Hamburg. Die Kiezkicker dominieren die erste Hälfte, doch der Stadtrivale kommt noch zurück. Im Mittelpunkt steht Daniel Heuer Fernandes.

Daniel Heuer Fernandes stand in seinem kurzärmeligen Trikot wie angefroren an seiner Strafraumlinie. Das lag nicht am Schneetreiben oder den Außentemperaturen von minus zwei Grad in Hamburg. Der HSV-Torhüter war in Schockstarre nach dem wahrscheinlich unglücklichsten Gegentor seiner Fußballkarriere. Und das ausgerechnet im 110. Stadtderby zwischen dem FC St. Pauli und dem HSV.

Am Ende aber wurde er von den Fans mit Sprechchören gefeiert nach dem 2:2 (2:0) vor 29.153 Zuschauern im ausverkauften Millerntor-Stadion. St. Paulis Fans sangen „Spitzenreiter“. Doch freuen konnte sich der Tabellenführer nach diesem Achterbahn-Abend genauso wenig wie Heuer Fernandes.

HSV kommt nach 0:2 gegen St. Pauli noch zurück

Der Torhüter hatte in der 27. Minute ein Eigentor fabriziert, das wahrscheinlich in jedem Jahresrückblick der Fußballkuriositäten landen wird. Das Gegentor zum 0:2 wirkte am Freitag wie ein früher Genickbruch für seine Mannschaft, die in der ersten Halbzeit einen rabenschwarzen Abend erwischte. Der HSV war gegen den Stadtrivalen 45 Minuten lang in allen Belangen unterlegen und sah nach einem Treffer von St. Paulis Kapitän Jackson Ir­vine (15.) sowie dem Eigentor von Heuer Fernandes wie der sichere Verlierer aus.

Die Tabellenspitze der 2. Bundesliga
1. FC St. Pauli 19 / 35:16 / 39
2. Kiel 18 / 34:25 / 35
3. HSV 18 / 35:22 / 34
4. Fürth 18 / 28:20 / 32
5. Düsseldorf 19 / 40:25 / 31
6. Hannover 19 / 35:25 / 28
7. Paderborn 19 / 28:29 / 28

Doch eines hat man beim HSV unter Trainer Tim Walter gelernt. Seine Mannschaft sollte man zur Pause nie abschreiben. Innerhalb von zwei Minuten machte der HSV durch Robert Glatzel (58.) und Immanuel Pherai (60.) aus einem 0:2 ein 2:2.

Hürzeler enttäuscht, Boldt zufrieden

So hieß es auch nach 90 Minuten. Ein kurioses Fußballspiel mit einem Ergebnis, das zumindest für einen friedlichen Abend in Hamburg sorgte. St. Pauli bleibt ungeschlagener Tabellenführer, der HSV drei Punkte dahinter der erste Verfolger.

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„Das Ergebnis fühlt sich schlecht an“, sagte St. Paulis Trainer Fabien Hürzeler. „Wir sind enttäuscht, weil wir die bessere Mannschaft waren.“ HSV-Sportvorstand Jonas Boldt hatte eine andere Meinung: „Ich sehe eine klare erste Halbzeit bei St. Pauli, eine klare zweite für uns.“

Kiezclub startet dominant

St. Pauli präsentierte sich lange Zeit in Meisterform und zeigte eindrucksvoll, dass der Aufstieg in dieser Saison nur über den Kiezclub geht. Beim Club aus dem Volkspark bleiben trotz des Ergebnisses Zweifel, ob es in dieser Form reicht mit dem ersehnten Aufstieg.

Schon beim 2:1-Zittersieg vor einer Woche gegen Braunschweig hatte sich der HSV in der zweiten Halbzeit in schwacher Verfassung präsentiert. Am Millerntor wurde es zunächst noch eine Nummer schlechter.

Lag die Wende am Schneefall?

St. Paulis Fans reagierten in der ersten Halbzeit sogar mit Häme, als sie jede gelungene Ballannahme von Heuer Fernandes feierten. Doch die Anhänger wähnten sich zu früh in Sicherheit. Ihr Team strotzte zwar nur so vor Selbstvertrauen und ließ den HSV das von Beginn an spüren.

Doch am Ende erlebten die Zuschauer zwei völlig unterschiedliche Halbzeiten. „Wir waren die klar bessere Mannschaft, hatten aber Probleme, das Ganze zu vollenden, vielleicht auch dem Schnee geschuldet“, sagte Johannes Eggestein. "Nach dem Spielverlauf sind wir ernüchtert. Wir hatten uns auf jeden Fall mehr versprochen", meinte der Mittelstürmer.

