Nürnberg. Im letzten Ligaspiel des Jahres schafft der HSV beim 1. FC Nürnberg den ersten Auswärtssieg seit August. Wie es jetzt weitergeht.
Tim Walter lachte, als er am Sonnabend vor dem Spiel gegen den 1. FC Nürnberg auf mögliche Nachfolgekandidaten angesprochen wurde. Der HSV-Trainer wollte nicht eingehen auf die Fragen zu seinem Job. Rund zwei Stunden später konnte der 48-Jährige dann erneut lachen. Durch den 2:0 (0:0)-Sieg in Nürnberg hat Walter zumindest die Stimmung gerettet. Der HSV zeigte zwar eine lange Zeit nur mäßige Leistung, schlug aber spät zurück und feierte am Ende dank Robert Glatzel und Jean-Luc Dompé den ersten Auswärtssieg seit August.
Hat Boldt mit Funkel gesprochen?
Wie aber geht es weiter mit Walter? Laut „Sportbild“ und „Sky" hat Sportvorstand Jonas Boldt bereits mit Walters Nachfolgekandidaten Friedhelm Funkel und André Breitenreiter gesprochen. Boldt dementierte diese Meldung: „Ich kann sagen, dass das nicht der Fall ist. Ich habe ein paar Namen gelesen. Ich kenne die alle. Friedhelm Funkel treffe ich wahrscheinlich am Montag wieder bei meinem Altherrenrat. André Breitenreiter habe ich zuletzt vor meiner Hamburger Zeit getroffen", sagte Boldt und erlaubte sich einen Spaß. „Es gibt Menschen, die mir ähnlich sind. Vielleicht haben die sich irgendwo bewegt." Möglich wäre aber auch, dass Boldt die Gespräche nicht selbst geführt hat.
Die Zukunft von Walter ließ Boldt trotz des Dementis offen und verwies auf die Analyse in der kommenden Woche. „Ich habe immer eine Richtung im Kopf. Wir wissen, dass Fußball ein dynamisches Geschäft ist. Ich versuche immer die Balance zu halten und den Laden zusammenzuhalten. Ich werde mich jetzt nicht zu irgendwelchen Floskeln hinreißen lassen, sondern unsere Arbeit ganz normal so weitermachen, wie wir das tun. Dazu gehört eine etwas tiefergehende Analyse. Aber die ist nicht fünf Minuten nach Spielende", sagte Boldt. Und weiter: „Ich habe die Diskussion nicht aufgemacht und sehe keinen Grund, sie in die eine oder andere Richtung totzumachen."
Boldt kündigt klare Analyse an
Der Manager will genau gucken, was der HSV nun braucht, um das große Ziel zu erreichen. „Klar gefällt es mir nicht, dass wir jetzt Dritter sind mit nur 31 Punkten, vor allem nach so einem Start. Mit 31 Punkten hast du ein paar Punkte liegen lassen, aber auch darauf werden wir es nicht runterbrechen, sondern schauen, was die Gründe dafür sind. Wo haben wir uns verbessert? Wie können wir uns weiter verbessern?", sagte Boldt und nahm das Spiel am Sonnabend als gutes Beispiel, wie es funktionieren kann.
Die Tabellenspitze der 2. Bundesliga
1. FC St. Pauli 19 / 35:16 / 39
2. Kiel 18 / 34:25 / 35
3. HSV 18 / 35:22 / 34
4. Fürth 18 / 28:20 / 32
5. Düsseldorf 19 / 40:25 / 31
6. Hannover 19 / 35:25 / 28
7. Paderborn 19 / 28:29 / 28
„Heute haben wir vielleicht auch gezeigt, dass es zum Fußball auch gehört, nicht immer alles super schön zu erledigen, sondern auch zu verteidigen und ein Spiel über die Zeit zu bringen. Natürlich sind das Punkte, die mit reinfließen. Man muss gucken, ob wir auf dem richtigen Weg sind oder vom Weg abgekommen sind und was wir brauchen, um unser Ziel endlich mal zu erreichen. Wir müssen für uns klar sein, was wir beim HSV wollen."
Im Optimalfall soll eine Entscheidung bis Heiligabend fallen. „Wir versuchen das alles in Ruhe vor Weihnachten zu machen. Wenn aber noch Gespräche geführt werden müssen, vielleicht auch mit weiteren Menschen aus dem HSV-Umfeld, dann werden wir uns die Zeit nehmen", sagte Boldt, der sich auch über die Investorenpläne der DFL äußerte.
Fans protestieren gegen DFL-Pläne
In Nürnberg war es ungewöhnlich ruhig in den ersten zwölf Minuten. Die aktiven Fanszenen hatten sich abgesprochen, als Protest gegen den geplanten Investorendeal den Support in der Anfangsphase einzustellen. Auf einem großen Transparent der Nürnberger Anhänger hieß es: „Wir werden kein Teil eures Deals sein – scheiß DFL.“ Im Fanblock des HSV stand auf einem Banner: „Stille Wasser sind tief“. Zweimal flog eine Masse an Tennisbällen aus der Nürnberger Kurve auf den Rasen, zweimal musste das Spiel kurzzeitig unterbrochen werden.
