Nur wir und sonst keiner.“ Dafür muss der HSV allerdings auch seine Abwehrfehler einstellen.
Die Statistik:
- HSV: Heuer Fernandes – Van der Brempt, Ramos, Ambrosius (83. Pherai), Muheim – Meffert, Reis (84. Nemeth), Benes – Jatta, Glatzel, Dompé.
- Karlsruhe: Drewes – Jung, Franke, Kobald, Heise (63. Herold) – Jensen (84. Rapp), Burnic, Wanitzek, Nebel (90. Schleusener) – Matanovic (90. Bormuth), Zivzivadze (84. Brosinski).
- Schiedsrichter: Schröder (Hannover). Tore: 0:1 Matanovic (3.), 0:2 Matanovic (6.), 1:2 Jatta (33.), 2:2 Benes (35.), 2:3 Zivzivadze (46.), 3:3 Glatzel (62.), 3:4 Wanitzek (81.).
- Gelb: Ramos (4) – Jensen (6), Rapp
- Zuschauer: 51.776
- Torschüsse: 18:13
- Ecken: 11:2
- Ballbesitz: 57:43 Prozent
- Zweikämpfe: 103:90