Hamburg. Torwart trotz Eigentor minutenlang von Fans gefeiert. Zuvor erlitt das HSV-Spiel einen Bruch. Boldt bemängelt den Hergang der Szene.
Wer verstehen will, wie geschlossen die Fans des HSV hinter ihrer Mannschaft stehen, der muss sich nur die Szenen nach dem Abpfiff beim Derby auf St. Pauli (2:2) anschauen. Obwohl Torhüter Daniel Heuer Fernandes das kurioseste Eigentor des Jahres schoss, wurde er vom Anhang im Gästeblock minutenlang mit Sprechchören gefeiert.
Eine empathische Reaktion mit viel Aussagekraft. Beim HSV gewinnt und verliert man zusammen – ein Motto, das Tim Walter bei seinem Amtsantritt vor zweieinhalb Jahren ausgerufen hat und das von Mitarbeitern, Spielern und Fans gelebt wird. „Das Zusammenspiel zwischen Mannschaft und Fans bin ich gewohnt und das zeichnet den Verein auch aus“, sagte Heuer Fernandes.
HSV-Keeper Heuer Fernandes erklärt Patzer
Die 90 Minuten zuvor müssen dem Torwart phasenweise vorgekommen sein wie sein schlimmster Albtraum. Nachdem der sonst so sichere Rückhalt seiner Mannschaft bereits zu Beginn beinahe ein Gegentor verschuldet hatte, als er eine Flanke fallen ließ (13.), unterlief ihm kurz darauf ein folgenschwerer Blackout.
Unter Druck gesetzt durch einen holprigen Rückpass von Abwehrspieler Guilherme Ramos, der ohne weiteren Kontakt allerdings neben das Tor ins Aus gerollt wäre, drosch Heuer Fernandes das von einem Platzfehler beeinflusste Spielgerät wuchtig ins eigene Netz.
„Es war unser normaler Spielaufbau“, beschrieb der Unglücksrabe den Beginn einer verrückten Szene. „Ich biete mich seitlich vom Tor an und bekomme einen Pass ein bisschen in den Rücken gespielt. Ich will den Ball von der Linie wegschießen, dann ditscht er auf und ich schieße ihn ins Tor. Es ist natürlich maximal unglücklich, aber so etwas passiert im Fußball. Man kann es auch nicht rückgängig machen.“
Glatzel konnte HSV-Eigentor nicht fassen
Diese Ansicht teilten nicht nur die Fans, sondern auch seine Mitspieler, die in der Halbzeitkabine schon wieder den Blick nach vorne richteten. „Wir haben uns gesagt, das Gegentor mannschaftlich auffangen zu wollen“, sagt Heuer Fernandes.
In den rund 20 Minuten zwischen dem Slapstick-Eigentor und der Pause hatte das Spiel des HSV allerdings einen Bruch erlitten. Die Gäste wirkten psychologisch angeknockt, wie Stürmer Robert Glatzel bestätigte.
„Nach dem 0:2 dachte ich mir: ,Das kann doch jetzt wahr sein?!‘“, sagte der Torschütze zum 1:2. „Man weiß, wie schwer es ist, nach einem 0:1-Rückstand hier am Millerntor zurückzukommen und dann kassieren wir zusätzlich noch so ein kurioses Gegentor. Da muss man schon erst mal schlucken.“
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HSV-Eigentor von Heuer Fernandes war irregulär
Deshalb äußerte sich auch Sportvorstand Jonas Boldt wenig begeistert über den Hergang des Gegentores. So habe die Mannschaft (oder das Trainerteam?) eine falsche Entscheidung getroffen, eine spielerische Lösung beim Abstoß einer seriösen Variante vorzuziehen. „Was ich primär bemängele“, sagte der Manager, „wir haben gerade das 0:1 am Millerntor kassiert, die Stimmung ist großartig, wir haben kein gutes Momentum. Man kann es anders lösen.“
Die Tabellenspitze der 2. Bundesliga
1. FC St. Pauli 19 / 35:16 / 39
2. Kiel 18 / 34:25 / 35
3. HSV 18 / 35:22 / 34
4. Fürth 18 / 28:20 / 32
5. Düsseldorf 19 / 40:25 / 31
6. Hannover 19 / 35:25 / 28
7. Paderborn 19 / 28:29 / 28
Zur ganzen Wahrheit gehört allerdings auch, dass der Treffer bei einer korrekten Auslegung des Regelwerks nicht hätte zählen dürfen, weil beim Abstoß des HSV gleich zwei St.-Pauli-Profis auf der Strafraumlinie standen. „Beide Tore waren irregulär“, sagte Boldt in aller Deutlichkeit. Doch Heuer Fernandes' Eigentor zählte – und hat nun einen Platz in jedem Saisonrückblick sicher.