Hamburg/Nürnberg. HSV-Trainer siegt zum Hinrundenabschluss. Das Spiel lieferte jedoch Argumente für seine Kritiker. Wie Boldt jetzt vorgeht.
Tim Walter reckte die Fäuste in den Himmel und presste die Zähne aufeinander, als der 2:0-Sieg des HSV beim 1. FC Nürnberg besiegelt war. Sein frenetischer Jubel verdeutlichte, wie viel Druck in dieser Situation von dem in die Kritik geratenen Trainer des HSV abgefallen war.
„Es war ein sehr hartes und intensives Jahr, gerade mit der Relegation“, resümierte Walter nach dem letzten HSV-Spiel des Jahres und verwies auf die äußeren Umstände, die seine Arbeit erschwert hätten. Auf den zu früh umjubelten Aufstieg in Sandhausen folgte die verlorene Relegation gegen Stuttgart und schließlich fiel Kapitän Sebastian Schonlau fast die komplette Hinrunde aus.
Seine Mannschaft sei aber immer wieder zurückgekommen, lobte Walter, der nun um seinen Job kämpft. „Jetzt sammeln wir Kraft und dann feuern wir in der Rückrunde alles heraus, damit wir unseren großen Schritt auch schaffen.“
HSV-Trainer Walter glaubt an Zukunft – und Boldt?
Die Frage ist nur, ob Walter in der Rückrunde auch noch der Trainer des HSV sein wird. Sportvorstand Jonas Boldt hat am Sonnabend eine intensive Analyse für die kommenden Tage im Volkspark angekündigt. Dabei wird es im Kern um die Verantwortlichkeit gehen, warum die Hamburger mit 31 Punkten nach 17 Spieltagen drei Zähler weniger holten als das intern ausgesprochene Minimalziel eines Zwei-Punkte-Schnitts, warum viele Siege glücklich und eben nicht souverän eingefahren wurden und warum sich der Club auswärts nur zehn von 27 möglichen Punkten erspielt hat.
„Klar gefällt es mir nicht, dass wir jetzt Dritter sind mit nur 31 Punkten, vor allem nach so einem Start“, sagte Boldt, der auf die starke Bilanz von 13 Punkten nach fünf Spieltagen verwies. In den restlichen zwölf Hinrundenspielen holte der HSV nur noch 18 Punkte.
Dass in diesem Saisonabschnitt gleich sieben Zweitligisten erfolgreicher waren, zeigt, wie rückläufig die Entwicklung ist. „Man muss gucken, ob wir auf dem richtigen Weg sind oder vom Weg abgekommen sind und was wir brauchen, um unser Ziel endlich mal zu erreichen“, sagte Boldt in aller Deutlichkeit.
HSV fehlt Stabilität unter Walter
In seinen Aussagen schwingen Zweifel an einem „Weiter so“ mit. Der 2:0-Erfolg in Nürnberg lieferte nur auf dem Ergebnispapier Argumente für Walter. Bei einer genaueren Betrachtung war die Partie eine Blaupause der zweieinhalbjährigen Amtszeit des Trainers. Nach Ballverlusten ließ der HSV erneut zu viele Großchancen zu.
In Nürnberg lag es vor allem am eigenen Glück sowie der mangelnden Qualität von Daichi Hayashi (57.) und Benjamin Goller (21.), die jeweils alleine aufs Tor zuliefen, dass die Hamburger nicht in Rückstand gerieten. Auf der Gegenseite sorgte die individuelle Qualität von Robert Glatzel und Jean-Luc Dompé für den erst zweiten Auswärtssieg in dieser Saison.
Die Bilder ähneln sich seit Monaten: HSV-Torwart Daniel Heuer Fernandes sieht sich regelmäßig Eins-gegen-eins-Situationen gegen alleine auf ihn zusprintende Angreifer ausgesetzt. Und in der Offensive werden Siege dank der für Zweitligaverhältnisse hohen Qualität einzelner Spieler eingefahren. An einer für einen langfristigen Erfolg notwendigen Stabilität mangelt es dagegen unter Tim Walter.
Walter spricht über große HSV-Analyse
Das alles ist natürlich auch Boldt nicht entgangen, der nun erstmals Zweifel am eingeschlagenen Weg geäußert hat. „Es ist wichtig, dass man sich darüber unterhält und genau das anspricht, wo wir nachbessern können“, äußerte Walter Verständnis für die große interne Analyse, in der es auch um seine Zukunft geht. „Unser Anspruch ist hoch, den haben wir nicht immer ganz erfüllt. Auf jeden Fall haben wir etwas entwickelt. Wir wollen noch besser werden, wir wollen noch mehr Siege und letztendlich auch aufsteigen.“
- Protest gegen Investoren-Pläne: So erklärt der HSV sein Ja
- HSV-Einzelkritik: Oliveira sprintet in die Herzen der Fans
- Laszlo Benes: Aufstieg mit dem HSV – oder Wechsel
Walter gibt sich kämpferisch, beim HSV den nächsten Schritt zu gehen. Doch nach dem im Sommer stark verbesserten Kader wähnte sich der HSV eben bereits einen Schritt weiter. „Wir haben uns in der Hinrunde mehr Punkte ausgemalt, das steht fest“, sagte der ehrgeizige Kapitän Schonlau, der unzufrieden mit den „Leistungen und den Ergebnissen“ der zurückliegenden Wochen sei. Das Nürnberg-Spiel sei „ein Sieg für uns“, ergänzte der Innenverteidiger. „Wir wissen, dass es etwas ungemütlicher geworden ist.“
HSV: Verzichtete Walter zu lange auf Ambrosius?
Im Abwehrverbund mit Stephan Ambrosius sorgte Schonlau für deutlich mehr Stabilität als es über weite Strecken der Hinrunde mit den Neuzugängen Dennis Hadzikadunic und Guilherme Ramos der Fall war. Warum Walter fast eine gesamte Hinrunde gebraucht hat, um die Bedeutung von Ambrosius für die Mannschaft zu erkennen, dürfte nun ebenfalls aufgearbeitet werden.
„Es war ein Sieg für uns alle, wir sitzen alle in einem Boot“, sagte Torjäger Robert Glatzel solidarisch. „Wir wissen, dass in der Rückrunde einiges besser sein kann und muss.“ Möglicherweise wird dann auch das Personal ein anderes sein.
Die Tabellenspitze der 2. Bundesliga
1. FC St. Pauli 19 / 35:16 / 39
2. Kiel 18 / 34:25 / 35
3. HSV 18 / 35:22 / 34
4. Fürth 18 / 28:20 / 32
5. Düsseldorf 19 / 40:25 / 31
6. Hannover 19 / 35:25 / 28
7. Paderborn 19 / 28:29 / 28