Berlin. Aktive Fanszene des HSV äußert erstmals ihren Unmut. Trainer Walter und Manager Boldt sind um positive Stimmung bemüht.
Tim Walter tat das, was er am besten kann, als er am Donnerstag um 15.30 Uhr das Pressepodium im Volksparkstadion betrat. Er verbreitete Optimismus beim Blick nach vorn. „Wir wollen aus der Wut Energie für Sonnabend ziehen“, sagte der Trainer des HSV am Tag nach dem Pokal-Aus bei Hertha BSC (5:3 i.E.) und zwei Tage vor dem Heimspiel gegen Paderborn. „Wir wollen die Enttäuschung in Motivation ummünzen.“
Walter hinterließ einen positiven Eindruck. Um Lockerheit zu vermitteln, erlaubte er sich auch mal einen Scherz, als der richtige Zeitpunkt dafür gekommen war. Ein aus psychologischer Sicht vorbildliches Verhalten, das allerdings ein Problem offenbart: Der 48-Jährige war zuletzt zu häufig in der Rolle, Optimismus nach Rückschlägen zu verbreiten.
HSV-Fans verweigern Spielern Applaus
Ein Umstand, der auch den Fans nicht entgangen ist, weshalb es am Mittwochabend zu einer bemerkenswerten Szene kam. Als die Mannschaft nach dem Ausscheiden im DFB-Pokal in die mit rund 15.000 Hamburgern besetzte Fankurve ging, um sich für die Unterstützung zu bedanken, verzichteten die HSV-Anhänger auf Anweisung des Capos (Vorsänger) darauf zu applaudieren. Anschließend gingen die Spieler enttäuscht in die Kabine.
Bislang hatte die aktive Fanszene stets bedingungslos hinter Walters Team gestanden. Doch nach nur einem Erfolg aus den letzten acht Auswärtsspielen, ein 4:3 im Elfmeterschießen bei Drittligist Bielefeld, sind erstmals Risse zu erkennen.
Ergebnis-Frust bei Teilen der HSV-Fans
Die sich auswärts wiederholenden Fehler lösen in Fankreisen zunehmend Missstimmungen aus. In Berlin waren es die beiden späten Gegentore des HSV, die für Diskussionen sorgten.
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Am Ende steht der HSV mit leeren Händen da, obwohl er mit einer auf sieben Positionen veränderten Elf ein gutes Spiel machte. Die Hamburger dominierten Hertha über weite Strecken des Spiels mit einem Personal, das zum Teil nur selten zum Einsatz kommt.
„Wir werden diese Spieler in dieser Saison noch brauchen“, erklärte Walter seinen Rotationsplan. „Ich bin total glücklich, wie die Jungs alles reingeworfen haben. Der Kader hat es verdient, dass sie zum Einsatz kommen.“ Sportvorstand Jonas Boldt, der die in sich stimmige Kaderplanung nicht hervorheben wollte, habe eine Mannschaft gesehen, die sich gegenseitig unterstütze. „Wir sind ein Verein, der zusammenhält, und der eine genaue Idee hat“, ergänzte der Manager beim Versuch, positive Stimmung zu verbreiten.
HSV-Fans: Reaktion gegen Paderborn?
Doch weil der HSV Reese über 120 Minuten nicht unter Kontrolle bekam, steht nicht der vereinsinterne Zusammenhalt, sondern die Entstehung der drei Gegentore im Fokus. „Wir müssen als Kollektiv bis zum Ende dranbleiben und eine Gier entwickeln, alles verteidigen zu wollen“, fordert Walter. „Und zwar in jedem Spiel bis der Schiedsrichter in seine Pfeife bläst.“
Die nächste Chance, diese Vorgabe umzusetzen, bekommt der HSV bereits am Sonnabend gegen Paderborn (13 Uhr). Sollte die Partie nicht gewonnen werden, könnten die kleinen Risse in der Anhängerschaft die Stimmung zum Kippen bringen. Nicht bei Boldt und Walter, aber in der aktiven Fanszene.