Oliveira und Mikelbrencis starten und retten
Nach zwölf Minuten wurde es dann wieder laut auf beiden Seiten. Und auch das Spiel wurde endlich lebendiger. Die zunächst passiven Nürnberger nahmen etwas Fahrt auf und kamen zu den ersten Chancen. Bedingt aber überwiegend mal wieder durch Fehler des HSV. Bezeichnend, wie den Hamburgern eine eigene Ecke nach einem Ballverlust um die Ohren flog. Benjamin Goller hatte plötzlich die gesamte Wiese vor sich, doch die jungen Außenverteidiger Nico Oliveira und William Mikelbrencis konnten den Nürnberger mit zwei Supersprints noch einholen. Es waren die besten Aktionen der zwei Abwehrspieler, die den verletzten Ignace Van der Brempt und den gesperrten Miro Muheim ersetzen mussten.
Der HSV hatte ebenfalls gute Chancen nach Balleroberungen. Was die Mannschaft allerdings daraus machte, war haarsträubend. Robert Glatzel trat nach Vorlage von Levin Öztunali in bester Position über den Ball (20.). Der umtriebige Bakery Jatta brach mehrfach aussichtsreich über rechts durch, brachte seine Aktionen aber zunächst nicht zu Ende. Sein Torschuss, den Nürnbergs Ersatzkeeper Carl Klaus parieren konnte, war die zweitbeste Chance für den HSV (33.).
Nürnberg lässt den HSV im Spiel
Nürnberg war kurz zuvor nah dran am 1:0, doch Johannes Geis traf aus 17 Metern nur den linken Außenpfosten (27.). Der HSV spielte fahrig und unsauber, ließ zudem mal wieder zu viel zu. Es war sinnbildlich, dass Innenverteidiger Stephan Ambrosius es zehn Minuten vor der Halbzeit mit einem Fernschuss aus 35 Metern versuchte. Der Expected-goals-Wert dürfte in diesem Moment bei minus 100 gelegen haben. Es wirkte nicht so, als ob sich die Mannschaft gegen einen drohenden Trainerwechsel stemme.
Im zweiten Durchgang wurde es zunächst nicht besser. Der HSV spielte viele Fehlpässe und wurde offensiv immer harmloser. Gegen eine bessere Mannschaft hätte Walters Mannschaft in dieser Verfassung keine Chance gehabt, doch Nürnberg ließ den HSV im Spiel.
Doppeltes Glück für den HSV
Kurios wurde es in der 57. Minute. Der HSV ließ sich erneut auskontern, doch Daichi Hayashi lupfte freistehend vor Daniel Heuer Fernandes an die Latte. Von dort köpfte Mikelbrencis den Ball bei seiner Klärungsaktion an den Pfosten. Doppelt Glück für den HSV.
Walter brachte Jean-Luc Dompé für den abermals schwachen Öztunali. Die Hamburger hatten nun eine Offensivpower auf dem Platz, von der andere Clubs nur träumen können. Glatzel hätte seine Mannschaft dann auch in Führung schießen müssen. Bestens bedient von Jatta scheiterte er aber erneut kläglich, diesmal am Fuß von Geis (66.). So einen Ball versenkt der beste Torschütze der Liga normalerweise im Schlaf. Auch seinen Schuss aus 16 Metern hat er an anderen Tagen schon besser platziert (78.).
Glatzel macht es im vierten Versuch
Doch den HSV sollte man unter Walter nie abschreiben. Im vierten Versuch traf Torjäger Glatzel dann doch noch zum 1:0. Eine Vorlage von Jatta vollendete der Stürmer diesmal mit all seiner Klasse (80.).
Es sollte nicht das einzige Tor des Tages bleiben. Kurz vor Schluss traf Dompé nach einer tollen Einzelleistung zum 2:0. Tim Walter jubelte ausgelassen und atmete nach dem Abpfiff kräftig durch. Der HSV kann nun mit guter Laune Weihnachten feiern. Boldt muss trotzdem in der kommenden Woche nach der Hinrundenanalyse entscheiden, ob er mit Walter auch in die Rückrunde geht.
Die Aufstellungen
- HSV: Heuer Fernandes – Mikelbrencis, Ambrosius, Schonlau (90.+3 Ramos), Oliveira – Meffert – Pherai (85. Poreba), Benes – Jatta, Glatzel (85. Nemeth), Öztunali (61. Dompé).
- Nürnberg: Klaus - Gyamerah (86. Valentini), Hübner, Horn, Handwerker - Geis, Schleimer (85. Duman), Brown (81. Wekesser) - Goller, Hayashi (71. Lohkemper), Okunuki.
- Schiedsrichter: Tobias Reichel (Sindelfingen)
- Tore: 0:1 Glatzel (80.), 0:2 Dompé (90.+7).