Hamburg. Warum sind die HSV-Spieler nicht lernfähig? Liegt es möglicherweise an ihrem Fußballlehrer? Boldt muss Antworten finden.

Wenn eine Schülerin oder ein Schüler in Mathe immer eine Fünf von der Schule nach Hause bringt, stellen sich einige grundsätzliche Fragen: Sind die Kinder beim Lernen in der Vorbereitung auf die Klassenarbeit zu faul gewesen, oder sind sie einfach nicht schlau genug, um den Lernstoff zu verstehen und erfolgreich umzusetzen?

Zu einer gründlichen Aufklärung gehört aber genauso nachzuforschen, ob die Lehrkraft es nicht versteht, die Jugendlichen zum Üben zu motivieren oder noch schlimmer, nicht in der Lage ist, die Rechenaufgaben pädagogisch plausibel und nachvollziehbar zu präsentieren.

Mit Schule und vor allem mit Zahlen hat auch der Profifußball sehr viel gemeinsam, und besonders in dieser Saison zeigen sich am Beispiel HSV sehr viele Parallelen. Eine gewaltige Fehlerquote lässt die Hamburger ständig durch die Auswärtsprüfungen rasseln. Bei nur sechs von 21 möglichen Punkten in fremden Stadien ist die – um im Bild zu bleiben – Versetzung in die nächsthöhere Klasse mehr als nur gefährdet, da mag die makellose Bilanz von sechs Siegen in sechs Heimspielen noch so blendend aussehen.

HSV-Trainer Walter mit Latein am Ende?

Es ist ja nun immer einfach im Fußball, in solchen Lagen von außen den einen Schuldigen zu suchen und mit dem Finger im Zweifel auf den Fußballlehrer zu zeigen, obwohl sich bei so signifikant schwankenden Leistungen wie beim HSV immer auch die Frage stellt, ob das nicht ein Zeichen von fehlender Qualität des Klassenverbunds ist. Auf der anderen Seite wirkt Tim Walter mit seinem (Auswärts-)Latein ziemlich am Ende, weil seine Lehrmethoden zu verpuffen scheinen.

Der Autor ist Sportchef beim Hamburger Abendblatt.
Der Autor ist Sportchef beim Hamburger Abendblatt. © HA | Andreas Laible

Seine augenscheinlich große Stärke in seiner bisherigen Zeit in Hamburg war es, für einen ungeheuren Zusammenhalt innerhalb der Mannschaft zu sorgen, die Emotionen zu kitzeln. Besonders diese Eigenschaft machte Walter bei den Fans, die sich so stark mit dem HSV identifizieren wie nie seit dem Erstliga-Abstieg, bis heute so beliebt, fast unantastbar.

HSV-Boss Boldt ist als Rektor gefragt

Vor den Zahlen jedoch schützen diese Pluspunkte Walter nicht, einige Statistikwerte müssen in der Führungsetage des Vereins für Alarmstimmung sorgen. Es kann nicht sein, dass das gesamte HSV-Team bei Holstein Kiel fast zehn Kilometer weniger läuft als der Gegner und auch im Sprintbereich deutlich abfällt, von dem desaströsen Defensivverhalten mal abgesehen. „Der Angriff gewinnt Spiele, die Abwehr Meisterschaften“, ist eine Fußballweisheit, die alt, aber wahr ist.

Gefragt ist nun kein populistischer Aufruf, sondern eine gründliche Recherche von „Rektor“ Jonas Boldt. Er muss herausfinden, warum die HSV-Spieler nicht lernfähig und von einer Prüfungsangst befallen sind. Boldt muss prüfen, ob die Methoden Walters noch greifen oder ob auch er „nachsitzen“ muss. Und er muss entscheiden, in welcher personellen Konstellation die Wahrscheinlichkeit für den Aufstieg am größten ist. Kontinuität ist immer ein gutes Ziel. Aber es führt eben nicht immer zum gewünschten Ergebnis.