Beide Trainer verändern ihre Anfangsformation

Parallelen gab es nur vor dem Spiel. Sowohl Hürzeler als auch Walter ließen ihre wohl besten Flügelspieler auf der Bank. Oladapo Afolayan und Jean-Luc Dompé saßen zunächst überraschend draußen.

Bei St. Pauli kam Connor Metcalfe über rechts, beim HSV stürmten Ransford Königsdörffer und Pherai über die Flügel. Ignace Van der Brempt rückte zurück in die Startelf, Lukasz Poreba auf die Acht.

HSV kann zu wenig mit Ballgewinnen anfangne

Im Spiel zeigte Walters Mannschaft dann zunächst eine Herangehensweise, von der man gar nicht wusste, dass sie diese beherrscht. Der HSV spielte Umschaltfußball, ließ St. Pauli das Spiel machen und wartete auf Fehler. Tatsächlich klappte das zehn Minuten lang ganz ordentlich.

Der HSV hatte einige Ballgewinne, konnte damit aber nichts anfangen. Ohne den gelbgesperrten Bakery Jatta fehlte die Tiefe. Die Torwahrscheinlichkeit (expected goals) lag zur Pause bei 0,05 Prozent.

1:0 für St. Pauli regelwidrig?

St. Pauli hatte seine erste Torchance schon früh nach einer Eckenvariante in den Rückraum zu Eric Smith (3.). Die gleiche Idee führte dann zum 1:0. Wieder zog Hartel den Ball weg vom Tor, diesmal auf Irvine. Der Kapitän traf per Direktabnahme (15.).

Der Treffer hätte aber auch zurückgenommen werden können. Karol Mets hatte HSV-Ersatzkapitän Jonas Meffert zuvor regelwidrig mit einem Griff an den Kehlkopf geblockt.

Walter nimmt Heuer-Patzer locker

Doch der Treffer zählte, und der HSV wirkte geschockt. Es folgte der kapitale Aussetzer: Nach einem kurz ausgeführten Abstoß spielte Guilherme Ramos den Ball unsauber zurück zu Heuer Fernandes. Der Ball sprang unglücklich auf, und der HSV-Torhüter haute ihn aus einem Meter in die eigenen Maschen.

„Der Moment war natürlich Scheiße“, sagte Heuer Fernandes nach der Partie, „aber so etwas passiert im Fußball.“ Trainer Walter nahm es locker: „Das Tor kommt sicher bei den lustigsten Szenen des Jahres mit rein.“ Doch auch dieser Treffer war umstritten. Beim Abstoß stand mindestens ein Spieler von St. Pauli ganz knapp im Strafraum.

Gastgeber verlieren die Kontrolle nach der Halbzeit

St. Pauli machte weiter Druck. Der HSV rettete sich in die Pause. „Heuer, Schonlau, Reis und Glatzel haben jeweils eine emotionale Ansprache gehalten“, verriet Pherai.

Es schneite nun noch heftiger. Und davon profitierte der HSV. Mit Dompé für Poreba wurde Walters Mannschaft viel präsenter. Und machte die Tore. St. Pauli verlor dagegen die Kontrolle.

Unentschieden freut nur den HSV

"Wir müssen aufpassen, jetzt nicht alles auf den Schnee zu schieben, sondern uns an die eigene Nase fassen. Wir hätten das Spiel zumachen müssen. Vor dem 2:1 verliere ich Glatzel kurz aus dem Sichtfeld, das muss ich besser machen", kritisierte St. Paulis Innenverteidiger Hauke Wahl.

Am Ende blieb es aber beim Remis. Ein Ergebnis, über das sich an diesem Abend nur der HSV ein bisschen freuen konnte.

Die Statistik:

  • FC St. Pauli: Vasilj – Wahl, Smith, Mets – Saliakas (67. Ritzka), Irvine, Hartel, Treu – Metcalfe (86. Maurides), Eggestein (80. Afolayan), Saad (67. Amenyido).
  • HSV: Heuer Fernandes – Van der Brempt (75. Mikelbrencis), Ramos, Ambrosius, Muheim – Meffert, Poreba (46. Dompé, 90.+3 Nemeth), Pherai, Königsdörffer (80. Öztunali) – Benes, Glatzel.
  • Tore: 1:0 Irvine (15.), 2:0 Heuer Fernandes (27., Eigentor), 2:1 Glatzel (58.), 2:2 Pherai (60.). Schiedsrichter: Zwayer (Berlin). Zuschauer: 29.153 (ausverkauft).
  • Gelbe Karten: Wahl – Ramos (3), Meffert (5), Mikelbrencis (3).
  • Torschüsse: 16:6; Ecken: 9:3
  • Ballbesitz: 60:40 Prozent
  • Zweikämpfe: 102:114