Hamburg. Die gesamte Viererkette leistete sich beim 3:4 individuelle Aussetzer. Der Druck auf Trainer Tim Walter wächst.
Die aktive Fanszene auf der Nordtribüne und Trainer Tim Walter glaubten bis zum Schluss an den Ausgleich. Immer wieder trommelte die Fans ihren HSV nach vorne, während Walter an der Seitenlinie mitfieberte. Doch ein achtes Tor sollte an diesem denkwürdigen Nachmittag nicht mehr fallen. Die Hamburger müssen sich am Sonntag mit 3:4 (2:2) gegen den Karlsruher SC geschlagen geben, es ist zugleich die zweite Heimspielniederlage in Folge.
Im Fokus beim HSV standen wie so häufig die Gegentore, die mal wieder durch teilweise gravierende individuelle Aussetzer ermöglicht wurden. Eine Woche nach dem souveränen Rückrundenstart gegen den FC Schalke (2:0) wurde deutlich, dass die Abwehr eben doch noch nicht so gefestigt, wie einige bereits vermutet hatten. „Heute waren es vielleicht zu viele Rückschläge, um das Spiel zu gewinnen“, sagte Torwart Daniel Heuer Fernandes.
HSV patzt gegen KSC: Früher Kaltstart
HSV-Trainer Tim Walter veränderte seine Mannschaft auf einer Position im Vergleich zum souveränen Rückrundenstart auf Schalke (0:2). Ludovit Reis gab sein Startelfcomeback nach seiner Schuter-OP im Oktober. Dafür rückte der Anfang der Woche erkältete Immanuel Pherai auf die Bank. „Manu ist leicht erkältet, deshalb ist es besser, wenn er von der Bank startet. Ansonsten hätte er von Anfang an gespielt“, erklärte Walter. Weil Sebastian Schonlau (Wade) noch fehlt, übernahm Reis zugleich die Kapitänsbinde.
Im Spiel erwischte der HSV allerdings einen Kaltstart. Weil Miro Muheim Karlsruhes Rechtsverteidiger Sebastian Jung gleich zweimal viel zu viel Platz zum Flanken gewährte und sich der frühere St.-Pauli-Stürmer Igor Matanovic im Strafraum eiskalt präsentierte (3. und 6.), führte der KSC früh mit 2:0. Beim ersten Gegentor konnte Stephan Ambrosius der schnellen Bewegung Matanovics nicht folgen, zudem sah der getunnelte Torhüter Daniel Heuer Fernandes unglücklich aus.
Heuer Fernandes über das 0:1: „Unglücklich“
„Der erste Ball ist abgefälscht, geht mir dann unglücklich durch die Beine. Das ist ärgerlich. Natürlich kann man irgendwie seinen Fuß noch daran kriegen“, sagte der Keeper. Beim zweiten Treffer konnte selbst der schnelle, aber mit Rückstand auf Matanovic startende Van der Brempt das Übel nicht mehr verhindern. Umso wichtiger wäre es gewesen, die Flanke zu verhindern. „Wir haben wie unsere Fans erst einmal gestreikt“, sagte Walter.
Der zweite Treffer war zugleich von historischem Wert. Laut „Sky“ lag der HSV in seiner Vereinsgeschichte noch nie früher mit 0:2 zurück als gegen den KSC, der weiter mutig nach vorne spielte. Der dritte Abschluss durch Christoph Kobald rauschte aber knapp über das Tor (11.).
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Nach einer Spielunterbrechung, in der aus Protest gegen den Investorendeal der DFL Tennisbälle und Goldtaler auf den Platz flogen (12.), spielte bis zur Pause nur noch der HSV. Mitte der ersten Halbzeit führte schließlich der schönste Angriff des Tages zum 1:2-Anschlusstreffer durch Bakery Jatta (33.).
