Hamburg. Der Flügelspieler spricht über seine Spielweise und erstmals auch über seine Unfall-Schlagzeilen aus dem vergangenen Jahr.
Fünfmal klopfte sich Jean-Luc Dompé mit dem Zeigefinger auf die Raute. Der HSV hatte am vergangenen Sonnabend soeben das 2:0 beim FC Schalke 04 durch Laszlo Benes erzielt, als der Vorbereiter noch eine Botschaft loswerden wollte: Der Franzose und das HSV-Emblem – das ist mittlerweile eine gewachsene Verbindung. „Damit wollte ich den Fans symbolisieren, dass ich mich beim HSV und in Hamburg sehr wohlfühle, und mich für ihre tolle Unterstützung bedanken“, sagt Dompé.
Der 28-Jährige sitzt am Donnerstagmittag in einem Besprechungsraum im Bauch des Volksparkstadions. Der Termin mit dem Abendblatt ist sein erstes Interview, seit er vor rund einem Jahr mit einem Autounfall an der Hafenstraße auf St. Pauli bundesweit Schlagzeilen gemacht hatte.
HSV News: Dompé spürt Rückhalt von Fans und Verein
Für Dompé ist die Geschichte vor allem eines: Geschichte. Aber eben auch Teil seiner HSV-Geschichte. Zur Erinnerung: Der Tempodribbler hatte im Februar 2023 die Kontrolle über seinen BMW M3 verloren und war mit überhöhter Geschwindigkeit in eine Bushaltestelle gekracht. Anschließend entfernte er sich gemeinsam mit Landsmann William Mikelbrencis, der in einem gelben Mercedes-AMG als Beifahrer unterwegs war, vom Unfallort. Dompé wurde von Sportvorstand Jonas Boldt mit einer hohen Geldstrafe belegt. Gleichzeitig aber erfuhr er großen Rückhalt von der sportlichen Führung des HSV.
„Jonas Boldt hat mir direkt signalisiert, dass der Verein mir hilft. Meine Mitspieler und das Trainerteam ebenso. Auch die Fans haben mich unterstützt. Keiner hat mich alleingelassen. Das habe ich nicht vergessen, und dafür bin ich sehr dankbar“, sagt Dompé und gibt ein Versprechen ab: „Dieses Vertrauen und die Unterstützung will ich mit konstant guten Leistungen zurückzahlen und mein Maximum geben.“
Hüftprobleme hemmten den Flügelspieler
In der Hinrunde ist dem Flügelstürmer das zu selten gelungen. Mit zwei Toren und vier Vorlagen blieb Dompé unter den Erwartungen – was aber auch mit gesundheitlichen Problemen zusammenhing. „In der Hinrunde habe ich sehr lange mit Hüftproblemen zu kämpfen gehabt, dadurch konnte ich nicht immer alles abrufen. Die Winterpause hat mir sehr gutgetan. Ich fühle mich viel besser.“
Den ersten Beweis dafür lieferte er auf Schalke. Die Vorbereitung des 2:0 war eine typische Dompé-Aktion. Ein Tempodribbling gegen Cédric Brunner, zwei Übersteiger und dann die schnelle Hereingabe. Mit seinen Fähigkeiten im Dribbling gehört Dompé zu den Unterschiedsspielern der Zweiten Liga. Kein anderer Spieler beim HSV hat diese Qualitäten. Kein anderer holt so gerne den Übersteiger aus der Trickkiste. Oder wie man auf Französisch sagt: Enjambement. „Der Übersteiger ist einer meiner Lieblingstricks. Ich mag das Eins-gegen-eins, das direkte Duell. Auch dafür wurde ich geholt. Das hat der Trainer vom ersten Tag an von mir gefordert“, sagt Dompé.
Dompé ging erst als 15-Jähriger in eine Akademie
Seine Tricks hat er in seiner Kindheit auf der Straße gelernt. Dompé wuchs in einer Kleinstadt 15 Minuten vor Paris mit zwei älteren Brüdern und zwei jüngeren Schwestern auf. So oft es ging, spielte der kleine Jean-Luc draußen. „Ich habe früh angefangen, mit Freunden im Käfig zu spielen“, erzählt er über seine Anfänge in den umzäunten Bolzplätzen.