Nach der Balleroberung Muheims landete das Spielgerät über Jonas Meffert und Robert Glatzel bei Laszlo Benes, der auf den durchstartenden Jatta durchsteckte, der mit dem Außenrist veredelte. Beflügelte vom ohrenbetäubenden Torjubel der Fans gelang den Hamburgern keine 120 Sekunden später der Ausgleich. Diesmal setzte Jean-Luc Dompé zu einem zielstrebigen Konter an, den Benes per Direktabnahme zum 2:2 nutzte (35.).
Spätestens nach diesem Treffer explodierte der Volkspark förmlich. Und der HSV wollte jetzt mehr, doch sowohl Glatzel (38. und 45.+3) als auch Dompé per Freistoß (45.+1) ließen die mögliche Führung liegen. Die Hanseaten gewannen im ersten Durchgang 65 Prozent ihrer Zweikämpfe, präsentierten sich offensiv extrem spielfreudig und waren defensiv beschäftigungslos seit der elften Minute. Den fünften Treffer des Spiels erzielte dennoch der KSC, der entschlossener aus der Kabine kam.
HSV verliert nach schwerem Abwehrfehler
Karlsruhes Angreifer Budu Zivzivadze setzte sich viel zu leicht im Zweikampf gegen Ambrosius durch, der sich zum zweiten Mal folgenschwer abkochen ließ. Frei vor Heuer Fernandes hatte der Georgier aus kurzer Distanz keine Mühe und schon lag der HSV wieder mit 2:3 zurück (46.). „Drei von vier Toren fallen genau nach dem Anpfiff beziehungsweise nach der Halbzeit. Und beim anderen Gegentor verlieren wir im Spielaufbau den Ball. Das ist extrem bitter, wie wir pennen“, sagte Glatzel.
Doch dabei sollte es an diesem verrückten Nachmittag natürlich nicht bleiben, denn die Hamburger erholten sich auch von diesem Gegentor. Jonas Meffert eroberte sich den Ball durch seinen rustikalen Einsatz im Mittelfeld und bediente Jatta, der Kobald ins Leere rutschen ließ und glänzend auf Glatzel ablegte, der nur noch einschieben musste zum 3:3 (62.).
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Der Wahnsinn im Volkspark nahm also weiter seinen Lauf. Es passte wohl zu diesem denkwürdigen Nachmittag, dass auch dem Schlusspunkt ein kapitaler Aussetzer in der HSV-Defensive vorausging. Diesmal war es Ignace Van der Brempt, der als letzter Mann einen zu kurz geratenen Pass von Reis an KSC-Kapitän Marvin Wanitzek vorbeilegen wollte, dabei aber den Ball verlor.
Wanitzek durfte schließlich allein aufs Tor zulaufen und bedankte sich mit einem platzierten Linksschuss ins lange Eck zum 4:3 für die Gäste (81.). „Er alleine auf mich zu, da kann ich nichts machen“, sagte Heuer Fernandes.
Die Tabellenspitze der 2. Bundesliga
1. Kiel 29 / 59:34 / 58
1. FC St. Pauli 29 / 54:32 / 57
3. Düsseldorf 29 / 63:35 / 52
4. HSV 29 / 55:41 / 49
5. Hannover 29 / 51:36 / 45
6. Hertha 29 / 60:48 / 44
7. Karlsruhe 29 / 58:43 / 43
8. Fürth 29 / 40:42 / 42
- HSV: Heuer Fernandes - Van der Brempt, Ramos, Ambrosius (83. Pherai), Muheim - Meffert - L. Reis (84. Németh), Benes - Jatta, Glatzel, Dompé.
- Karlsruher SC: Drewes - S. Jung, Franke, Kobald, Heise (63. Herold) - L. Jensen (84. N. Rapp) - Burnic, Wanitzek - Nebel (90.+4 Schleusener) - Matanovic (90.+3 Bormuth), Siwsiwadse (84. Brosinski).
- Schiedsrichter: Robert Schröder (Hannover).
- Zuschauer: 51776.
- Tore: 0:1 Matanovic (3.), 0:2 Matanovic (6.), 1:2 Jatta (33.), 2:2 Benes (35.), 2:3 Zivzivadze (46.), 3:3 Glatzel (62.), 3:4 Wanitzek (81.).