Was er dort lernte, machte ihn später zum U-20-Nationalspieler. „In Frankreich ist ein gutes Dribbling für die Fans manchmal wichtiger als ein Tor. So habe ich Fußball gelernt“, sagt Dompé, der froh ist, dass er erst mit 15 Jahren in die Akademie des FC Valenciennes wechselte. „Wenn du zu früh in ein Nachwuchsleistungszentrum gehst, machst du nur noch das, was der Trainer will. Du verlierst den Instinkt. Als Straßenfußballer musst du eigene Lösungen finden. Das hilft mir heute.“
Dompé ist an guten Tagen ein Spieler, für den die Zuschauer ins Stadion gehen. In manchen Aktionen erweckt er den Eindruck, als würde er auch um die Gunst der Zuschauer spielen. Er selbst aber sagt: „Ich mache das nicht für die Zuschauer, sondern um die Situation im Spiel zu lösen. Wenn es den Fans gefällt, umso schöner. Aber ich spiele nicht für die Show. Es geht um den Erfolg des Teams.“
Sandhausen: „Einer der schwersten Momente meiner Karriere“
Mit einem gut aufgelegten Dompé steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der HSV Erfolg hat und den Aufstieg schafft. Im vergangenen Mai hatten die Hamburger auch dank des Franzosen ihr großes Ziel vermeintlich schon erreicht. Dompé schoss am letzten Spieltag in Sandhausen das Siegtor. Als die Partie abgepfiffen wurde, rannten die Fans auf ihn zu und feierten ihn als Aufstiegshelden. Doch die Freude hielt nur kurz. Heidenheim drehte in der Nachspielzeit das Spiel in Regensburg und stieg auf.
„Der Moment unmittelbar nach Abpfiff hat sich richtig gut angefühlt“, sagt Dompé, der dann aber schnell mitbekam, dass die Fans zu früh feierten. „Im nächsten Moment waren wir einfach nur noch enttäuscht und wütend. Wir haben ein Jahr darauf hingearbeitet. Das war einer der schwersten Momente meiner Karriere.“
Dompé ist für das Tor des Jahres 2023 nominiert
Einen schönen Moment erlebte Dompé einige Wochen zuvor, als sein Freistoßtreffer gegen Nürnberg zum Tor des Monats März gewählt wurde. Mit diesem Schuss steht er nun auch zur Wahl für das Tor des Jahres 2023. Noch bis Ende Januar kann abgestimmt werden. Die Konkurrenz ist allerdings groß. Das weiß auch Dompé. „Ich glaube nicht, dass ich gewinne. Es sind sehr viele schöne Tore dabei. Wenn die HSV-Fans für mich abstimmen, habe ich aber große Hoffnung“, sagt Dompé und lacht. Auch er hat in seinem zweiten Jahr in Hamburg mitbekommen, dass die Anhänger fleißig mobil machen, wenn ein HSV-Tor zur Wahl steht.
- Besuch bei Olaf Scholz – große Ehre für Bilal Yalcinkaya
- Martin Harnik und Max Kruse – „Der HSV muss aufsteigen“
- HSV nähert sich einem Zima-Deal: Entscheidung steht bevor
Am letzten Spieltag der Hinrunde schoss Dompé – wieder gegen Nürnberg – ein Tor, das wahrscheinlich sogar noch schöner war als sein Freistoß im März. Vor allem war es ein Tor, das ihm nach einem schwierigen Jahr viel Auftrieb gegeben hat. Mit seiner Frau und seiner sechs Jahre jungen Tochter, die in Hamburg auf eine französische Schule geht, fühlt sich Dompé immer heimischer. Nun will er mit dem HSV im neuen Jahr im zweiten Anlauf den Aufstieg schaffen. Helfen sollen dafür schon am Sonntag gegen den Karlsruher SC wieder seine Übersteiger. Oder wie er seinen Lieblingstrick im Interview in gutem Englisch nennt: Stepover.